Einleitung
Von einem sozialen Standpunkt aus gesehen, sind diese Vorhaben lebensfähig, aus dem Blickwinkel des privaten Wassersektors sind sie es nicht." Mit diesen Worten zitierte die Zeitung "Zimbabwe Independent" am 10. Dezember 1999 Richard Whiting. Der für Simbabwe zuständige Manager des britischen Wasserkonzerns Biwater begründete mit diesen Worten, warum sein Unternehmen die Wasserversorgung städtischer Gebiete in Simbabwe nicht übernehmen werde. Es rechne sich schlicht nicht, arme Bevölkerungsgruppen mit Trinkwasser zu versorgen und dafür unter hohem Kapitalaufwand das Leitungsnetz zu sanieren und auszubauen.
Richard Whitings Einschätzung erwies sich über Simbabwe hinaus als richtig, wurde aber damals in den Zentralen der großen Wasserkonzerne ignoriert - ein teurer Fehler, wie sich heute herausstellt. Aber in den neunziger Jahren sagten Wirtschaftsanalysten voraus, dass mit der Privatisierung der Wasserversorgung in aller Welt viel Geld zu verdienen sei, und dies besonders in Teilen des Südens der Welt. Angesichts des Mangels an Trinkwasser in vielen Regionen Afrikas, Asiens und Lateinamerikas vertrauten die Unternehmen darauf, dass dort ein lukrativer Markt entsteht, wo Knappheit herrscht. Am 1. Oktober 2001 lautete eine Überschrift im "Handelsblatt": "Wasser wird für Anleger immer wichtiger." In dem Beitrag hieß es: "Experten gehen davon aus, dass im Jahre 2025 ein Drittel der Menschheit keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser mehr haben wird. Für Anleger lohnt sich daher der Blick auf Unternehmen, die ihr Geld mit Versorgung, Aufbereitung, Reinigung und Entsorgung von Wasser verdienen."
Allerdings war auch den Verfechtern der Privatisierung der Wasserversorgung klar, dass sich keine Gewinne damit machen ließen- abgelegene Dörfer in Mali oder Laos an das Leitungsnetz anzuschließen, das sollte weiterhin eine Aufgabe der Regierungen und der Entwicklungsorganisationen bleiben. Es ging um die "Rosinen" des neu entstehenden Marktes: um relativ wohlhabende Metropolen in expandierenden Staaten des Südens. Die indonesische Hauptstadt Jakarta schien Mitte der neunziger Jahre solch eine "Rosine" zu sein. Die Stadt wuchs rasch, die Kaufkraft der Bevölkerung nahm zu, und dem kommunalen Wasserunternehmen fehlte das Kapital, um das Versorgungsnetz auszuweiten. So bemühten sich gleich zwei internationale Unternehmen darum, die Versorgung der Millionenstadt zu übernehmen, der Suez-Konzern und Thames Water.
Die Konkurrenten um den lukrativen Markt hätten unterschiedlicher kaum sein können. Der Suez-Konzern blickte auf eine mehr als 100-jährige Geschichte privater Wasserversorgung in Frankreich zurück. Lyonnaise des Eaux hieß das Unternehmen ursprünglich und versorgte die Stadt Lyon mit Trinkwasser. Durch Firmenübernahmen und Fusionen wurde daraus in den neunziger Jahren der internationale Mischkonzern Suez. In Frankreich beherrschten schon zu dieser Zeit drei große Unternehmen die Wasserversorgung, während im übrigen Europa vor allem kommunale Betriebe für die Versorgung verantwortlich waren. Das Dreigestirn Suez, Vivendi und Saur versorgt heute etwa 80 Prozent der französischen Bevölkerung mit Trinkwasser. Seit den achtziger Jahren betrieben alle drei Unternehmen eine internationale Expansionspolitik, die dadurch erleichtert wurde, dass die französische Regierung ihren weiterhin großen Einfluss in den früheren Kolonien in Westafrika zugunsten der heimischen Wasserkonzerne einsetzte. Auch flossen nach einer Privatisierung französische Entwicklungsgelder, um dringend notwendige Investitionen in marode Leitungsnetze zu finanzieren. Suez dehnte seine Geschäftstätigkeit weiter aus und versorgte bald mehr als 120 Millionen Menschen zwischen Buenos Aires und Manila mit Trinkwasser, und Jakarta wurde als besonders vielversprechender Markt angesehen.
