Die Entwicklungspolitik droht mehr und mehr in sicherheitspolitischen Überlegungen eingebettet zu werden", stellt der Hausgeschäftsführer des Bischöflichen Hilfswerkes "Misereor", Josef Sayer, besorgt fest. Seine Kollegin vom evangelischen Hilfswerk "Brot für die Welt", Cornelia Füllkrug-Weitzel, teilt diese Sorge: "Die mögliche Militarisierung der Entwicklungszusammenarbeit im Namen des Kampfes gegen den Terror erfüllt uns mit großer Sorge. Der Antiterrorkampf ist nämlich kein Kampf gegen Armut und Menschenrechtsverletzungen. Er löst die Probleme der weltweit benachteiligten, armen und verfolgten Menschen nicht."
Politisch ist das Thema nicht neu. Entwicklungspolitisch setzte die Diskussion über die Ursachen des Terrorismus bald nach dem 11. September 2001 ein. Bereits einen Monat später wurden in einem vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung veröffentlichten Dialogpapier Staatszerfall, ungelöste Regionalkonflikte und das nicht immer sensible Auftreten der USA als Ursachen des internationalen Terrorismus ausgemacht.
Aus den Mitteln des Antiterrorpaketes wurden dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung für das Jahr 2002 mehr als 102 Millionen Euro und für die Absicherung mehrjährig laufender Vorhaben eine Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 40 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Zuletzt wurde dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages im Februar 2003 vom Ministerium über die Verwendung der Mittel berichtet. Nun wollte die FDP-Bundestagsfraktion mittels einer Kleinen Anfrage wissen, wie hoch die finanziellen Mittel für die Antiterrorbekämpfung sind und was damit im Einzelnen geschieht.
Mitte Juli 2004 antwortete die Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Uschi Eid (Bündnis 90/Die Grünen): "Mit dem Bundeshaushalt 2003 wurden die Mittel für Maßnahmen im Zusammenhang mit der Terrorismusbekämpfung nicht mehr gesondert im Einzelplan 60 ausgewiesen, sondern auf die betroffenen Einzelpläne verteilt."
Das hat zur Folge, dass auch im Rahmen der Durchführung von Projekten und Programmen der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit "keine Differenzierung mehr zwischen herkömmlichen und der Terrorismusbekämpfung dienenden Vorhaben" erfolgt: "Für den Einzelplan 23 ist dies vor dem Hintergrund konsequent, dass unter anderem vorbeugende und stabilisierende Maßnahmen in Krisengebieten und Krisenanrainerstaaten eine wesentliche Aufgabe des BMZ darstellen."
Auf die Frage der FDP-Bundestagsfraktion, inwieweit die Ziele der Antiterrorismusbekämpfung durch wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung erreicht worden sind, antwortete die Parlamentarische Staaatssekretärin: "Hintergründe und Ursachen des Terrorismus sind vielfältig und komplex und haben teilweise tiefe historische Wurzeln. Somit erfordert die Austrocknung der Grundlagen des Terrorismus umfassende und langfristig angelegte Ansätze. Entsprechend können Wirkungen und Erfolge eingeleiteter Maßnahmen erst mittel- bis langfristig beurteilt werden. Bereits jetzt ist jedoch sichtbar, dass die Entwicklungszusammenarbeit in besonders betroffenen Ländern wie Afghanistan eine stabilisierende Wirkung hat."
Nach Uschi Eid unterstützt die Bundesregierung strukturelle Veränderungen in den Partnerländern im Hinblick auf friedliche Konfliktbearbeitung und Krisenprävention. Dies schließe die Bearbeitung des Nährbodens, auf dem Hass, Gewaltbereitschaft und schließlich Terrorismus entstehen könnten, ein. Von zunehmender Bedeutung seien in diesem Zusammenhang die Schwerpunkte Demokratie, Zivilgesellschaft und öffentliche Verwaltung. Die bilateralen Mittel in diesem Bereich seien von 80 Millionen Euro im Jahr 2002 auf 220 Millionen Euro in 2004 fast verdreifacht worden. Diese Bereiche seien mit 35 Kooperationsländern als Schwerpunkte in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit vereinbart worden. Krisenprävention und Friedensentwicklung sind, so die Parlamentarische Staatssekretärin, zentrale Fragestellungen in der Entwicklungszusammenarbeit mit einer Reihe von Ländern und Regionen (beispielsweise Afghanistan, Westafrika).
Auf die Frage der FDP-Bundestagsfraktion "Hat sich nach Ansicht der Bundesregierung die Rolle der Entwicklungspolitik vor dem Hintergrund zunehmender militärischer Interventionen verändert?" antwortete Parlamentarische Staatssekretärin Uschi Eid: "Aufgrund der Zunahme militärischer Interventionen in Krisen- und Konfliktsituationen nehmen die Berührungspunkte zwischen entwicklungspolitischen und militärischen Akteuren zu. Die Rolle sowie die Prinzipien der Entwicklungspolitik, die auf eine partnerschaftsorientierte, langfristige und nachhaltige Verbesserung der Lebensverhältnisse in den Entwicklungsländern abzielen, müssen sich dabei nicht ändern. Im Umfeld von und in der Aufbauphase nach militärischen Interventionen gilt es, möglichst rasch die Voraussetzungen für diese entwicklungspolitichen Prinzipien zu schaffen. Dies setzt eine eigenverantwortliche, aber im Rahmen einer gemeinsamen Strategie abgestimmte Nutzung der entwicklungs-, sicherheits- und außenpolitischen Instrumente voraus, wobei die jeweiligen komparativen Vorteile in Wert gesetzt werden."
Soweit also die Politikerin, die zusammenfassend feststellt, dass Entwicklungspolitik insgesamt darauf abziele, "strukturelle Konfliktursachen abzubauen und die internen Rahmenbedingungen in den Partnerländern zu verbessern". Entwicklungspolitik sei wesentlicher Bestandteil einer Politik der zivilen Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung.
Mit dem Zivilen Friedensdienst (ZFD) und der Nahrungsmittel-, Not- und Flüchtlingshilfe verfügt das Ministerium über zwei speziell auf Krisenprävention und -bewältigung ausgerichtete Instrumente, für die im Jahr 2004 insgesamt rund 85 Millionen Euro vorgesehen sind. Abschließend wollte die FDP-Bundestagsfraktion wissen, ob die Schaffung eines Klimas der Sicherheit entwicklungsfördernd sei. Dazu die Staatssekretärin: "In Afghanistan beispielsweise werden durch den Einsatz auch militärischer Kräfte Rahmenbedingungen geschaffen, die Aufbau und Verbesserung politisch-administrativer Institutionen, Förderung des zivilgesellschaftlichen Raums, Unterstützung beim Aufbau des Sicherheitssektors und wirtschaftlichen Wiederaufbau erst möglich machen. Umgekehrt leistet erfolgreiche entwicklungspolitische Zusammenarbeit einen wichtigen Beitrag zur Vermeidung von Gewalt, Konflikten und Krieg. In diesem Sinne hält die Bundesregierung ein auch von militärischen Kräften geschaffenes Klima der Sicherheit für entwicklungsfördernd." Martin Peter