STATISTIK
Noch nie wurden vom Bundestag in einer Legislaturperiode so viele Gesetze verabschiedet wie seit 2005 - und noch nie so viele Drucksachen produziert
Spätestens wenn bei Fernsehübertragungen aus dem Bundestag Bilder von einem schwach besetzten Plenarsaal zu sehen sind, wird geradezu reflexhaft die Stammtischparole vom vermeintlich faulen Volksvertreter laut. Dagegen versteht sich der Bundestag als ein Arbeitsparlament, und das kann er auch mit Zahlen belegen. Die Statistik über die Tätigkeit des 16. Deutschen Bundestages liest sich durchaus eindrucksvoll, selbst wenn man dabei berücksichtigt, dass dem Parlament in der zurückliegenden Legislaturporiode fünf und nicht wie zuvor oftmals vier oder nur drei Fraktionen angehörten.
So verabschiedete der Bundestag noch nie in einer Wahlperiode so viele Gesetze wie von 2005 bis 2009, nämlich 616 und damit deutlich mehr als in der 13. Legislaturperiode von 1994 bis 1998, in der die bisherige Höchstmarke von 566 verabschiedeten Gesetze erreicht worden war. Nicht alle der 616 Gesetzesbeschlüsse passierten allerdings ungeschoren den Bundesrat: Zu 18 dieser Bundestagsbeschlüsse wurde in der zurückliegenden Wahlperiode der Vermittlungsausschuss angerufen, 17 Mal durch die Länderkammer und einmal durch die Bundesregierung. In 3 Fällen legte der Bundesrat gegen einen Gesetzesbeschluss des Bun- destages Einspruch ein, der jedoch von den Abgeordneten jedesmal zurückgewiesen wurde.
Am Ende wurden in der abgelaufenen Legislaturperiode bis Mitte dieses Monats 611 Gesetze verkündet, weit mehr als in jeder vorherigen Wahlperiode. Davon gingen 487 auf Regierungsvorlagen zurück, 19 auf Bundesrats-Initiativen und 85 auf Initiativen des Bundestages. Bei letzteren handelte es sich in der übergroßen Mehrzahl um Vorstöße der Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD. In 2 Fällen vermerkt die Statistik gemeinsame Initiativen aller fünf Fraktionen aus und in 3 Fällen Initiativen von Abgeordneten ohne Beteiligung der Fraktionen.
Auch die Gesamtzahl der beim Bundestag beziehungsweise Bundesrat in der abgelaufenen Legislaturperiode eingebrachten Gesetzesvorhaben war mit 972 ungewöhnlich hoch; die Statistik weist lediglich für die 13. Wahlperiode mit 1.013 Gesetzesvorhaben und für die 14. Wahlperiode von 1998 bis 2002 mit 1.002 Vorhaben höhere Zahlen aus. Bei den 972 Gesetzesvorhaben der vergangenen vier Jahre handelte es sich um 540 Regierungsvorlagen, 264 Bundestags-Initiativen und 168 Gesetzesanträge von Ländern, von denen 13 dem Bundesrat bereits vor Beginn dieser Legislaturperiode zugeleitet worden waren.
Von insgesamt 905 beim Bundestag eingebrachten Gesetzesvorhaben kamen 537 von der Bundesregierung, während es 104 Mal um Bundesrats-Initiativen ging. Von den Koalitionsfraktionen kamen 97 Gesetzesinitiativen, zudem brachten CDU/CSU und SPD 4 Initiativen gemeinsam mit der FDP und 2 mit den Grünen ein sowie 8 mit den beiden Oppositionsfraktionen zusammen.
Mit insgesamt 135 eingebrachten Gesetzesentwürfen waren auch die drei Oppositionsfraktionen alles andere als faul, auch wenn das Parlament keinen davon verabschiedete. Die meisten dieser Entwürfe brachte die Grünenfraktion mit 48 Vorlagen ein, gefolgt von den Freidemokraten mit 44 und der Fraktion Die Linke mit 43 Entwürfen. 16 Vorlagen wurden von Abgeordneten ohne Fraktionsbeteiligung eingebracht.
Besonders fleißig zeigte sich die Grünen-Fraktion in der 16. Wahlperiode auch mit 602 bis Mitte Oktober vorgelegten selbständigen Anträgen. Von der FDP-Fraktion kamen 530 solcher Anträge und von der Linksfraktion 420, während die schwarz-rote Koalition 179 solcher Initiativen allein und weitere 53 zusammen mit einer (11) oder zwei (31) der Oppositionsfraktionen oder auch mit allen drei (11) einbrachte. Die Liberalen wiederum lagen bei der Zahl der Entschließungsanträge an der Spitze, von denen sie 147 einbrachten. Auf 140 kam hier die Grünenfraktion und auf 132 Die Linke. Von der Koalition wurden 19 Entschließungsanträge gezählt, 2 weitere stellte sie zusammen mit FDP und Grünen.