Diese Auffassung teilten die Manager von Thames Water, dem 1989 privatisierten Wasserversorgungsunternehmen von London. Margaret Thatcher hatte die Privatisierung der Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung in England und Wales gegen erheblichen Widerstand in der Bevölkerung durchgesetzt und dabei für sehr günstige Bedingungen für die Anleger gesorgt. Bald sprudelten die Gewinne, während die Verbraucherinnen und Verbraucher über ständig steigende Wasserpreise klagten. Die "Daily Mail" titelte am 11. Juli 1994 "Der große Wasserraubzug" und bezeichnete die Privatisierung als "die größte Aktion des lizenzierten Raubes in unserer Geschichte". Möglich wurden die Gewinne dadurch, dass die Unternehmen gegenüber der Regulierungsbehörde hohe Investitionen reklamierten und damit steigende Wasserpreise rechtfertigten, aber tatsächlich nur wenig investierten. Was in den Kalkulationen, die den Behörden vorgelegt wurden, als Investition deklariert war, floss zum großen Teil direkt in den Gewinn. Das konnte für eine Reihe von Jahren verschleiert werden, hatte aber den fatalen Effekt, dass die Leitungen und übrigen Anlagen nicht ausreichend gewartet und erneuert wurden. Die Gewinne wurden für hohe Dividenden, üppige Managergehälter und die internationale Ausweitung der Geschäftsaktivitäten genutzt. Der "Newcomer" Thames Water machte Suez und Vivendi von China bis Chile Konkurrenz um lukrativ erscheinende Kontrakte, und die Privatisierung der Wasserversorgung von Jakarta schien ein besonders einträgliches Geschäft zu werden.
Indonesien wurde damals autoritär von Präsident Suharto regiert, und Suez und Thames Water passten sich den herrschenden "Usancen" an. Der britische Konzern machte den ältesten Sohn des Präsidenten zum Teilhaber seines indonesischen Tochterunternehmens, und das war so etwas wie eine Garantie, den Kontrakt zu erhalten. Aber auch Suez baute Geschäftsverbindungen zu Familienangehörigen und Präsidentenberatern aus, sodass eine Pattsituation drohte. Hier kam die Weltbank ins Spiel, deren leitende Ökonomen zum Ergebnis gekommen waren, dass private Wasserversorgungsunternehmen effizienter arbeiten würden als kommunale, und die deshalb die Privatisierung möglichst vieler Wasserwerke in aller Welt durchsetzten wollten. Unter Mitwirkung der Weltbank wurde die Wasserversorgung von Jakarta im Februar 1998 geteilt, der Westen wurde Suez überlassen, der Osten Thames Water. 25 Jahren lang sollen sie die Versorgung übernehmen, während das Anlagevermögen im Eigentum des staatlichen Versorgungsunternehmens PAM Jaya blieb. Das war den privaten Betreibern recht, denn sie mussten so weniger eigenes Kapital einsetzen und konnten sich auf das ertragreiche Management des Versorgungsbetriebes konzentrieren. Um den Betrieb aufrechtzuerhalten, übernahm Thames Water 3 000 Mitarbeiter von PAM Jaya.
Die Freude über die Kontrakte währte in London und Paris nur kurz. Denn zunächst brach die asiatische Wirtschaftskrise aus, die alle Einnahme- und Gewinnprognosen in Makulatur verwandelte, und am 21. Mai 1998 wurde Präsident Suharto gestürzt. Nun wurden die Geschäftsverbindungen zum ältesten Sohn sowie weiteren Verwandten und Freunden des Exdiktators zur schweren Belastung. Die neue Stadtverwaltung von Jakarta nutzte das Chaos der Tage nach dem Sturz von Suharto, um die Kontrakte mit den ungeliebten ausländischen Wasserkonzernen für nichtig zu erklären und Vorbereitungen dafür zu treffen, die Wasserversorgung zu rekommunalisieren. Hätten wir das nur akzeptiert, werden die Geschäftsleitungen von Thames Water und Suez inzwischen oft gesagt haben, wenn sie wieder einmal Geld zum Ausgleich der Verluste ihrer Tochterunternehmen nach Jakarta überweisen mussten, aber Ende der neunziger Jahre hofften sie noch auf große Gewinne in der indonesischen Hauptstadt. Also reisten leitende Manager von Thames Water und Suez nach Jakarta und überzeugten den Übergangspräsidenten Habibie, ihnen ihre Kontrakte zurückzugeben - wenn auch ohne die kompromittierenden Geschäftspartner aus der Familie und dem Umfeld des Expräsidenten.
