Bis heute rätseln ausländische Beobachter, was die herrschenden Generäle im März bewogen haben mag, in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ihre Koffer zu packen und ihr Machtzentrum von Rangun in die Nähe der knapp 400 Kilometer nördlich gelegenen Stadt Pyinmana zu verlegen. Wollen die Machthaber, die dem Staat 1989 den Namen Myanmar gaben, sich noch weniger als bisher in die Karten blicken lassen? Fühlen sie sich in den Bergen sicherer, seit Washington das asiatische Land einen "Vorposten der Tyrannei" genannt hat?
Ihr grausames Spiel betreiben die Generäle unter-dessen weiter. Die unter Hausarrest stehende Oppositionsführerin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi durfte am 20. Mai zum ersten Mal seit zwei Jahren wieder mit einem ranghohen UN-Gesandten zusammentreffen. Suu Kyi und der Untergeneralsekretär für politische Angelegenheiten, Ibrahim Gambari, trafen sich zu einem einstündigen Gespräch im Gästehaus der Regierung. Von der Nationalen Liga für Demokratie (NLD), deren Vorsitzende die charismatische Gefangene ist, wurde das Treffen als Fortschritt gewertet. Sichtbare Erfolge zeitigte es nicht, im Gegenteil: Kurz darauf verlängerte die Junta Ende Mai den Hausarrest von Suu Kyi um ein weiteres Jahr.
Die 60-Jährige NLD-Vorsitzende, Tochter des bur-mesischen Unabhängigkeitshelden General Aung San, hat zehn der vergangenen 17 Jahre unter strengem Hausarrest verbracht. Selbst am Begräbnis ihres Mannes, des britischen Historikers Michael Aris, durfte sie nicht teilnehmen. Aung San Suu Kyi hatte 1990 die Wahlen zur Nationalversammlung mit großer Mehrheit gewonnen; die Militärs jedoch scherten sich nicht um den Volkswillen und unterdrückten die Demokratiebewegung noch stärker als zuvor.
Nachdem sich in Rangun die Nachricht von der Verlängerung des Hausarrests herumgesprochen hatte, brachen Suu Kyis Anhänger eine Mahnwache unweit ihres streng bewachten Hauses zunächst ab und zogen zum Hauptquartier der Partei. Polizeieinheiten bezogen Stellung und riegelten die Straße ab.
Etwa zur gleichen Zeit besuchte UN-Generalsekretär Kofi Annan das benachbarte Thailand, was auf eine abgestimmte Aktion mit dem Aufenthalt des Untergeneralsekretärs schließen lässt. Noch am Vortag hatte Annan an Juntachef Than Shwe appelliert und gesagt, er hoffe, dass er "das Richtige" tue. Thailand und Myanmar/Burma gehören der Südostasiatischen Staatengemeinschaft ASEAN an. Thailands Außenminister Suphamongkhon bedauerte die "verpasste Gelegenheit", als die Nachricht von der weiteren Gefangenschaft der burmesischen Politikerin bekannt wurde.
Für die Militärdiktatur wäre es eine Gelegenheit gewesen, die Sanktionen abzuschütteln, die die EU als Folge der jüngsten Entwicklung verlängert hat. Angesichts der "brutalen Repression" in dem Land hatten die USA vor drei Jahren Sanktionen beschlossen; zu den Strafen gehört ein Einfuhrverbot für alle Waren aus Burma und die Sperrung von Krediten. Der Rat der Europäischen Union hatte bereits vor zehn Jahren angesichts schwerster Menschenrechtsverstöße eine weitreichende Sanktionspolitik beschlossen. Geholfen haben diese Maßnahmen ebenso wenig wie ein Einreiseverbot für burmesische Führungskräfte.
Myanmar/Burma mit seinen rund 50 Millionen Einwohnern verkommt inzwischen zum Armenhaus Südostasiens; 40 Prozent der Bevölkerung vegetieren an der Armutsgrenze. Nichtregierungsorganisationen berichten von 70.000 bewaffneten Kindersoldaten, Zwangsumsiedlungen der überwiegend christlichen Karen-Minderheit und Übergriffen von Regierungssoldaten auf Frauen und Mädchen.