FÖDERALISMUSKOMMISSION II
Von der Bundessteuerverwaltung bis zur regionalen Verkehrsversorgung - Anhörung zu Vorschlägen für Verwaltungsreformen
Vermutlich ist es eine günstige Fügung, dass sich die Finanzminister ohne ihre Kollegen aus den Innenressorts in den Bundesrat aufgemacht haben. Gut möglich, dass ansonsten ein Proteststurm losgebrochen wäre, als Dieter Engels seine Provokation präsentiert: Der Präsident des Bundesrechnungshofs fordert kurzerhand die Abschaffung der Landesämter für Verfassungsschutz und deren Ansiedlung unter dem Dach des Inlandsgeheimdiensts des Bundes. Derzeit könne man keine Aufgaben erkennen, "die sich zwischen Landes- und Bundesebene klar abgrenzen lassen". Und vor allem betont Engels: An die 1.000 Mitarbeiter bei den Landesämtern und bei der Bundesbehörde seien mit nichts anderem als mit der Abstimmung und Koordination der vielen Aktivitäten befasst.
Wenig erbaut sein dürften auch die Statistiker der Länder von der Botschaft, die von der Anhörung der Föderalismuskommission II über die Herausforderungen eines Neuzuschnitts der Verwaltungsebenen bei Bund, Ländern und Kommunen ausgeht: Helmut Seitz verlangt die Zusammenfassung der Statistikämter der Länder unter dem Dach der Bundesamts für Statistik. Begründung des Professors von der Technischen Universität Dresden: Ohne aussagekräftige Datenanalysen seien Leistungsvergleiche zwischen Behörden nicht möglich.
In ein Wespennest des politischen Machtpokers sticht auch Joachim Wieland. Der Professor von der Universität Frankfurt am Main plädiert dafür, die Atomaufsicht vollständig auf Bundesebene zu managen. Die Auftragsverwaltung durch die Länder sei "suboptimal", so Wieland, es kämen sich ja auch politische Interessen in die Quere. In der Tat sind Minister je nach politischer Couleur pro oder contra Kernenergie eingestellt. Gerade dieses Beispiel illustriert, dass es nach den Worten von Professor Ulrich Battis (Humboldt-Universität Berlin) bei Reformen der Verwaltung letztlich auf den Willen der politischen Führung ankommt.
So mancher aus der Riege der Sachverständigen liebäugelt in der Hoffnung auf mehr behördliche Effizienz mit einer Ausweitung der Bundeszuständigkeiten in diversen Bereichen. Da platzt irgendwann dem hessischen Finanzminister Karlheinz Weimar der Kragen: Er habe den "Eindruck, dass viele Leute von der Unfehlbarkeit des Bundes ausgehen", empört sich der CDU-Politiker. Als Beleg für dessen administrative Kompetenz werde eher "verschämt" gerade mal die Schaffung der Bundesagentur für Arbeit angeführt. "Völlig am Leben vorbei" führe etwa das Verlangen nach einer Bundessteuerverwaltung anstelle der etwa von Engels kritisierten Länderhoheit beim Fiskus.
Es sind die konkreten Beispiele, welche die oft abstrakt anmutende Diskussion über Verwaltungsreformen veranschaulichen. Da geht es um die Ent- oder Verflechtung der Aufgaben und Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern, um Kooperationen, um Mischfinanzierungen, um Kompetenzabgrenzungen und -übertragungen, um die Rahmengesetzgebung. Lässt sich administrative Effektivität eher durch Leistungsvergleiche und mehr Transparenz als durch Neuorganisationen und Personalabbau erreichen? Soll der Bund durch "Standardsetzung" den Ländern Vorgaben machen, die dann von den 16 Regierungen und Parlamenten mit einem gewissen Spielraum umgesetzt werden? Aus Sicht von Professor Christian Calliess (Universität Göttingen) sollte der Bund Ziele und Leitlinien formulieren, an denen sich die Länder verpflichtend auszurichten hätten: Die autonome Realisierung der Vorgaben eröffne Chancen für einen "Innovationsföderalismus" mit experimentellen Projekten.
