Gleichberechtigung von Mann und Frau? Kein Problem in früheren Zeiten, zumindest nicht für den Philosophen und Biographen Plutarch (gestorben um 125 n. Chr.) und auch nicht für den Literaten Bocaccio (gestorben 1375). Ein Reigen, in den sich auch die französische Schriftstellerin Christine de Pizan (gestorben um 1430) einreihte. Ob in ihrer "Stadt der Frauen", in des Toskaners Schrift "Von berühmten Frauen" oder im Lobgesang "Tugenden der Frauen" des Griechen - stets lautete das Credo: Gleichheit ist möglich.
Für die Aufnahme in die Phalanx der "Power-Frauen" waren tendenziell männliche Verhaltensweisen und Charaktereigenschaften wie Mut und Tapferkeit oder intellektuelle Fähigkeiten gefragt. Mit der Hereinnahme des Topos der Macht, deren Besitz sich unausgesprochen und ausnahmslos die Männer teilen, lautet von der Bibel bis hin zur modernen Frauenbewegung das Motto: Die Frau ist dem Manne untertan, eben weil von vornherein unterlegen.
Lange bevor das Thema Gleichheit und Differenz zwischen den Geschlechtern in den Rang wissenschaftlicher Reflexion erhoben wurde, entzündeten sich die Gemüter an der Geschlechterfrage. Völlig zu Recht standen beide Geschichtsstränge immer wieder im Kreuzfeuer der Kritik. Frauen wahlweise als Opfer oder Heldinnen zu stilisieren und Männer aus einem verengten Blickwinkel zu observieren, ist jedoch ein wenig zielführendes Unterfangen, das der Komplexität der Wirklichkeit nicht gerecht wird, - eine Einsicht, die der Forschung einen regelrechten Adrenalinstoß an neuen Fragestellungen, Zugängen und Themen bescherte.
Dieser erfrischenden Logik folgt das Buch von Anke Väth, das unter dem nur scheinbar harmlosen Titel "Bad Girls" daherkommt. Hervorgegangen aus der traditionsreichen Vorlesungsreihe "gender-studies" der Universität Konstanz, hat die Referentin im Frauenrat der Universität den Band herausgegeben. Gut lesbar und auf der Grundlage einer hervorragend fundierten Quellenarbeit werden die Lebensgeschichten bekannter und weniger bekannter Frauen von der Antike bis zur Gegenwart vorgestellt.
Mit von der Partie ist beispielsweise "Queen Emma" (1850 - 1913). Auf Samoa geboren, residierte die erfolgreiche Kokosnusshändlerin samoanisch-amerikanischer Abstammung um die Jahrhundertwende unangefochten in Deutsch-Neu Guinea auf ihrem Anwesen "Gunantambu", einem Ort der Begegnung verschiedenster Kulturen und Ethnien. Deutsche Kolonialbeamte und Marineoffiziere gingen dort ebenso ein und aus wie die Koprahändler und Schiffsbesatzungen aus aller Herren Länder.
Dieses geradezu idyllisch anmutende multikulturelle Experiment um die "Königin der Südsee" stieß indes auf wenig Gegenliebe bei Richard Deeken, einem kolonial- und rassepolitischen Ideologen. Das Leben in der Südsee kannte er als Gründer und Mitbesitzer der Deutschen Samoagesellschaft aus eigener Anschauung. Wie viele andere deutsche Siedler war auch er höchst unzufrieden mit der Eingeborenenpolitik des deutschen Gouverneurs.
In den Mittelpunkt seines seinerzeit vielgelesenen Romans "Rassenehre" aus dem Jahre 1913 hat Deeken als weibliche Hauptfigur eine aus der Südsee stammende Mischlingsfrau gesetzt, deren sexuelle und erotische Avancen, dazu gepaart mit perfiden Charakterzügen, einen deutschen Vater und dessen Sohn an den Rand des Abgrundes treiben. "Eliza" wird am Ende zur "Dirne", die die reine weiße und insbesondere die deutsche Rasse gefährdet.
Die gegenseitige Durchdringung von Rassismus und Geschlecht spielt auch im Beitrag über rechtsextremis-tische Frauen in der Bundesrepublik der Gegenwart eine wichtige Rolle. Dabei zeigt sich, dass die gewachsene Akzeptanz rassistischer und nationalistischer Argumentationen mit ein Grund ist für die zunehmende Beteiligung der "Streiterinnen für die nationale Sache". Nicht mehr nur junge Männer, sondern verstärkt auch Mädchen und junge Frauen sind in der rechten Szene aktiv, provozieren und spornen die Männer zur "Aktion" an.
Hier geht es um die weitere Erforschung der Vielfalt von Positionen rechtsextremistischer Frauen. Das Konglomerat an sehr verschiedenen Motivationslagen, an Einstellungen bezüglich der körperlichen Gewaltbereitschaft beispielsweise, aber auch an Alters- und Klassenunterschieden macht deutlich, dass es "die" rechtsextremistische Frau im Sinne eines eigenständigen Typus nicht gibt.
Damit vermittelt dieses Thema eindringlich den Mehrwert, den die Berücksichtigung von Kategorien wie Ethnizität oder soziale Lage für den Erkenntnisgewinn in der Geschlechterforschung bringt. Allerdings müssen mit dem Verlassen der alten Forschungspfade beim genaueren, auch beim historischen Hinsehen liebgewonnene Gewohnheiten über Bord geworfen werden: Die auf den ersten Blick sympathisch wirkende und äußerst charismatisch erscheinende Kultfigur "Queen Emma" wird man nicht ohne weiteres in eine Phalanx von "Power-Frau" aufnehmen können. Die berufliche Erfolgsstory und der immense Reichtum der Emma Forsayth, so ihr bürgerlicher Name, verdankten sich einzig und allein der bewussten und kontinuierlich betriebenen Ausbeutung schwarzer Arbeitskräfte. Eva Maria Gundl
Anke Väth (Hrsg.)
Bad Girls.
Unangepasste Frauen von der Antike bis heute.
Universitätsverlag Konstanz, Konstanz 2003;
223 S., 19,90 Euro