In der Karibik lebten um 1492 Menschen, die zu sieben verschiedenen Sprachgruppen gehörten: Klassisches Taíno, Ciboney Taíno, Guanahatabey, Macoris, Ciguayo, Eyeri (oder Kaliphuna) und Karina-Karibisch. Die Zahl derer, die diese Sprachen benutzen, variiert von einigen Hunderttausend bis zu drei, oder gar acht Millionen. Genaueres weiß man nicht.
Die Vorfahren der indianischen Völker hatten in drei bis vier Wellen im Neolithikum die Inseln besiedelt, die meisten wohl in Küsten- und Inselfahrt aus Südamerika. Kolumbus nannte die, die ihm am Anfang halfen, Taínos und ihre Hauptfeinde Taínos Kariben. Die einen waren für ihn "gute" Indianer, die anderen "böse". Mittlerweile haben Archäologen herausgefunden, dass sich die beiden Kulturen sehr ähnlich waren, "Eyeri" und "Karina" (Sprachen der Kariben) sind Unterarten der Taíno-Sprache gewesen.
Jedenfalls dankte der Admiral den Indios ihre Unterstützung. Er ließ die Taínos versklaven, und auch mit ihrer Sprache ging er schlecht um: Aus dem bewussten Missverstehen von Taíno-Worten entstand beispielsweise der Begriffe "carib", aus dem unsere Bezeichnung für Kariben und Karibisches Meer geworden ist.
Die Spanier eroberten zunächst die Insel La Española (bis 1510), die sich heute die Dominikanische Republik und Haiti teilen. Dann setzten sie im Inselsprung nach Puerto Rico, Jamaika und Kuba über, um schließlich von dort aus Mexiko zu erobern (1521). Die Eroberung Nordamerikas (La Florida) war zunächst (1512) gescheitert.
Um 1550 lebten auf den großen Antilleninseln und auf den Bahamas nur noch wenige Tausend Indios. Alle anderen waren durch Sklavenjagden, schwere Arbeiten, die Sklaverei, den Zusammenbruch ihrer Gemeinschaften und ihrer Glaubenssysteme, vor allem aber wegen der von den Europäern eingeschleppten epidemischen Krankheiten, ausgerottet worden. Obwohl einige Indios im Innern der Inseln und in den Randgebieten überlebten, entstand im Wortsinne "Platz" für die damals sehr modernen, fast industriellen Produktionsformen auf Zuckerplantagen mit der Sklaverei von Menschen aus Afrika.
Die erste Plantagenökonomie Amerikas florierte zwischen 1520 und 1580 auf La Española. La Habana im Westen der Nachbarinsel Kuba war unterdessen zum wichtigsten Hafen in der Verbindung der Silberflotten - die aus Panamá, Neu-Granada, dem heutigen Kolumbien, und Neu-Spanien, dem heutigen Mexiko kamen - mit Europa geworden. In der berühmten Bolsabucht des Hafens von Havanna sammelten sich alljährlich vor der Hurrikansaison die Flotten, um sich für die atlantische Überfahrt nach Sevilla und später nach Cádiz zu rüsten.
Der Silberreichtum Amerikas zog schon in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts die Gegner Spaniens aus Europa an - zunächst französische Hugenotten und Bretonen, dann auch Niederländer, Engländer, Dänen und Waliser. Indios, geflohene Sklaven, Religionsflüchtlinge, Rebellen und Normenbrecher aus Europa verbündeten sich und bildeten neue karibische Kulturen von Flibustiern, Bukaniern, Piraten und Korsaren, vor allem auf den Cayos, den vielen tausend Inselchen im Umfeld der großen Inseln oder auf der Insel Tortuga im Norden von La Española. Die Spanier hatten es versäumt, die kleinen Antillen - von den Jungfraueninseln über Antigua, Martinica, Guadelupe, Dominica, bis hin zu Granada und Trinidad - zu besiedeln.
