Das Parlament: Der Koalitionsvertrag sieht vor, bis 2006 die Ausgaben für Entwicklungs-Zusammenarbeit auf mindestens 0,33 Prozent des Bruttoinland-Produkts zu steigern. Werden die Grünen darauf bestehen?
Thilo Hoppe: Ich gehe davon aus, dass das Ziel bis 2006 erreicht wird. Die Grünen haben sich jetzt mit einem einstimmig gefassten Fraktionsbeschluss auch angesichts der angespannten Haushaltslage zur Einhaltung dieses Zieles bekannt. Allerdings ist der Entwurf des Bundeskabinetts zum Haushalt 2005 enttäuschend. Er sieht im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe keinerlei Aufwüchse vor, sondern eine Stagnation beim Stand von 0,28 Prozent. Da muss es jetzt im parlamentarischen Verfahren noch kräftige Nachbesserungen geben.
Das Parlament: Was hat Deutschland davon, in diesem Bereich Geld zu investieren?
Thilo Hoppe: Es sind unter anderem Investitionen in unsere Sicherheit. Wenn Milliarden von Menschen in die Perspektivlosigkeit abgedrängt werden, ist das auch ein großer Nährboden für den Terrorismus. Das Zweite: Wir sind Exportweltmeister - noch. Wir sind darauf angewiesen, Handel zu treiben. Dazu braucht man Handelspartner, die nicht nur Almosenempfänger sind. Darüber hinaus ist es auch eine Frage der Mitmenschlichkeit, das Leid anderer zu sehen und davor nicht die Augen zu verschließen.
Das Parlament: Sie waren im Juli in Darfur. Was schlagen die Grünen zur Verhinderung solcher Katastrophen vor?
Thilo Hoppe: Wenn es schwerste Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen gibt, ist die ganze Staatengemeinschaft gefordert einzugreifen. Dann gilt nicht mehr das Prinzip der Nichteinmischung. Wir haben vorgeschlagen, dass ein Frühwarnmechanismus geschaffen werden soll, bei dem Botschaften, Geheimdienste und auch Reisegruppen ihre Informationen einbringen. Wenn es erste Anzeichen auf schwerste Menschenrechtsverletzungen oder gar Völkermord gibt, sollten schnell Initiativen ergriffen werden - und nicht erst, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist.
Das Parlament: Die weltweiten Flüchtlingsströme nehmen zu. Wie wollen Sie diesem Problem begegnen?
Thilo Hoppe: Es geht darum, Armut vor Ort zu bekämpfen. Die Armutsbekämpfung ist das überwölbende Ziel der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Menschen in ihrem Heimatland eine Perspektive zu geben - das wäre Prävention. Wo Menschen trotzdem etwa aus einem Kriegsgebiet fliehen, sind wir selbstverständlich aufgefordert zu helfen.
Das Parlament: Welche Rolle spielt dabei der Welthandel?
Thilo Hoppe: Durch Handelsbarrieren der Industrienationen gehen den Entwicklungsländern weitaus mehr Mittel verloren, als sie durch Entwicklungshilfe bekommen. Würden wir unsere Märkte nicht abschotten, könnten viele Länder sich selbst helfen. Eine wichtige Forderung ist auch, die marktverzerrenden Agrar-Exportsubventionen zu streichen. Baumwolle und Zucker aus der EU werden zu Dumping-Preisen verschleudert. Das zerstört die Märkte und ländlichen Strukturen in den Entwicklungsländern.
Das Parlament: Kann das Geben von Geld ein Hebel sein, um die Einhaltung von Menschenrechten durchzusetzen?
Thilo Hoppe: Ist ein Land abhängig von Entwicklungshilfe-Geldern, kann das ein Hebel sein. Aber in vielen Fällen sind die Summen zu gering, um Länder mit dem Abzug dieser Gelder stark zu beeindrucken. Oft ist es wichtiger, Projekte weiter laufen zu lassen, um einen Dialog zu fördern mit der entsprechenden Regierung und der Zivilgesellschaft. Dadurch können möglicherweise Reformen und Demokratiesierungsprozesse unterstützt werden.
Das Parlament: Die Grünen haben die Unumkehrbarkeit der wirtschaftlichen Globalisierung weitgehend akzeptiert - aber sie fordern, sie "sozial und ökologisch auszugestalten". Was heißt das?
Thilo Hoppe: Das große Problem ist, dass die Regulierungsmechanismen auf den nationalen Rahmen beschränkt sind. Der Dreh- und Angelpunkt ist, ökologische und soziale Mindeststandars international verbindlich zu machen - etwa die ILO-Kernarbeitsnormen. Sie gibt es zwar, aber die UN haben keine Sanktionsmöglichkeiten, um sie wirklich durchzusetzen. Die WTO dagegen hat einen Sanktionsmechanismus, kümmert sich aber nicht um Mindeststandards. Die internationalen Organisationen müssen stärker zusammenarbeiten, Spielregeln festlegen und diese auch durchsetzen - das ist das Ziel.
Das Parlament: Können friedenssichernde Militäreinsätze ein Beitrag zur Entwicklungszusammenarbeit sein?
Thilo Hoppe: Militäreinsätze können niemals den Frieden schaffen. Sie können bestenfalls brutale Gewalt stoppen. Und da hat es Fälle gegeben, wo die Staatengemeinschaft versagt hat, etwa in Ruanda. Da wäre ein gewaltbeendender Militäreinsatz notwendig gewesen. Solche Einsätze sind manchmal nötig, um überhaupt den Rahmen den schaffen, in dem auch Entwicklungszusammenarbeit wieder greifen kann.
Das Parlament: Welche Rolle spielt Umweltpolitik?
Thilo Hoppe: Es gibt einen ganz starken Zusammenhang etwa zwischen Raubbau an der Natur und Armut. Beispiel Darfur: Die Überweidung und Wüstenbildung ist eine der Wurzeln für den Konflikt. Natur- und Klimaschutz sind keine Hobbies der Reichen, sondern ein Beitrag zum Ressourcenschutz und zur Bekämpf der Armut.