Der Traum ist fast so alt wie die Menschheitsgeschichte: "Schwerter werden zu Flugscharen". So stand es programmatisch auf den Fahnen der Friedensbewegung in den 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts, so steht es seit jeher in der Bibel. Doch was dort eine prophetische Vision ist, wird in Mozambique bereits Alltag. Nur sind die Flugscharen Fischreiher und die Schwerter Kalaschnikows.
"Arms into Art" heißt das Projekt im Volksmund, in dem Kleinwaffen wie sie zu Abertausenden durch das südostafrikanische Land vagabundieren, eingesammelt und zu Kunstwerken umgebaut werden. Zum Beispiel zu eben jenem stählernen Fischreiher, der auf kunstvolle Weise sein Gefieder aus dem ehemaligen Kolben und seinen Schnabel aus der Mündung der einst tödlichen Waffe bezogen hat. Jetzt ist dieses Ungetüm vielleicht fünfzig Zentimeter groß, steht friedlich lächelnd im Raum und hätte es alle mal verdient, in einem ambitionierten Designermuseum ausgestellt zu stehen.
Die Künstler wissen mit ihrem Gegenstand umzugehen. Vor wenigen Wochen haben viele noch selbst die vernichtende Wirkung ihrer Waffe genutzt. Sie waren Teil kleiner paramilitärischer Einheiten, die das Land seit Jahrzehnten so unsicher machen. Mit jedem Fischreiher und ähnlich kunstvollen Gebilden wird es nun gewaltfreier und sicherer im Südosten Afrikas. Und auch ein wenig reicher, denn die Werke werden über Vermittlung vor allem kirchlicher Organisationen wie dem "Christian Council of Mozambique" international verkauft.
Das Kunst-Projekt ist eines von 40 Projekten, die derzeit vom BICC, dem Internationalen Konversionszentrum Bonn, begleitet werden. Die Überführung von ehemals militärisch genutzten Potenzialen zu zivilen Aufgaben hat sich das weltweit in dieser Form einzigartige Forschungsinstitut auf die Fahnen geschrieben. Vor zehn Jahren nahm es seine Arbeit auf nach einer Initiative des damaligen NRW-Ministerpräsidenten Johannes Rau. "Wir waren ein Endprodukt des Kalten Krieges", sagt BICC-Sprecherin Susanne Heinke. Eine Handvoll Mitarbeiter hätten 1995 angefangen, Kommunen bei der Umwandlung von Kasernen in Wohnungen und Schulen oder von Übungsplätzen in Naturschutzgebiete zu unterstützen. Inzwischen zähle BICC rund 40 Mitarbeiter, die Projekten von Regierungs- wie Nichtregierungsorganisationen in fast allen Krisenregionen der Welt mit Beratung und Situationsanalyse zur Seite stehen. "Nachhaltigkeit ist unser Thema", betont Heinke.
Was ohne Beratung schief gehen kann, hat Projektleiter Andreas Heinemann-Grüder im Kosovo in Folge der Entwaffnung der albanischen UCK erlebt. Dort hätten von der EU beauftragte Umschulungsfirmen ehemalige Kämpfer zu Kraftfahrzeugmechanikern ausgebildet. An und für sich verdienstvoll, "aber nachher stand an jeder Ecke eine Reparaturwerkstatt, nur ohne Kunden und Autos".
Der "post-militärische Prozess" sei sehr sensibel, erläutert Heinemann-Grüder. Auch wer einfach nur Waffen einkassiere, bringe nicht automatisch den Frieden. Denn in vielen Ländern seien der Besitz und die Anwendung von Waffen für Menschen die einzige Chance, für die persönliche Sicherheit zu sorgen. Auch hätten Beispiele in Westafrika gezeigt, dass Kämpfer sich mit dem Geld für die abgegebenen Waffen gleich neue, nur modernere gekauft hätten.
Erfolgversprechender ist da ein von BICC begleitetes Projekt in Albanien gelaufen: Als Prämie dafür, dass sich ein Dorf für "kleinwaffenfrei" erklärt habe, sei von den Vereinten Nationen eine Schule gebaut worden. So hätte zwar keiner für das Abgeben der Waffen Geld gesehen, aber alle würden profitieren.
Die Reduzierung von Kleinwaffen ist ein Kernanliegen von BICC. Fast 640 Millionen solcher Waffen bedrohen laut Susanne Heinke die Sicherheit der Menschen, sei es am Horn von Afrika, im Kosovo, in Albanien, in Mazedonien, in Afghanistan oder dem Irak. Für das Entwicklungshilfeministerium werde BICC deshalb in Zusammenarbeit mit der UN in den nächsten Jahren Aus- und Weiterbildungsprogramme für Abrüstung und eine bessere Kontrolle von Kleinwaffenbesitz entwickeln.
Deutschland sieht Heinke hier in einer besonderen Verantwortung. Denn das deutsche G-3, seit den 60er-Jahren in zahlreichen Ländern in Lizenz produziert, sei nach der russischen Kalaschnikow und der israelischen Uzi weltweit das meistvertriebene Sturmgewehr. Sieben Millionen Stück seien derzeit im Umlauf, die meisten nicht unter staatlicher, schon gar unter nicht rechtsstaatlicher Kontrolle.
"Viele Länder befinden sich in einer Grauzone zwischen Krieg und Frieden", sagt Andreas Heinemann-Grüder. Um so dringlicher sei es darum, Sicherheitskräfte zu qualifizieren und die Zivilgesellschaft zu stärken. "Ohne präventive Konversion gibt es auf Dauer keine Sicherheit, ohne Sicherheit keine friedliche Entwicklung."
Gerade hat sich eine BICC-Mitarbeiterin nach Afghanistan aufgemacht, um dort den Friedensprozess zu untersuchen. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit sind Gespräche mit traumatisierten Kindersoldaten. Gerade Analysen sind laut Heinke wichtig für die Ergebnissicherung der BICC-Projekte. "Es gibt in der Konfliktforschung keine Null-acht-fünfzehn-Fälle, die sich stereotyp auf andere Situationen übertragen lassen", warnt sie.
Das Bonner Zentrum sieht sich heute als "globaler Marktführer" in Sachen Konversionsforschung. Die UN- und Bundesstadt Bonn hat BICC anlässlich des zehnjährigen Bestehens zum offiziellen "Partner für Entwicklung und Frieden" erklärt. In Mozambique sind solche Ehrungen und theoretischen Überlegungen weit weg. Hier erweist sich die Praxis von Entwicklungsarbeit.
Der Verkauf der geschraubten Fischreiher könnte besser sein, berichtet Susanne Heinke. Aber das Projekt insgesamt sei ein Erfolg. Denn statt Kunst könne man auch Alltagsgegenstände für Waffen eintauschen: landwirtschaftliche Geräte, Fahrräder oder Schreibmaschinen. Und der "absolute Tausch-Hit" seien Nähmaschinen. Joachim Gerhardt
Der Autor arbeitet als freier Journalist in Bonn.
Kontakt: www.bicc.de