Seit Beginn des Dreißigjährigen Krieges in Europa gelang es mehr und mehr Monarchien, offiziell Siedler, Kaufleute und königliche Funktionäre in die Karibik zu schicken: Die Niederländer besetzten Curacao, die Engländer Saint Kitts und Barbados. Die Franzosen setzten sich unter den Bukaniern und Piraten von Tortuga durch. Die spanische Krone hatte den Westteil von La Española aus Angst vor Schmuggel entvölkern lassen. So konnten Bukanier von Tortuga nach und nach auf die große Insel einsickern und eine eigene Kolonie bilden. Englische Militärs eroberten schließlich, nachdem ein Angriff auf Santo Domingo (die Hauptstadt von La Española) gescheitert war, 1655 Jamaika. Da zur gleichen Zeit die Portugiesen die Niederländer aus Brasilien vertrieben, kam es zu einem Aufschwung der Zuckerproduktion auf den nichtspanischen Inseln. Vorreiter wurde Barbados. Dann zogen Saint-Domingue und Jamaika nach (ab etwa 1700).
Zunächst hatten sowohl Engländer, wie auch Franzosen versucht, die Zuckerplantagen mit armen Dienstknechten aus Europa zu betreiben. Das Modell funktionierte nicht, und die Sklaverei schwarzer Menschen aus Afrika setzte sich durch - auch, weil vor allem niederländische und englische Sklavenhändler immer wieder Afrikaner wie eine Ware in den amerikanischen Markt drückten. Alle nordwesteuropäischen Monarchien - die Niederlande, England, Frankreich, aber auch Dänemark und sogar Brandenburg-Preußen - gründeten Kronkompanien des Sklavenhandels und zogen ein gigantisches transatlantisches Geschäft auf, das bis um 1870 insgesamt zehn bis zwölf Millionen versklavter Menschen nach Amerika brachte, davon circa 40 Prozent in die Karibik.
Barbados, aber vor allem Jamaika und Saint-Domingue, seit 1800 auch Kuba und Puerto Rico, wurden noch vor der europäischen Industrialisierung zu atlantischen Boom-Wirtschaften, zu "globalisierten", bewunderten und beneideten "Perlen der Karibik". Jede Wirtschaftslehre bis 1760 hielt sie für Musterbeispiele guter Ökonomie. Wie eine solche Muster- und Boomökonomie wirklich aussah, zeigte schlagartig die Revolution von Saint-Domingue (1791 - 1803). Etwa 500.000 Sklaven standen circa 45.000 "Weiße" sowie Nachkommen von Europäern und Sklavinnen gegenüber. Das war frühe "Globalisierung".
Als diese unnatürlichen demografischen Verhältnisse unter dem Einfluss der französischen Revolution, Hunger und Revolution zusammenbrachen, entstand 1804 die erste unabhängige Nation der Karibik: Haiti. Das Beispiel beflügelte antikoloniale Kämpfe und Revolutionen bis zum Ende des spanisch-amerikanischen Krieges um Kuba und Puerto Rico im Jahr 1898. Aber es diente allen Sklavenhaltereliten, um stärkere Sicherheitsmaßnahmen vor der freien Bevölkerung zu rechtfertigen und die Plantagensklaverei zu vervollkommnen.
Nachdem Frankreich die Sklaverei 1794 aufgehoben hatte, wurde sie unter Napoleon 1802 in Guadeloupe, Martinique und Cayenne wieder eingeführt. Die französischen Kolonien wurden erst 1848 - wieder eine Revolution - von der Geißel der Sklaverei befreit, und die Gebiete nach und nach in Überseeterritorien umgewandelt, sodass sie heute, wie verschiedene andere Inseln, zur EU gehören.
Die Niederländer behielten in ihren Gebieten (Suriname) und auf ihren Inseln (Aruba, Bonaire, Curaçao sowie Inseln der kleinen Antillen) die Sklaverei bis 1863 bei. Die Briten verboten den Sklavenhandel auf britischen Schiffen ab 1808. Als 1846 auch die britischen Schutzzölle fielen, brach die Zuckerindustrie auf Jamaika zusammen. Ähnliches geschah unter dem Druck der nun freien, ehemaligen Sklaven auch auf Haiti. Relativ erfolgreich dagegen verlief die Entwick-lung der "neuen" britischen Kolonie Trinidad and Tobago (Trinidad wurde 1797 annektiert, war vorher spanisch), vor allem wegen der rund 150.000 indischen Kontraktarbeiter. Jamaika wurde 1865 nach einem blutig niedergeschlagenen Aufstand Kronkolonie und Hauptinsel der Westindischen Föderation innerhalb des Empire. 1962 proklamierte sie im Gefolge der kubanischen Revolution von 1959 ihre Unabhängigkeit.
