AUSSENPOLITIK
Mehr deutsche und europäische Verantwortung im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen
Der Begriff der Außenpolitik deckt heute weit mehr als Diplomatie im klassischen Sinne nationaler Interessenvertretung im "Konzert der Mächte" ab. In ihrem Mittelpunkt stehen vielmehr Herausforderungen, vor denen zahlreiche, womöglich alle Staaten gemeinsam stehen, ohne dass sie von einzelnen für sich allein gemeistert werden könnten. Dieser Ansatz spiegelt sich in den Wahlprogrammen aller im Bundestag vertretenen Parteien wider, wobei die Meinungen über die Bundeswehr zum Teil weit auseinandergehen.
Für eine auf mehr Effizienz und Handlungsfähigkeit zielende Reform der Vereinten Nationen (VN) setzt sich die CDU/CSU ein. Langfristig angestrebt wird ein ständiger Sitz der EU im Sicherheitsrat, als Übergangslösung ein deutscher. Das Programm bekennt sich zur Nato und sieht dabei die Verpflichtung zur kollektiven Verteidigung weiterhin als zentral an. Die Nato soll offen für neue Mitglieder bleiben, die die gemeinsamen Werte teilen und "deren Aufnahme mehr Sicherheit für alle Mitglieder bringt". Die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik soll "ergänzend zur transatlantischen Partnerschaft" ausgebaut werden.
Auch die SPD unterstützt den eingeleiteten Reformprozess der Vereinten Nationen und signalisiert Deutschlands Bereitschaft, noch mehr Verantwortung "auch im Sicherheitsrat" zu übernehmen. Die Nato wird als "wichtigster Garant unserer Sicherheit" gesehen, ihre "Verantwortung für Abrüstung und Rüstungskontrolle" soll gestärkt werden. Die SPD plädiert "für einen gemeinsamen Raum der Sicherheit von Vancouver bis Wladiwostok, in dem Nato und Russland vertrauensvoll zusammenarbeiten".
Die FDP fordert eine Reform der Vereinten Nationen. Nicht zuletzt der Sicherheitsrat müsse "die politischen und wirtschaftlichen Realitäten des 21. Jahrhunderts abbilden". In ihm sei ein gemeinsamer europäischer Sitz anzustreben. Solange dieser nicht zustande komme, "wäre ein eigener deutscher Sitz die zweitbeste Lösung". Die Nato soll gestärkt, das europäische Gewicht innerhalb des Bündnisses erhöht werden. Die EU müsse in der Lage sein, "Konfliktfällen vorzubeugen und gegebenenfalls schnell, gemeinsam und flexibel zu reagieren".
Aus der Sicht der Linken muss sich deutsche Außenpolitik auf eine Stärkung der Vereinten Nationen orientieren. Diese bedürften einer demokratischen Reform, die zu einer Stärkung der Vollversammlung führen soll. Durch die Vereinten Nationen mandatierte Kriege und "eine weitere Militarisierung" der Weltorganisation werden strikt abgelehnt. Dem Völkerrecht als einziger Rechtsgrundlage zwischen den Staaten sei unbedingte Geltung einzuräumen, das Gewaltverbot in den internationalen Beziehungen zu achten. Die Nato soll aufgelöst und durch ein "kollektives Sicherheitssystem unter Beteiligung Russlands" ersetzt werden. Die EU sei für die Sicherung des Friedens in Europa unverzichtbar, ihre militärischen Auslandseinsätze müssten aber beendet werden.
Für Bündnis 90/Die Grünen sind die Vereinten Nationen der "zentrale Bezugsrahmen einer internationalen Ordnung". Im Zuge ihrer Reform sei eine "gerechtere Zusammensetzung" des Sicherheitsrates anzustreben und Vetomöglichkeiten seien abzuschaffen. Die Europäer sollten über einen gemeinsamen Sitz in diesem Gremium verfügen. Der Ausbau der Nato zu einer "Weltpolizei" wird abgelehnt. Die EU soll "zu einer handlungsfähigen Zivilmacht" ausgebaut werden und sich in den Dienst der VN stellen. Ein weiterer Ausbau ihrer militärischen Kapazitäten sei nur akzeptabel, wenn er mit entsprechenden Begrenzungen auf nationaler Ebene einhergehe.
