Altersversorgung
Die Entgeltumwandlung bleibt abgabenfrei - mit ungeklärten Folgen für die Rente
Millionen Abeitnehmer können aufatmen. Der Aufbau ihrer betrieblichen Altersversorgung wird über das Jahr 2008 so gefördert wie bisher. Wichtigster Punkt: Die Sozialabgabenfreiheit bei der Entgeltumwandlung bleibt auf Dauer erhalten. Der Bundestag machte am 8. November mit den Stimmen der Koalition und der FDP-Fraktion den Weg für einen entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung ( 16/6539 , 16/6983 ) frei. Die Fraktionen von Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen lehnten die Vorlage ab. Verbunden ist mit ihr auch eine Anhebung der Zulage für ab dem 1. Januar 2008 geborene Kinder im Rahmen der Riesterrente auf 300 Euro. Der Bundesrat muss dem Gesetz noch zustimmen. Anträge der FDP ( 16/6433 ) und der Grünen ( 16/6606 ) erhielten genausowenig eine Mehrheit wie ein Entschließungsantrag der Grünen ( 16/7009 ), mit dem die Bundesregierung aufgefordert werden sollte, einen Bericht zu den Folgen der beitragsfreien Entgeltumwandlung für das Rentenniveau vorzulegen.
Die Grünen-Rentenexpertin Irmingard Schewe-Gerigk bemängelte, dass eine so weitgehende Maßnahme wie die Sozialabgabenfreiheit unbefristet beschlossen werde, ohne überhaupt zu wissen, wie diese wirke. Je nach Inanspruchnahme der Entgeltumwandlung sinke das Rentenniveau um zwei bis vier Prozent. Die Regierung mache "Geschenke an gut Verdienende, an Kernbelegschaften". Dies gehe zu Lasten aller Sozialversicherten: "2,5 Milliarden Euro pro Jahr aus der Sozialversicherungskasse, in die alle Erwerbstätigen einzahlen." Ähnlich argumentierte Linksparlamentarier Volker Schneider. Er gab darüber hinaus zu bedenken, dass auch bei Betriebsrentnern neue Versorgungslücken entstünden. Jeder Betriebsrentner zahle niedrigere Beiträge zur gesetzlichen Rente. "Ob dies durch die höheren Betriebsrenten wieder ausgeglichen wird, ist überhaupt nicht gewährleistet", so Schneider.
Der Unions-Abgeordnete Peter Weiß vertrat hingegen die Auffassung, dass mit dem Gesetz das System der Alterssicherung "ein gutes Stück zukunftsfester gemacht" werde. Die SPD-Abgeordnete Gabriele Hiller-Ohm fügte hinzu, mehr als 65 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten hätten inzwischen eine Anwartschaft auf eine betriebliche Altersvorsorge. Dies sei eine "unglaubliche Erfolgsgeschichte, die wir auf jeden Fall fortsetzen". Außerdem würden nicht automatisch die Einnahmen der Sozialkassen steigen, wenn die Abgabenfreiheit der Entgeltumwandlung wegfiele. Der FDP-Sozialpolitiker Heinrich L. Kolb betonte, ein Auslaufen der Abgabenfreiheit und die damit einhergehende doppelte Beitragspflicht zur Krankenversicherung in der Einzahlungs- und Auszahlungsphase hätte die Entgeltumwandlung für die Versicherten "völlig unattraktiv" gemacht.
Das Festhalten an der Beitragsfreiheit stieß bei Arbeitgebern und Gewerkschaften auf einmütige Zustimmung. In einer öffentlichen Anhörung zu dem Gesetzentwurf am 5. November hob Gert Nachtigal von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) hervor, dass gerade die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen von der Regelung profitierten. Für den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) sagte Martina Perreng, würde die Abgabenfreiheit wegfallen, werde es zu "Ausweichreaktionen" kommen. So würden möglicherweise viele Arbeitnehmer laufende Verträge kündigen, was zu erheblichen Verlusten und Lücken in der Altersversorgung führe.
Der Sachverständige vom Sozialverband Deutschland, Ragnar Hoenig, anerkannte zwar das Bestreben der Bundesregierung, die betriebliche Altersvorsorge zu stärken. Der eingeschlagene Weg sei aber "nicht richtig", da er geringere Rentenanwartschaften und -steigerungen zur Folge habe. Der Experte der Deutschen Rentenversicherung Bund, Wolfgang Binne, erläuterte, dass die Auswirkungen der Beitragsausfälle auf den Rentenwert nach Schätzungen seines Hauses bei zwei Prozent liegen würden. Dies sei aber abhängig von der Zahl der Teilnehmer an der betrieblichen Altersversorgung.
Mit der Entscheidung des Bundestages wird zudem die arbeitgeberfinanzierte Betriebsrente schon für Menschen ab dem 25. Lebensjahr statt wie bisher ab dem 30. Lebensjahr gesichert. Wer bislang arbeitgeberfinanziert eine Zusatzvorsorge für das Alter aufgebaut hat, kann die so gebildeten Anwartschaften trotz fünfjährigen Bestehens verlieren, wenn er vor Erreichen des 30. Lebensjahrs aus seinem Unternehmen ausscheidet - etwa bei einem Jobwechsel oder wegen einer Familienphase. Künftig sind neue Betriebsrentenanwartschaften schon ab Vollendung des 25. Lebensjahrs "unverfallbar", also sicher.
In dem Gesetzentwurf geht es neben der betrieblichen Altersversorgung auch um eine Änderung des arbeitsmarktpolitischen Instruments der Vermittlungsgutscheine. Voraussetzung für die Ausgabe eines Vermittlungsgutscheins soll künftig eine Arbeitslosigkeit von zwei Monaten innerhalb einer Frist von drei Monaten sein. Bislang genügt eine Arbeitslosigkeit von sechs Wochen innerhalb von drei Monaten. Ferner kann künftig bei Langzeitarbeitslosen und Menschen mit Behinderungen der Vermittlungsgutschein bis zu einer Höhe von 2.500 Euro ausgestellt werden. Die FDP scheiterte diesbezüglich mit einem eigenen Antrag ( 16/1675 , 16/6987 ).