Kuba wurde nach der Sklavenrevolution von Saint-Domingue zur Gigantin unter den Zuckerinseln. Das "große Kuba" des Zuckers, der Plantagen und der Sklaverei trug den lang anhaltenden Boom der "zweiten Sklaverei", die mit den fortgeschrittensten Technologien operierte. Seit 1868 kam es zu antikolonialen Kämpfen und Rebellionen gegen die Sklaverei. Erst 1902 erlangte Kuba die Unabhängigkeit, nach fast vier Jahren Okkupation durch die USA. Die außenpolitische Kontrolle durch die neue Supermacht blieb.
Die Sklaverei war 1886 aufgehoben worden. Aber die Strukturen des "großen Kuba" - Latifundien und bitterarme Bauern ohne Recht auf Land - existierten weiter. Die Plantagenbesitzer hatten seit 1846 versucht, die Sklaven durch rund 150.000 chinesische Kontraktarbeiter zu ersetzen.
Die Castro-Revolution von 1959 trat zwar mit dem Ansatz an, die Folgen der Sklaverei zu beseitigen, wurde aber durch die Arbeitsteilung im Comecon und durch die Feindschaft der Revolutionäre gegen Eigentum und Genossenschaften bald gezwungen, wieder auf die Strukturen des "großen Kuba" zu setzen. Erst seit 2002 sind die Kubaner durch die Weltmarktpreise des Zuckers gezwungen, den Zuckersektor wirklich zu reformieren.
Im Süden der USA glaubten die Plantagenbesitzer bis 1865, sie könnten die Sklaverei mit einem republikanischen "Amerika der Freiheit" verbinden. Der Bürgerkrieg belehrte sie eines Besseren.
Die dänischen Kolonien Saint Thomas, Saint Croix, Saint John (Virgin-Islands) wurden 1917 aus Angst, sie könnten an Deutschland fallen, endgültig an die USA verkauft. Auch für Puerto Rico gab es in preußischen Archiven Pläne, die Insel zu übernehmen. Puerto Rico ist heute ein "assoziierter Freistaat" der USA. Die kleine Schmuggelinsel Saint-Barthélémy kam aus schwedischem Besitz, in dem sie sich seit 1785 befand, 1877 wieder unter französische Kontrolle.
Das unabhängige Haiti besetzte mehrfach den spanischen Teil der Insel, die heutige Dominikanische Republik. Im 20. Jahrhundert wurden beide Teile der alten Insel La Española mehrfach von den USA okkupiert. Die niederländischen Antillen und Surinam (seit 1975 unabhängig) wurden zu Kronkolonien und haben heute Autonomiestatus. Sie profitierten zum Teil vom Erdölboom seit 1910 oder vom Tourismus seit den 70er-Jahren.
Allen Karibikländern und den karibischen Küsten anderer Staaten ist gemeinsam, dass an ihnen die Folgen der so genannten "Globalisierung" schon seit 1500 exemplarisch studiert werden können: Die Abhängigkeit von einer äußeren Macht und der andauernde Versuch, diese abzuschütteln; Boomwirtschaften, die sich aus unterschiedlichen Gründen nach dem Zusammenbruch in Armenhäuser verwandelten; Plantagenzonen, die wie Havanna beispielsweise zu Stadtmolochen wurden; alle Abgründe europäischer Expansionen, inklusive der Auswüchse des modernen Massentourismus. Nur der Einfluss auf die Kultur, die Musik und die Religionen, mit dem die Menschen der Karibik auf diese Zumutungen reagiert haben, kann und muss man als etwas Positives hervorheben.
Professor Dr. Michael Zeuske lehrt iberische und
lateinamerikanische Geschichte an der Universität zu
Köln.