Neulich hat Georg Nüßlein einen ganz großen Hecht an Land gezogen. Hatte ihn beobachtet, über viele Wochen hinweg, wie er wuchs und sich lümmelte und die kleineren Fische fraß. Und dann doch an der Angel des Georg Nüßlein aus Krumbach in Bayrisch-Schwaben landete. Ähnlich wie am Forellenweiher daheim verhält es sich mit der politischen Karriere des 40-Jährigen in Berlin.
Als er 2002 in den Bundestag einzog, musste Nüßlein seinen Ehrgeiz zügeln. In die Wirtschaftsarbeit wollte er sich stürzen, sah sich durch seine Erfahrungen als promovierter Wirtschaftsjurist, Unternehmensberater und Banker dafür wie gemacht - und musste mit ansehen, wie andere an ihm vorbeizogen. Nüßlein musste sich an den Teich setzen und warten. Seine Zeit kam.
"Seit meiner Jugend interessierte ich mich für Umweltschutz und Umweltpolitik", erinnert er sich und macht es sich in seinem Büro im Jakob-Kaiser-Haus gemütlich, so gut das eben geht. Stützt den rechten Ellbogen auf der Stuhllehne ab und streckt sich nach hinten. Es ist laut hier. Praktikanten arbeiten in seinem Zimmer an Computern, kommen und gehen; ins geschäftige Treiben hinein sagt er: "Die CSU hat längst erneuerbare Energien im Stellenwert auf den ersten Platz gehievt."
Nutznießer dieser Entwicklung: der passionierte Angler, Jäger und Umweltschützer Nüßlein. 2005 stieg er zum energiepolitischen Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag auf, 2008 zum Vizevorsitzenden des Wirtschaftsausschusses und in diesem Jahr - nach einigen Rochaden innerhalb der CSU - zum wirtschaftspolitischen Sprecher der Landesgruppe. Der Fisch war endlich am Haken. "Ich mische mich gern ein", sagt er, "ich liebe dieses weite Betätigungsfeld." Eine Gipsbüste von Franz-Josef Strauß ziert sein Büro - wie im Empfangsraum des bayerischen Ministerpräsidenten in der Münchener Staatskanzlei. Nur stehen dort nicht daneben zwei Windräder en Miniature. Nüßlein ist nicht nur Jäger, sondern auch Sammler. Das Telefon klingelt. Wieder eine Firma aus dem Wahlkreis am Apparat, es geht um Kreditfragen in Zeiten der Krise. Der Umweltpolitiker Nüßlein ist derzeit weniger gefragt als der Wirtschaftsfachmann Nüßlein. Und der treibt Haushaltspolitiker, auch in der Union, zur Verzweiflung. "Knappe Mittel sind kein Politikverbot, sondern ein Ansporn zu politischem Mut und Kreativität", sagt er mit Blick auf die Ausgabendisziplin. Nüßlein ist klar christsozial. Er habe Verständnis dafür, dass die private Haushaltsfrage vielen wichtiger sei als die staatliche. Und dann zetert der ehemalige Banker, im Visier die neoliberalen Kollegen in der CDU: "Wer Politik für 30 Prozent der Wähler macht, darf sich nicht wundern, wenn er am Ende nur 30 Prozent der Stimmen hat." Sein Parteichef Horst Seehofer hätte es nicht anders gesagt.
Im siebten Jahr seines Parlamentarierdaseins fühlt sich Nüßlein wohl in seiner Haut. Entschieden hat sich für ihn die Frage, ob es richtig gewesen war, die Laufbahn eines aufstrebenden Jungbankers abzubrechen und sich um jenes Wahlkreismandat zu bemühen, das einst Theo Waigel viele Jahre innehatte: "Ja, dieser andere Bereich der Verantwortung in der Politik ist für mich konkreter, fassbarer und erfüllender." Seinen ehemaligen Kollegen aus der Finanzbranche gibt er auf den Weg: "Viele Risiken waren wohl nicht erkennbar. Einen Risiko-Rendite-Zusammenhang muss aber gerade ein Banker präsent haben. Unter diesem Gesichtspunkt sind die internen Renditevorgaben kritikwürdig und Kern des Problems."
Abwechslungsreich hat er es nun. In Berlin während der Sitzungswoche Treffen, Besprechungen und Diskussionen im Stakkato, bis in die Nacht. Am Wochenende dann, weit entfernt von den klimatisierten Räumen des Bundestages, wenn mal kein Wahlkreistermin ist, regiert die Ruhe. Das Rauschen seiner Wassermühle, unter der er in Münsterhausen wohnt - grüner geht es kaum - und den eigenen Forellenteich gleich nebenan. Realpolitischer Umweltschutz, das bedeutet für ihn sauber produzierter Strom aus der Mühle, der sich auch gut verkauft. Den Hecht übrigens hat er gegrillt. Ganz langsam. Wer weiß, was da noch kommt.