Die Befürworter von mehr Bundeskompetenzen argumentieren vor allem mit Effizienz und Kosteneinsparungen. Eine Lanze für die Länder brechen hingegen die Professoren Peter Huber (Universität München) und Hans Peter Schneider vom Institut für Föderalismusforschung in Hannover. Es sei nun mal die Aufgabe des Föderalismus, Bürgernähe zu schaffen, so Schneider. Die föderale Ordnung, erläutert Huber, fuße darauf, dass der Schwerpunkt der Gesetzgebung beim Bund, deren Vollzug jedoch vor allem bei den Ländern liege. Möglicherweise führe dies zu höheren Kosten, "aber das ist der Preis des Föderalismus".
Die erheblichen Probleme wegen der überaus vielfältigen und nicht abgestimmten Praxis bei elektronischen Verwaltungssystemen ist für den Münchner Wissenschaftler kein Grund, dass der Bund durch einheitliche IT-Normen in die Länder "hineinregiert". Schneider schlägt eine "IT-Agentur des Bundes und der Länder auf der Basis eines Staatsvertrags" vor.
Kein gutes Haar am Durcheinander in der elektronischen Verwaltung "mit 15.000 Entscheidern" und Milliardenverlusten lässt Matthias Kammer. Aber auch der Dataport-Chef hält eine generelle Standardisierung der IT-Normen für problematisch. Sinnvoll ist aus Sicht des Sachverständigen nur ein bundesweites Netz: Doch er zeigt sich skeptisch, ob der Bund dazu in der Lage sei. Kammer bevorzugt größere IT-Einheiten auf Länder- und kommunaler Ebene über Kooperationen. Für den Experten ist es nicht akzeptabel, dass eine solche Zusammenarbeit von Gebietskörperschaften durch das EU-Vergaberecht mit seiner Verpflichtung zu Ausschreibungen behindert werde. Im Übrigen kritisieren mehrere Sachverständige wie etwa Professor Hermann Hill von der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer, dass weithin außer Acht gelassen werde, in welch hohem Maße die Gesetzgebung und deren Vollzug von der EU beeinflusst wird.
Mit viel Verve werfen sich die Befürworter einer Bundessteuerverwaltung in die Bresche. Engels wundert sich, dass die Länder ausgerechnet beim Steuervollzug auf ihrer Hoheit beharren, wo dort doch kaum politische Gestaltungsmöglichkeiten existierten. Aus Sicht von Professor Andreas Fisahn (Universität Bielefeld) führt die Zuständigkeit der Länder zu massiven Steuermindereinnahmen, "das höhlt den Rechtsstaat aus". Henrik Riedel von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG betont, dass sich ein von Bundesebene aus organisierter Fiskus sehr wohl bürgernah gestalten lasse. Werner Jann betont, dass Steuern in Hessen nicht anders erhoben werden dürften als in Mecklenburg-Vorpommern. Allerdings hat der Potsdamer Professor eine aus dem Finanzministerium ausgegliederte Bundesagentur für Steuern im Sinn. Wieland indes erinnert daran, dass bei der Hoheit über den Fiskus die innerstaatliche Machtbalance auf dem Spiel steht. Berlins SPD-Finanzsenator Thilo Sarrazin trocken: "Die Mehrheit der Finanzminister liebt ihre Steuerverwaltung, und das soll auch so bleiben."
Es mangelt nicht an Beispielen, die beleuchten, dass ein Neuzuschnitt der Aufgaben mit handfesten Konsequenzen verbunden ist. So wirbt Marcel Thum für eine "bundesweite Reglementierung" der Flughafenplanung: Weil jedes Land auf eigenen Airports bestehe, komme es zu einem "Hochrüstungswettbewerb" mit vielen kleinen und defizitären Flughäfen. Andererseits lenkt der Professor von der TU Dresden den Blick auch auf problematische Aspekte des Bundesrechts: Wegen des Kündigungsschutzes für Mieter könnten Kommunen in Ostdeutschland weitgehend leere Wohnblocks nicht abreißen und blieben auf hohen Kosten sitzen. Hans Peter Schneider illustriert seine Forderung nach einer "Regionalisierung der Standardsetzung" so: Die Sicherstellung der Mobilität in dünn besiedelten Gegenden könne man über die Förderung von Fahrgemeinschaften erreichen, das sei billiger als ein umfassender und teurer öffentlicher Verkehr. Auch bei diesem Hearing stehen Leistungsvergleiche bei Behörden hoch im Kurs.
Viel wichtiger als eine administrative Neuorganisation sei Transparenz, unterstreicht Jann: "Sobald Kosten und Leistungen von Verwaltungen öffentlich diskutiert werden, verändern diese ihre Verhaltensweisen."