ERINNERUNG
Der Bundestag stimmt für ein Einheits-Denkmal in Berlin. Doch die Diskussion geht weiter.
Wo soll es hin, das neue Freiheits- und Einheits-Denkmal? Nach Berlin oder nach Leipzig? Oder kommen Berlin und Leipzig in Frage? Oder gar Berlin, Leipzig und viele andere ostdeutsche Städte, in denen die DDR-Bürgerrechtsbewegung aktiv war? Vor allem die Standortfrage aber auch der Zeitpunkt der Errichtung beschäftigte die Abgeordneten des Bundestages am 9. November, dem 18. Jahrestag des Mauerfalls. Denn dass es eine manifestierte Erinnerung an das Ende der Teilung Deutschlands geben soll, ist Konsens unter den Fraktionen.
Für Berlin sprachen sich sowohl Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) als auch Wolfgang Börnsen (CDU) aus. Ein solches Denkmal gehöre an einen zentralen Punkt der Hauptstadt Berlin, so Thierse, der sich aber auch vorstellen kann, in einem Diskussionsprozess andere Orte ebenfalls zu bedenken und neue Initiativen entstehen zu lassen. "Einmischung ist erwünscht", sagte Thierse in Richtung jener Kritiker, die den Verlauf der Ideenfindung als zu schnell bezeichnet hatten. Eine Fertigstellung im Jahr 2009 sei das Ziel, aber "kein Dogma".
Das Freiheits- und Einheits-Denkmal, so sein CDU-Kollege Börnsen, stehe für "Glücksmomente der deutschen Geschichte", die nicht in die "Besenkammer der Erinnerung gehörten". Das Denkmal müsse ein Lern- und Erinnerungsort sein und in Berlin stehen, so Börnsen. Auch der Kulturausschussvorsitzende Hans-Joachim Otto (FDP) plädierte für den Standort Berlin. Er stimme ausdrücklich den Worten des Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU) zu, der anlässlich des Tages der Deutschen Einheit daran erinnert habe, dass es in der Hauptstadt zahlreiche auffällige Stätten der Erinnerung an die Verbrechen zweier Diktaturen in Deutschland gebe und er keinen vernünftigen Grund sehe, nicht auch in ähnlich demonstrativer Weise der Freiheits- und Einheitsgeschichte der Deutschen zu gedenken.
Ebenfalls auf Lammert bezog sich der Grünen-Angeordnete Peter Hettlich. Der Bundestagspräsident habe gesagt, das Denkmal dürfe nicht von oben verordnet werden. Genau dieser Eindruck entstehe allerdings angesichts des "Hau-Ruck-Verfahrens" mit dem das Denkmal durchgesetzt werden solle. Zu leichten Unruhen unter den Abgeordneten führte der Redebeitrag von Lukrezia Jochimsen (Die Linke). Sie plädierte für ein Denkzeichen in Leipzig und kritisierte das "schnell, schnell" des Verfahrens, das keine Diskussion und kein Nachdenken zulassen solle. Die Linke wolle die damaligen Bürgerrechtler mehr einbeziehen, da man sich "dem Erbe der politischen Opposition in der DDR verpflichtet sieht". Jan Mücke (FDP) sah sich dadurch zu einer kurzen Zwischenintervention veranlasst und erinnerte daran, dass die Bürgerrechtsbewegung damals gegen die SED, einer der Vorgängerparteien der Linken, auf die Straßen gegangen ist. Es sei eine "Unverschämtheit", die Bürgerrechtler für die Zwecke der Linken zu nutzen, wandte er empört ein. Wolfgang Thierse ergänzte, ihm sei die Luft weggeblieben, angesichts von soviel "Dreistigkeit".
Zum Für und Wider eines Freiheits- und Einheitsdenkmals hatten Experten auch schon am 7.November bei einer Anhörung vor dem Kulturausschuss Stellung genommen. Professor Salomon Korn, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, äußerte dabei ein grundsätzliches "Ja" zu einem Denkmal. Es dürfe sich jedoch nicht auf die Ereignisse des Jahres 1989 beschränken. "Wir diskutieren noch die nächsten zehn Jahre, wenn wir uns nicht auf 1989 beschränken", lautete hingegen die Befürchtung von Professor Klaus Schroeder, dem Leiter des Forschungsverbundes SED-Staat. Ein Denkmal, so Professor Wolfgang Benz vom Zentrum für Antisemitismusforschung. sei nicht zu verwirklichen. Es sei schlichtweg künstlerisch zu schwierig. Benz sprach sich für einen "Begegnungsort mit einer Dokumentationsstelle" aus, der in Leipzig entstehen müsse.
Im Kulturausschuss wurde noch eine andere Standortfrage diskutiert - wo sollen zukünftig die Stasi-Akten lagern? Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) hatte sich mittelfristig für eine Verlagerung der Akten aus den Archiven der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes (BStU) ins Bundesarchiv ausgesprochen. Ein Vorschlag, der von Hubertus Knabe, Direktor der Gedenkstätte Berlin Hohenschönhausen, unterstützt wird. Es sei von Anfang an klar gewesen, das die Stasi-Unterlagen-Behörde nur für eine befristete Zeit existieren sollte.
Das räumte auch Behördenleiterin Marianne Birthler ein. Dennoch warnte sie davor, funktionsfähige Strukturen der Aufarbeitung abzubauen. Einer Überführung der Akten steht Birthler derzeit skeptisch gegenüber. Vorher müssten noch verfassungsrechtliche und datenschutzrechtliche Fragen geklärt werden. Sie warne vor falschen Hoffnungen auf erleichterten Aktenzugang für Forschung und Medien.
Professor Hartmut Weber, Präsident des Bundesarchivs Koblenz, teilt derartige Sorgen nicht. Er könne keine wesentlichen Unterschiede zwischen dem Stasi-Unterlagengesetz und dem Bundesarchivgesetz hinsichtlich des Zugangs zu personenbezogenen Unterlagen durch Presse und Medien erkennen. "Akten sind wichtiger als die Behörde", sagte Rainer Eppelmann, Vorsitzender der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Es sei nicht entscheidend, unter welchem Dach zukünftig die Stasi-Unterlagen archiviert werden. Eine eventuelle Verlagerung der Akten dürfe allerdings nicht zu einer "Verschlechterung der Akteneinsicht" führen, schränkte er ein. Götz Hausding z