Ein grausamer Raubmord in Hamburg, von den Tätern fehlt jede Spur. Die Ermittler in der Elbstadt tappen lange im Dunkeln, doch dann führt ein anonymer Hinweis nach Frankreich. Die französische Polizei sucht in ihren DNA-Datenbanken nach einem entsprechenden Täterprofil. "Treffer", melden die Franzosen an ihre deutschen Kollegen - zwei Tage später wird der Mörder gefasst.
Datenbanken der europäischen Polizeibehörden zu vernetzen und damit grenzüberschreitende Ermittlungen leichter zu machen, war einer der Pläne, für den die EU-Innen- und Justizminister beim ersten informellen Ministertreffen unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft in Dresden den Weg ebneten. Beschlüsse fassten sie nicht; das ist Sache der formellen Ministerräte. Im Grundsatz aber stellten sich die Vertreter aus den 27 EU-Staaten hinter den Vorschlag von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, künftig DNA-Spuren, Fingerabdrücke und Fahrzeughalter-Daten untereinander auszutauschen. Dabei greift die deutsche Präsidentschaft auf einen im Mai 2005 im Eifelstädtchen Prüm geschlossenen Vertrag zurück, den mittlerweile elf EU-Staaten unterzeichnet haben. Er sieht zudem gemeinsame Polizeistreifen und die gegenseitige Hilfe bei Großereignissen vor.
Deutschland und Österreich gleichen seit Dezember vergangenen Jahres ihre DNA-Datensätze ab. Die deutschen Ermittler landeten seitdem 1.500 Treffer in österreichischen Datenbanken, umgekehrt waren es 1.400. EU-Justizkommissar Franco Frattini sagte in Dresden, die Regeln würden sowohl dem Sicherheitsbedürfnis der Bürger als auch dem Datenschutz gerecht. Ziel des Datenaustauschs sei es, besser gegen Terrorismus, organisierte Kriminalität und illegale Einwanderung vorgehen zu können. Datenschützer kritisieren jedoch, dass nach wie vor EU-weit verbindliche Standards für die Zusammenarbeit von Justiz- und Polizeibehörden fehlen. Und die USA - mit der EU bereits über die Weitergabe von Fluggastdaten und die Einsicht in Banktransfers im Zwist - haben sich laut Schäuble bereits äußerst interessiert nach der geplanten Vernetzung von Polizeidaten in Europa erkundigt.
Vor dem Hintergrund steigender Gewaltbereitschaft bei Kindern und Jugendlichen verständigten sich die Minister zudem darauf, verstärkt gegen extrem gewaltverherrlichende Spiele und Filme vorzugehen. Ein unionweites Verbot so genannter Killerspiele wird es auf absehbare Zeit jedoch nicht geben. Lediglich eine gemeinsame schwarze Liste der schlimmsten Videos und Spiele sollen die EU-Staaten erstellen. Frattini appellierte an die Regierungen, den Verkauf solcher Produkte an Minderjährige schärfer zu kontrollieren. Eine Forderung des bayerischen Innenministers Günther Beckstein nach einem Verbot von Gewaltspielen im Internet wies Bundesjustizministerin Brigitte Zypries als realitätsfern zurück: "Das ist so, als ob man das Regnen verbieten wollte."
Grenzen überwinden wollen die EU-Minister auch beim Scheidungs- und Erbrecht. Künftig sollen binationale Ehepartner bei der Heirat festlegen können, ob das Recht des Heimatlandes eines der Partner oder das des Aufenthaltslandes des Paares im Fall einer Scheidung gelten soll.
Beim Thema Einwanderung einigten sich die Justiz- und Innenchefs darauf, künftig die Grenzen für legale Einwanderer zu öffnen. Dies allerdings nur zeitlich befristet und entsprechend der Bedürfnisse der nationalen Arbeitsmärkte. Der Kampf gegen illegale Einwanderung habe für die EU weiterhin Vorrang. Vor allem Spanien und Italien kämpfen mit einem Zustrom illegaler Einwanderer aus Afrika. Von den anderen EU-Staaten fühlen sie sich dabei allein gelassen. Frattini warnte vor einer neuen Flüchtlingswelle im Sommer. Daher müssten die EU-Länder bis Ende März der EU-Grenzschutzbehörde Frontex konkrete Hilfe in Form von Patrouillenbooten, Helikoptern und Kontrollbeamten zusagen. Der von Deutschland häufig vorgebrachte Einwand, dass Europa auch mit einer Einwanderungswelle aus dem Osten und Südosten konfrontiert sei, wurde in Dresden nicht geäußert. In diesem Sinne gaben sich die deutschen Minister entsprechend ihrer Rolle ganz als diplomatische Mittler.