Von den insgesamt 63 Großen Anfragen kamen mit 34 mehr als die Hälfte von den Grünen. Die FDP-Fraktion stellte 17 Große Anfragen, Die Linke 11 und die Koalition lediglich eine einzige. Bei den Kleinen Anfragen ließen es Union und Sozialdemokraten bis Mitte Oktober gleichfalls mit nur einer von insgesamt 3.299 bewenden. Besonders wissbegierig zeigte sich hier die Linksfraktion mit 1.506 Kleinen Anfragen vor der FDP mit 1.005 und den Grünen mit 785.
Auch bei den Einzelfragen von Abgeordneten war die Opposition in den vergangenen vier Jahren rege. Mündliche Fragen wurden dabei bis Mitte Oktober 1.174 Mal von den Grünen gestellt, 979 Mal von Mitgliedern der Linksfraktion und 383 Mal von FDP-Parlamentariern, während sich die Unions-Fraktion mit 130 solcher Fragen begnügte und von den Sozialdemokraten gar nur 35 kamen. Die meisten schriftlichen Fragen reichten die FDP-Abgeordneten mit 4.081 ein, gefolgt von den Linke-Parlamentariern mit 2.851 und den Grünen mit 2.797. Wurden von den Volksvertretern der Union noch 2.038 schriftliche Fragen gestellt, griffen die SPD-Abgeordneten nur 763 Mal zu diesem Instrument. Sogenannte dringliche Fragen hatte in der 16. Legislaturperiode nur die Opposition. Fast die Hälfte der 111 dringlichen Fragen stellten dabei die Grünen mit 52, während von der Linksfraktion 41 kamen und von der FDP 18.
Einen einsamen Rekord stellten die Mitglieder des 16. Bundestages auch bei der Zahl der durchnummerierten Drucksachen auf, die alle Vorlagen umfassen, die im Parlament behandelt werden, also beispielsweise Gesetzentwürfe, Anträge, Beschlussempfehlungen, Ausschussberichte, Unterrichtungen, Anfragen: Mehr als 14.000 Drucksachen wurden in der 16. Wahlperiode gezählt und damit weit mehr als beim bisherigen, 1994 bis 1998 erzielten Höchstwert von 11.472. Nur einmal noch war die Zahl von 10.000 Drucksachen überhaupt übersprungen worden, nämlich um ganze 6 in der Legislaturperiode von 1998 bis 2002. Am wenigsten Drucksachen produzierte der Bundestag übrigens in der durch vorgezogene Neuwahlen verkürzten Wahlperiode von 1980 bis 1983 mit insgesamt 2.443.
Eher durchschnittlich ist die Zahl der Plenarsitzungen, die der 16. Bundestag seit seiner Konstituierung am 18. Oktober 2005 absolvierte: 233 waren es einschließlich der letzten Sitzung am 8. September dieses Jahres, auf der die Abgeordneten unter anderem die Begleitgesetze zum EU-Vertrag von Lissabon verabschiedeten. Damit liegt der 16. Bundestag im Vergleich zu den vorherigen Wahlperioden lediglich im Mittelfeld; am häufigsten trafen sich die Abgeordneten der ersten Legislaturperiode von 1949 bis 1953 im Plenum mit immerhin 282 Sitzungen.
Auch bei anderen Gremiensitzungen wurden in den Anfangsjahren der Republik Rekordwerte erzielt, die in den vergangenen vier Jahren nicht überboten werden konnten. Die zwischen 1949 und 1953 erreichten Spitzenmarke von 4.218 Ausschuss- und 893 Unterausschuss-Sitzungen etwa stehen in der jetzt beendeten Wahlperiode 2.456 Sitzungen der Ausschüsse und 444 der Unterausschüsse gegenüber. Und gab es in den ersten zwei Legislaturperioden jeweils fast 1.800 Fraktions- und Fraktionsvorstands-Sitzungen, waren es im 16. Bundestag gerade mal etwas mehr als die Hälfte. Relativiert werden die Unterschiede freilich, wenn man berücksichtigt, dass der Bundestag beim Start 1949 immerhin acht Fraktionen hatte und es damals mit bis zu 40 Ständigen Ausschüssen auch sehr viel mehr dieser Gremien gab als in der jüngsten Wahlperiode mit lediglich 22.