Sie umfassen außer der weltweiten Beseitigung von extremer Armut und Hunger Primärschulbildung für alle, Gleichstellung der Geschlechter, Reduzierung der Kindersterblichkeit, Verbesserung der Gesundheitsversorgung der Mütter, Bekämpfung von HIV/AIDS, Malaria und anderen Krankheiten, ökologische Nachhaltigkeit und den Aufbau einer weltweiten Entwicklungspartnerschaft.
Mit den MDGs und ihrer konkreten zeitlichen Zielsetzung wurde eine faszinierende globale Vision vorgegeben, die eine neue Legitimation für die Entwicklungszusammenarbeit schafft. Die Aufgabe, die sich der Millenniumsgipfel gesetzt hat, ist gleichwohl gewaltig. Und der Countdown läuft. Seit dem Millenniumsgipfel sind vier Jahre vergangen - bereits mehr als ein Viertel der Umsetzungszeit. Sie geben allerdings Anlass zur Skepsis, ob die MDGs tatsächlich bis 2015 erreicht werden können. Gerade der nationale deutsche Beitrag verstärkt diese Zweifel.
Der Millenniumsgipfel und die UN-Sonderkonferenzen in Monterrey und Johannesburg haben zumindest einen Erfolg erzielt: Es gibt heute mehr Konvergenz bei der Frage, wie nachhaltige Entwicklung definiert und durch eine entsprechend zielgerichtete Politik unterstützt wird. Offen bleibt aber, ob auch die konkrete Politik der einzelnen Staaten diesen gemeinsam definierten Zielsetzungen entspricht. Bei manchen Akteuren sind Zweifel angezeigt, ob sie die internationale Entwicklungsterminologie nur verbal übernommen haben, sie letztlich inhaltlich aber nicht unterstützten.
Alle Bemühungen um mehr Konvergenz und mehr Effizienz sind umsonst, wenn nicht auch finanziell mehr in die Umsetzung der MDGs investiert wird. Der erste Beitrag Deutschlands muss es deshalb sein, den Entwicklungshaushalt zu steigern. Dazu hat sich Deutschland verpflichtet, den Anteil der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit am Bruttonationaleinkommen (ODA-Quote) bis 2006 auf 0,33 Prozent zu heben. Leider wird aber der Bundeshaushalt 2005 diesen Erwartungen nicht gerecht. Der Etat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) wird vielmehr weiter gekürzt. Der finanzielle Abstieg der deutschen Entwicklungspolitik setzt sich fort und droht Deutschland international zu blamieren. Hinzu kommt, dass die ODA-Quote der vergangenen Jahre von 0,27 und 0,28 Prozent nur gehalten wurde, weil die fehlende direkte Bereitstellung von Entwicklungsgeldern durch Entschuldungsmaßnahmen ausgeglichen wurde. Der Vorteil von Entschuldungsmaßnahmen ist, dass sie bei der Berechnung der ODA-Quote doppelt zählen. So erfreulich die zusätzlichen Entschuldungsmaßnahmen für die Entwicklungsländer sind, die finanziellen Auswirkungen der Entschuldung sind weit geringer als sie es durch den Zufluss frischer Entwicklungsgelder wären.
Beim Kölner G8-Gipfel von 1999, dem "Schuldengipfel", hatten die Industriestaaten zugesagt, die neue Entschuldungsinitiative zu starten und gleichzeitig die Mittel zur aktiven Entwicklungszusammenarbeit zu erhöhen. Zumindest für den Beitrag Deutschlands gilt aber inzwischen, dass fehlende Entwicklungsgelder durch Entschuldungsmaßnahmen ersetzt werden. Diese Politik zur Steigerung der ODA-Quote ist das Gegenteil dessen, was die Entwicklungsländer zu Recht von den Industrienationen erwarten.
