Recht. Die Vorschläge der Koalitionsfraktionen zum Zustimmungsrecht des Bundesrates wegen erheblicher Kostenfolgen und zur Neuordnung des Instruments der Finanzhilfen des Bundes in den Gesetzentwürfen ( 16/813, 16/814) zur Förderalismusreform werden von den Sachverständigen weitgehend begrüßt. Dies wurde zu Beginn einer weiteren Anhörung zur Föderalismusreform am 31. Mai deutlich, indem es um die Bereiche Finanzen, Haushalt und Wirtschaft ging.
So hielt Professor Wolfgang Renzsch von der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg das Zustimmungsrecht des Bundesrates wegen erheblicher Kostenfolgen für "sinnvoll und angebracht". Nach dem bisherigen Rechtsstand seien Geldleistungsgesetze erst dann zustimmungspflichtig, wenn die Länder mindestens 25 Prozent der Ausgaben zu tragen haben. Es sei unter demokratie- und föderalismustheoretischen Gesichtspunkten nicht sinnvoll, dass der Bundesgesetzgeber die Länderhaushalte an den Landesgesetzgebern vorbei mit solchen Lasten belegen dürfe.
Bei der Neuordnung des Instruments der Finanzhilfen des Bundes werde mit der Reform sichergestellt, dass Finanzhilfen nicht für Gegenstände der ausschließlichen Gesetzgebung der Länder gegeben werden dürfen, so Renzsch weiter. Neu sei auch, dass die Mittel befristet zu gewähren und hinsichtlich ihrer Verwendung in regelmäßigen Zeitabständen zu überprüfen seien. Dadurch werde dem Bund die Möglichkeit genommen, mit dem "goldenen Zügel" in die Landespolitik hinein zu regieren und die landespolitischen Prioritäten durch Finanzleistungen zu verändern.
Der Präsident des Bundesrechnungshofes, Professor Dieter Engels, wies darauf hin, dass der Bundesrechnungshof empfohlen habe, gemeinsame finanzierungsstaatliche Aufgaben, die so genannte Mischfinanzierung, aufzugeben oder zumindest zu entflechten. Deshalb beurteilte er grundsätzlich positiv, dass die Gemeinschaftsaufgaben Ausbau- und Neubau von Hochschulen abgeschafft sowie die Finanzhilfen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden und zur sozialen Wohnraumförderung beendet werden sollen - auch wenn hier eine Mitfinanzierung durch den Bund als Kompensation für dessen Rückzug bis zum Jahre 2019 fortbestehe. Dagegen hielt Engels die Beibehaltung der beiden Gemeinschaftsaufgaben "Agrarstruktur und Küstenschütz" sowie "regionale Wirtschaftsstruktur" für nicht sinnvoll. Gleiches gelte für die Aufrechterhaltung der Finanzhilfe für die Städtebauförderung.
Professor Stefan Korioth von der Münchner Universität befürchtete, dass durch das Zustimmungsrecht des Bundesrates wegen erheblicher Kostenfolgen die Zahl der zustimmungsbedürftigen Gesetze "unter Umständen sehr weit ausgedehnt" werde. Wenn es ein Ziel der Föderalismusreform sei, die Quote der zustimmungsbedürftigen Bundesgesetze zu vermindern, so stehe die vorgeschlagene Norm zu diesem Ziel im Widerspruch. Zudem weise die Vorschrift Auslegungsschwierigkeiten auf.
Professor Hans Meyer von der Berliner Humboldt Universität hielt den Entwurf der Koalitionsfraktion in diesem Bereich für "völlig verunglückt". Die Regelung sei verfassungsunwürdig. Die Länder würden zur Schonung ihrer Finanzen in eine Blockade getrieben.
Auch der Bereich der Mischfinanzierung sei nicht durchdacht. Es wies darauf hin, dass diese auch positive Erfolge aufzuweisen habe. So wären viele Hochschulneubauten in den 60er- und 70er-Jahren ohne diese Finanzierungsform nicht möglich gewesen. Die Einführung einer bundesweiten, lebenslänglich gültigen Steuernummer für die Steuerpflichtigen befürwortete Professor Roman Seer von der Ruhr-Universität Bochum bei der gleichen Anhörung. Der Sachverständige sagte, nur so könne das Verfahren der Steuererhebung effizient gestaltet werden. Derzeit sei es so, dass beim Umzug von einem Bundesland in ein anderes eine neue Steuernummer vergeben werde. Auch für Informationen aus dem Ausland sei eine "One-stop-agency" notwendig, um Informationen aufzunehmen. Dies könne nur das Bundesamt für Finanzen sein.
Professor Clemens Fuest von der Universität zu Köln nannte die Stoßrichtung der "Föderalismusreform I" vernünftig und gut, weil sie mehr Eigenverantwortung für die Länder bringe. Was umgesetzt werde, sei zwar in manchen Bereichen unzureichend, um die Ziele zu erreichen. Daher müsse die vorgesehene "Föderalismusreform II" ein notwendiger Bestandteil dieses Gesamtprojekts sein.
Professor Stefan Homburg von der Universität Hannover äußerte sich zu einer Erweiterung der Steuerautonomie der Gebietskörperschaften. Nach seiner Auffassung ist ein Trennsystem in Deutschland nicht durchsetzbar, was ökonomisch in gewisser Weise vernünftig sei. Bund und Länder hätten ein Interesse, nicht alleinige Empfänger der Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuer zu sein, sondern "ein bisschen zu diversifizieren". Homburg nannte es "unrealistisch", weiterhin in Richtung Trennsystem zu diskutieren. Allerdings sollten die Länder für die Steuern, die ihnen ausschließlich zufließen, die alleinige Gesetzgebungsbefugnis erhalten. Homburg nannte die Grundsteuer, die Grunderwerbsteuer, die Erbschaftsteuer und die Kfz-Steuer. Gäbe man den Ländern eine Steuerautonomie, dann könnte der Länderfinanzausgleich nicht beibehalten werden.