Anti-Terror-Einsatz
Bundestag entscheidet in dieser Woche über weitere Beteiligung an OEF
Deutschland wird sich auch weiterhin an der militärischen Bekämpfung des islamistischen Terrorismus beteiligen. In dieser Woche wird der Bundestag voraussichtlich mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der FDP die Beteiligung der Bundeswehr an der Nato-geführten Operation Enduring Freedom (OEF) in Afghanistan und am Horn von Afrika trotz aller Bedenken um ein weiteres Jahr verlängern. Dies zeichnete sich während der ersten Lesung des Antrags der Bundesregierung ( 16/6939 ) am 8. November ab. Allerdings zeigte die Debatte erneut, dass sich der Aufbau funktionierender ziviler Strukturen in Afghanistan sechs Jahre nach dem Sturz des Talibanregimes schwieriger gestaltet als erhofft und dass sich die Sicherheitslage in jüngster Zeit weiter verschlechtert hat.
Abgelehnt wird der OEF-Einsatz von der Linksfraktion und von Bündnis 90/Die Grünen. Mit vereinzelten Nein-Stimmen ist jedoch auch aus den Reihen von SPD und der CDU/CSU zu rechnen.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) warben nachdrücklich für eine erneute Verlängerung des Mandats, das der Deutsche Bundestag erstmals am 16. November 2001 erteilt hatte. Steinmeier betonte, dass Afghanistan zwar "nicht mehr das Ausbildungszentrum für islamistischen Terrorismus" sei, aber die "konkrete Gefahr durch fanatisierte Terroristen in Afghanistan ist keineswegs gebannt".
Steinmeier zeigte Verständis für die Kritik an Operation Enduring Freedom, die sich an der großen Anzahl von Opfern unter der afghanischen Zivilbevölkerung im Verlauf von Kampfhandlungen zwischen OEF-Truppen und Taliban-Verbänden entzündet hatte. Das vorrangige Ziel, den Menschen in Afghanistan zu helfen, dürfe nicht an Glaubwürdigkeit verlieren: "Darum haben wir uns mit vielen Verbündeten bei unseren Gesprächspartnern innerhalb der NATO für die Einsatzregeln nicht nur bei ISAF, sondern auch bei OEF eingesetzt." Die Soldaten seien angehalten, zivile Opfer zu vermeiden.
Für die Linksfraktion hielt Oskar Lafon- taine dem Außenminister entgegen, dass der durch die Genfer Konvention geforderte Schutz der Zivilbevölkerung "nicht im Mindesten gewährleistet" werde. Laut Agenturmeldungen seien seit Jahresbeginn 5.600 Menschen in Afghanistan getötet worden. "Bauern, die ihr Feld bestellen, sind von Talibankämpfern nicht zu unterscheiden." Die Linksfraktion lehnt den OEF-Einsatz prinzipiell ab. Aus ihrer Sicht stellt er einen Bruch des Völkerrechts dar.
Auch die Grünen zweifeln an der Legitimität und der Wirksamkeit des Anti-Terror-Einsatzes der NATO. Winfried Nachtwei, sicherheitspolitischer Sprecher seiner Fraktion, bestätigte zwar, dass die Stabilisierung Afghanistans weiterhin der militärischen Absicherung bedürfe, die völkerrechtliche Legitimation der Operation Enduring Freedom sechs Jahre nach den Terroranschlägen vom 11. Septemer 2001 zugleich aber "immer dünner und fragwürdiger" werde: "Jetzt weiter auf das Selbstverteidigungsrecht zu pochen, heißt, es völlig zu entgrenzen und damit das internationale Gewaltverbot im Grunde zu zersetzen." Zudem gefährde die Vorgehensweise der OEF-Truppen in Afghanistan die Arbeit der internationalen Schutztruppe ISAF. Nach Informationen von Insidern ginge es "nicht vorangig darum, Gefangene zu machen, sondern darum, die Taliban zu zerschlagen: die Taliban würden mithilfe der Luftwaffe gnadenlos niedergemacht".
Dieser Sichtweise widersprach die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Birgit Homburger, vehement. Man müsse mit dem "Märchen" aufräumen, es gebe ein ",gutes' ISAF-Mandat, unter dem der Wiederaufbau stattfindet, und ein ,böses' OEF-Mandat, das aufgrund des militärischen Vorgehens hauptsächlich für die zivilen Opfer verantwortlich" sei.
Bedenken wegen der Legitimation des OEF-Einsatzes auf Grund des Selbstverteidigungsrechts nach Artikel 51 der UN-Charta waren in den vergangenen Monaten auch aus den Reihen der SPD laut geworden. Außenminister Steinmeier kündigte in der Debatte deshalb an, man werde mit den Verbündeten über eine Mandatierung des OEF-Einsatzes durch den UN-Sicherheitsrat reden müssen.
Vorbehaltlich der Zustimmung des Bundestags sollen in Zukunft bis zu 1.400 deutsche Soldaten - darunter 100 Angehörige des Kommandos Spezialkräfte - im Rahmen des OEF-Mandates eingesetzt werden können; das sind 400 weniger als bisher. Derzeit sind jedoch nur rund 300 Bundeswehrsoldaten an OEF beteiligt. Der Schwerpunkt des deutschen Beitrages liegt in der Überwachung der Seewege am Horn von Afrika und der Unterbindung von Nachschubwegen für terroristische Gruppierungen. Die Kosten des Einsatzes für die kommenden zwölf Monate werden von der Bundesregierung mit 45 Millionen Euro beziffert.
Ein großes Maß an Einigkeit besteht zwischen den Fraktionen darüber, dass Deutschland mehr Mittel für die Ausbildung der afghanischen Polizei bereitstellen soll. Lediglich die Linke lehnt dies ab. Der Bundestag debattierte am 9. November über zwei entsprechende Anträge der FDP ( 16/13648 ) und der Grünen ( 16/6931 ), die zur weiteren Beratung in den Innenausschuss überwiesen wurden.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte Präsident Hamid Karsai während ihres überraschenden Afghanistanbesuchs Anfang der vergangenen Woche bereits entsprechende Zusagen für ein verstärktes Engagement Deutschlands bei der Polizeiausbildung gemacht.