Als "überwölbendes" Ziel wird im Aktionsprogramm 2015 der Bundesregierung die Armutsbekämpfung zur zentralen Aufgabe der Entwicklungszusammenarbeit erklärt. Armutsbekämpfung im Sinne der MDGs bedarf eines Schubs von Investitionen in den Bereichen Bildung, Gesundheit, soziale Grunddienste, für den Zugang zu sauberem Wasser und für den Umwelt- und Ressourcenschutz. Leider verzeichnet das deutsche Engagement gerade auch in diesen Sektorprogrammen zum Teil deutliche Rückgänge. Erfolge wird es nicht geben, wenn man einfach alles zur Armutsbekämpfung umdefiniert, sondern nur wenn man sich konzentriert.
Die Erfahrung zeigt, dass Armutsbekämpfung nur unter bestimmten Bedingungen erfolgreich sein kann. Dazu gehören: politische Stabilität, Freiheit von bewaffneten Konflikten, Rechtssicherheit und Rechtsstaatlichkeit, Achtung der Menschenrechte und demokratische Partizipation, eine funktionsfähige Administration, marktwirtschaftliche Betätigungsfreiheit, ein breiterer Zugang zu Bildung und Einkommen - alles Kennzeichen einer entwicklungsorientierten Regierungsführung. Dies hat auch entscheidende Bedeutung dafür, dass privates Investitionskapital angezogen wird, das in vielen Ländern mittlerweile weitaus größere Wirkung in der Armutsbekämpfung hat als die staatliche Entwicklungszusammenarbeit.
Die Schaffung dieser Bedingungen ist zunächst Sache der nationalen Regierungen in den Kooperationsländern. Trotz des hohen Stellenwerts von "Good Governance" nach wie vor ungenügend sind die Instrumentarien, mit denen auf Verfehlung und Nichtbeachtung dieser Rahmenbedingungen reagiert wird, wenn nur schon einmal die EU-Mitgliedsstaaten und die Kommission sich in Krisen auf eine konsequent gemeinsame Politik verständigen könnten.
Damit die MDGs noch eine Chance auf pünktliche Erfüllung haben, ist klar: Deutschland muss seine Verpflichtungen einhalten. Es müssen deutlich mehr finanzielle Ressourcen für die Armutsbekämpfung bereitgestellt werden, zumal die Bundesregierung sonst mit ihrem eigenen "Aktionsprogramm 2015" scheitern wird. Die Entwicklungszusammenarbeit ist gezielter auf die Schlüsselsektoren der Armutsbekämpfung auszurichten. Das sind vor allem Bildung und soziale Grundsicherung.
Die Bundesregierung muss endlich die Umsetzung der Vorgaben des "Aktionsprogramms 2015" konkret und langfristig darlegen, nicht nur um sich an ihren Zielen messen zu lassen, sondern auch um die Verlässlichkeit ihrer Entwicklungszusammenarbeit gegenüber Trägern und Empfängern sichtbar zu machen.
Die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) hat vorgeschlagen, das "Aktionsprogramm 2015" durch ein Sofortprogramm zu bescheunigen. Dieser Empfehlung sollte die Bundesregierung folgen.
Entschuldungsmaßnahmen müssen konsequenter auf die Armutsbekämpfung ausgerichtet werden. Bei künftigen Schuldenerlassen sind klarere Vereinbarungen über die Mittelverwendung zugunsten der Armutsbekämpfung unerlässlich.
Die Schaffung entwicklungsfördernder Rahmenbedingungen muss in gleicher Weise von allen Gebern zur Voraussetzung entsprechender Hilfe gemacht werden. Eventuell notwendige Sanktionen sind nur wirksam, wenn sie von allen gleich und konsequent angewandt werden.
Die MDGs sind bislang nur ein Thema für Entwicklungsfachleute. Wenn sie bis 2015 tatsächlich erreicht werden sollen, braucht es mehr. Wie die Erlassjahrkampagne weltweit Menschen für den Schuldenerlass mobilisiert hat, müsste eine Millenniums-Kampagne eine Bewegung der Menschen in Nord und Süd für die MDGs bewirken, der die politisch Verantwortlichen in Industrie- wie Entwicklungsländern nicht mehr ausweichen können.
Der Autor ist Mitglied des Bundestagsausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.