Arbeit
Neue Kombilöhne sollen 150.000 Langzeitarbeitslosen Jobs bringen. Ob das klappt?
Die Wirtschaft boomt und die Arbeitslosigkeit insgesamt sinkt. Doch an denen, die seit Jahren ohne Job sind, geht der Aufschwung vorbei. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen sei nur "minimal", nämlich um 1,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, gesunken, nannte der Chef der Bundesgentur für Arbeit (BA), Frank-Jürgen Weise, am 4. Juli im Ausschuss für Arbeit die aktuellen Daten. Neu ist das Problem nicht, seit Jahrzehnten doktert die Politik - ob mit ABM, Jobfloater oder anderen Maßnahmen mit mehr oder weniger klangvollen Namen - an einer Lösung herum. Jetzt unternimmt die Große Koalition einen neuen Anlauf. Mit Kombilöhnen sollen auch Langzeitarbeitslose und Jugendliche ohne Ausbildung endlich am Aufschwung teilhaben.
Der Bundestag beschloss am 6. Juli mit den Stimmen von Union und SPD zwei Gesetzentwürfe ( 16/5715 , 16/5714 , Beschlussempfehlung 16/5933 ), die am 1. Oktober in Kraft treten sollen. Vom ersten Programm erhofft sich Schwarz-Rot insgesamt 100.000 neue Jobs für schwer vermittelbare Arbeitslose. Ein Lohnkostenzuschuss von bis zu 75 Prozent soll Arbeitgeber dazu bewegen, Empfängern von Arbeitslosengeld II (Alg II) für mindestens zwei Jahre eine Chance zu geben, die "besondere Vermittlungshemmnisse" haben. Das können eine fehlende berufliche Qualifizierung, gesundheitliche Einschränkungen, ein Migrationshintergrund, Schulden oder Drogenprobleme sein. Eine weitere Voraussetzung ist, dass eine Vermittlung in den regulären Arbeitsmarkt für mindestens zwei Jahre unwahrscheinlich ist.
Das zweite Programm ( 16/5714 ) wendet sich an Erwerbslose unter 25 Jahren. Mit einem Beschäftigungskombilohn sollen rund 50.000 von ihnen eine berufliche Perspektive erhalten. Arbeitgeber können bei einem Bruttolohn von maximal 1.000 Euro bis zu 500 Euro vom Staat erstattet bekommen. Die jungen Erwachsenen müssen mindestens sechs Monate arbeitslos gewesen sein und während der geförderten Beschäftigung betrieblich qualifiziert werden. Die jährlichen Kosten werden auf bis zu 250 Millionen Euro geschätzt.
"Wir wollen Chancen schaffen für Menschen, die bislang kaum die Möglichkeit hatten, in Arbeit zu kommen oder Ausbildung zu erhalten", umriss der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium, Franz Thönnes (SPD), das Ziel der Koalition. Er erinnerte daran, dass noch immer 366.000 Menschen unter 25 Jahren keinen Job hätten. Jungen Menschen, die beispielsweise in einer Lehre gescheitert seien, müsse eine zweite und auch eine dritte Chance geboten werden. "Das ist gut investiertes Geld", so Thönnes.
Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Klaus Brandner, ergänzte, von den Langzeitarbeitslosen habe fast eine halbe Million keinen Schulabschluss. Auch bei einer sich weiter verbessernden Arbeitsmarktlage werde es nicht gelingen, alle Langzeitarbeitslosen in einen neuen Job zu bringen. Deshalb seien neue Instrumente notwendig. "Für diejenigen, die total draußen vor der Tür sind, für die bauen wir eine Jobperspektive auf", fügte Brandner hinzu. Der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) verteidigte, dass der Lohnkostenzuschuss höchstens 75 Prozent betragen wird. "Dass ein Teil des Geldes vom Abeitgeber kommen soll, hat auch was mit Würde und Wertschätzung von Arbeit zu tun", unterstrich Laumann.
Die Opposition ging mit den Kombilohn-Gesetzen scharf ins Gericht. Der FDP-Abgeordnete Dirk Niebel warf Union und SPD vor, die Beiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern für nutzlose Maßnahmen hinauszuwerfen, die Arbeitslose letztlich nur stigmatisierten. Die Koalition schaffe einen "zusätzlichen Blumenstrauß für die Verschönerung des Dschungels arbeitsmarktpolitischer Instrumente".
Die Grünen-Arbeitsmarktexpertin Brigitte Pothmer erkannte zwar die Initiative der Koalition für einen "sozialen Arbeitsmarkt" an. Sie fügte aber hinzu: "Die Ausgestaltung des Projekts ist Ihnen leider nicht so gut gelungen." Schwarz-Rot betreibe einen "Kombilohn-Wirrwarr". Als "arbeitsmarktpolitischen Sündenfall" bezeichnete sie, die unter 25-Jährigen in das Lohnkostenzuschussprogramm aufgenommen zu haben. Die Koalition hatte dies im Laufe der parlamentarischen Beratungen in das Gesetz eingefügt. Pothmer kritisierte, damit würden die betroffenen Jugendlichen "zur Hochrisikogruppe des Arbeitsmarktes gemacht, den Ungelernten".
Die Linksparlamentarierin Katja Kipping forderte, auch öffentlich geförderte Beschäftigung müsse sozialversicherungspflichtig sein. Ansonsten bestehe ohne Mindestlöhne die Gefahr, dass bei diesen öffentlich geförderten Jobs "Hungerlöhne" gezahlt würden. Bei den Programmen der Koalition seien zudem die damit verbundenen Repressionen zu beklagen. Der Antrag der Fraktion Die Linke ( 16/2504 ) zur Schaffung von bis zu 500.000 Stellen in einem öffentlich geförderten Beschäftigungssektor erhielt aber ebensowenig eine Mehrheit wie zwei Entschließungsanträge ( 16/5979 , 16/5980 ) zu den Gesetzentwürfen der Koalition. Auch ein Antrag der Grünen ( 16/2652 ) wurde abgelehnt. Die Linke scheiterte zudem mit einem Antrag ( 16/4749 ) zur Komplettfreigabe des Eingliederungsbudgets für das Jahr 2007.