Recht haben heißt nicht immer, auch Recht zu bekommen. Das gilt auch für die Politik. Diese frustrierende Erfahrung blieb Christa Luft, der Wirtschaftsministerin in der kurzlebigen DDR-Regierung unter Hans Modrow, nicht erspart. Modrow und seine Stellvertreterin Luft hatten versucht, vom Sozialismus durch Reformen das zu retten, was angesichts des Vereinigungswillens einer Mehrheit in der DDR nicht mehr zu retten war. Es fand die überstürzte politische und wirtschaftliche Vereinigung statt, in der nicht nur die Wirtschaftswissenschaftlerin Luft eine wesentliche Ursache für das sozioökonomische Desaster vor allem in den neuen Bundesländern sieht.
In ihrem neuen Buch - dem dritten, das den Begriff "Wende" im Titel trägt - rechnet Christa Luft mit den vermeintlichen Siegern von 1989/90 ab. Dabei fehlt es ihr nicht an einem ebenso klaren wie nicht immer überzeugenden Feindbild. Wer ist "die politische Klasse" der alten Bundesrepublik, die der Autorin zufolge die Vereinigung vorantrieb? Zählte zu dieser "politischen Klasse" nicht auch der damalige SPD-Vorsitzende und Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine, der ebenso dringend wie vergeblich vor dem Vereinigungscrash gewarnt hatte?
Insgesamt verweisen häufige Polemik und anekdotische Verweise auf Gespräche mit West-Politikern wie etwa dem jetzigen Bundespräsidenten Horst Köhler, in denen dieser sich als "beratungsresistent" erwiesen habe, neben dem entstehenden Eindruck von Rechthaberei darauf, dass Christa Luft ihr Buch wohl vornehmlich an bereits Überzeugte adressiert hat. So ist auch zu verstehen, dass die Ursachen des Scheiterns der Zentralverwaltungswirtschaft eher gestreift als in ihrer Bedeutung für den Untergang der DDR dargestellt werden.
Dabei wären stilistische und persönliche Überspitzungen gar nicht erforderlich, denn in der Sache weiß die Autorin, wovon sie redet. Dass sich das Wirtschaftssystem vom "rheinischen" zum "reinen" Kapitalismus wandelt, der Sozialstaat dabei sukzessive abgebaut wird und dies sicher auch mit dem Wegfall der Systemkonkurrenz zu erklären ist, ist richtig.
Erscheinen die häufig zutreffenden Rückblicke auf die gravierenden Fehler der ostdeutschen Transformation somit eher etwas rechthaberisch, so erweisen sich die kenntnisreichen Gegenwarts- und Zukunftsanalysen als lesens- und bedenkenswert. Die "Alternativlosigkeit" einer Anpassungspolitik an die "Zwänge der Globalisierung" bestreitet Christa Luft mit ebenso guten Argumenten wie sie die Notwendigkeit sozialpolitischer Abfederungen begründet.
Die Aussichten, mit zutreffender Kritik zu einer wirtschafts- und sozialpolitischen Wende auf längere Sicht auch politisch Recht zu bekommen, wären für die Autorin größer, wenn sie die Polemik zugunsten der sachlichen Analysen etwas zurückgestellt hätte.
Christa Luft
Wendeland. Fakten und Legenden.
Aufbau-Verlag, Berlin 2005; 275 S., 8,50 Euro