CDU und CSU betonen die Notwendigkeit einer leistungsfähigen Bundeswehr, der ausreichende Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden müssten. Sie hält an der Wehrpflicht in der bestehenden Form fest, strebt aber mehr Wehrgerechtigkeit und eine höhere Attraktivität des Wehrdienstes an.
Die SPD will den Transformationsprozess der Bundeswehr weiter vorantreiben und "sozialverträglich gestalten". Besonderes Gewicht wird auf eine "leistungs- und zukunftsfähigere Ausrüstung" sowie auf Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität des Dienstes gelegt.
Die Wehrpflicht sei in dem Sinne fortzuentwickeln, dass an der Musterung festgehalten wird, fordern die Unionsparteien. Einberufen werden sollen aber nur noch die jungen Männer, die sich zuvor bereit erklärt haben, den Dienst in der Bundeswehr auch leisten zu wollen.
Die FDP setzt sich für "nachhaltige Verbesserungen der Bundeswehr-Struktur" ein. Ihre "Kopflastigkeit" sei zugunsten einer Erhöhung der Einsatzbereitschaft zu beenden. Da die Wehrpflicht nicht mehr begründet werden könne, müsse sie "schnellstmöglich" ausgesetzt werden.
Die Linke will "die Bundeswehr zu einer Verteidigungsarmee umgestalten und deutlich verkleinern". Die Wehrpflicht müsse abgeschafft werden. Bündnis 90/Die Grünen fordern, den Streitkräfteumfang auf nur noch 200.000 Soldatinnen und Soldaten zu reduzieren und die Wehrpflicht abzuschaffen.
Für die CDU/CSU müssen Auslandseinsätze in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz und dem Völkerrecht erfolgen und der Bewahrung oder Wiederherstellung des Friedens und der internationalen Sicherheit dienen. Zudem müssten sie "eindeutig definierte, erreichbare Ziele" verfolgen und in ihren Risiken berechenbar sein. In Afghanistan stehe Deutschland unverändert in der Verantwortung, dazu beizutragen, dass das Land selbst für seine Sicherheit sorgen könne. Der weitere Aufwuchs des afghanischen Sicherheitssektors sowie der zivile Wiederaufbau seien unverändert zu fördern. "Die Schaffung tragfähiger staatlicher Strukturen ist die Voraussetzung für eine spätere Reduzierung und schließlich zur Beendigung unseres militärischen Engagements."
Für die SPD sind internationale Einsätze der Bundeswehr nur das "äußerste Mittel". Sie seien durch ein Mandat der VN sowie einen Beschluss des Bundestages zu legitimieren und in ein politisches Gesamtkonzept zu integrieren. Die SPD will das "deutsche Engagement in Afghanistan weiterhin konstruktiv und kritisch begleiten", da das Land nicht wieder zum Zufluchtsort für Terroristen werden dürfe. Die SPD wirbt für einen zivil-militärischen Ansatz in Afghanistan, in dessen Rahmen die Ausbildungsanstrengungen für die afghanischen Sicherheitskräfte verstärkt werden müssten.
Die FDP erklärt, militärische Einsätze müssten "letztes Mittel" bleiben und dürften nur gemeinsam mit Partnern auf der Basis einer klaren völkerrechtlichen Legitimation erfolgen. In Afghanistan konstatieren die Liberalen Versäumnisse im Aufbau effizienter Regierungs-, Verwaltungs- und Sicherheitsapparate, die es zu beheben gelte, um den Einsatz internationaler Truppen begrenzen zu können.
"Auslandskriegseinsätze" dürften generell nicht mehr zugelassen werden, selbst wenn sie unter einem Mandat der VN stehen, fordert Die Linke. Auch der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan sei daher sofort zu beenden. Bündnis 90/Die Grünen "stehen zur Verantwortung für Afghanistan und zu einem Engagement, das den Aufbau des Landes in den Mittelpunkt stellt". Allerdings sei ein Strategiewechsel einzuleiten, um die "Dominanz militärischer Lösungen" zu beenden. Dies ist für die Grünen Voraussetzung für eine weitere Zustimmung zum Isaf-Mandat.