2000 betrat ein neuer Akteur die Bühne, der Essener Energiekonzern RWE. Die RWE-Führung war zum Ergebnis gekommen, dass die Liberalisierung des Strommarktes zu niedrigeren Elektrizitätspreisen und damit zu sinkenden Gewinnen führen werde. Da schien es wichtig, rechtzeitig neue gewinnträchtige Geschäftszweige aufzubauen. Die günstigen Prognosen für den privatisierten Wasserbereich lockten RWE, zumal der Konzern bereits über gewisse Erfahrungen beim Betrieb von Wasserwerken in Deutschland verfügte. Der Einstieg bei den Berliner Wasserbetrieben (gemeinsam mit dem französischen Vivendi-Konzern) verbreiterte die heimische Basis für eine globale Expansion im Wassergeschäft. Aber aus eigener Kraft war der Aufstieg zum "global player" kaum zu schaffen. Dafür war der Vorsprung von Vivendi und Suez zu groß, die nicht nur weltweit präsent waren, sondern auch vom Bau von Wasserwerken über das Management von Wasserbetrieben bis zu Computersoftware zum Einzug von Gebühren das ganze Spektrum von Leistungen rund ums Wasser anboten, das erforderlich war, um sich bei der Vergabe von Kontrakten durchzusetzen. Das RWE-Management unter Leitung von Dietmar Kuhnt beschloss daraufhin Ende der neunziger Jahre, den Sprung in die Weltklasse durch den Kauf von internationalen Wasserunternehmen zu schaffen. Den Aktionären von Thames Water bot RWE an, ihre Anteile mit einem Aufschlag von 43 Prozent zu kaufen. Diese zögerten nicht lange, zumal sie sich bewusst waren, welcher Investitionsbedarf in London bestand, nachdem Thames Water die Wasser- und Abwasserleitungsnetze lange Zeit vernachlässigt hatte.
RWE war vor allem am Thames Water-Engagement in 44 Ländern rund um den Globus interessiert. Als bald darauf zusätzlich der größte private US-Wasserkonzern American Water Works gekauft wurde, stieg RWE zu einem der größten drei Wasserkonzerne der Welt mit annähernd 70 Millionen Wasserkunden auf. Aber mit den Beteiligungen übernahm RWE auch die Probleme, so auch in Jakarta. RWE "erbte" dort gleich ein ganzes Bündel von Schwierigkeiten. Das Verhältnis zwischen ausländischem Management und einheimischen Beschäftigten des Wasserbetriebs war angespannt, was sich schon daraus erklärt, dass es ein enorm großes Gehaltsgefälle gibt. Außerdem waren viele Beschäftigte der Wasserwerke von Anfang an gegen die Privatisierung. Dass inzwischen fast ein Drittel der Beschäftigten mit Abfindungen entlassen wurde, darunter viele engagierte Gewerkschafter, trug zur weiteren Verschlechterung des Betriebsklimas bei. Hinzu kam, dass die Gehälter der verbliebenen Beschäftigten von PAM Jaya deutlich stärker stiegen als diejenigen der von Thames Water übernommenen Beschäftigten, sodass diese bald 30 Prozent weniger verdienten als ihre früheren Kollegen.
Auch das Verhältnis des Wasserversorgers zu den Behörden war und ist belastet. RWE Thames Water beklagt sich, dass die Regulierungsbehörde nicht in dem Umfang Preiserhöhungen genehmigt, wie dies aus Firmensicht notwendig wäre, um Investitionen und Gewinne zu finanzieren. Ende 2003 war aus Firmenkreisen zu erfahren, dass der Verlust in Jakarta 1,5 Millionen US-Dollar im Monat betrug. Der britische "Guardian" schrieb am 4. November 2003: "Das Tochterunternehmen in Jakarta zehrt das Geldvermögen von Thames auf." RWE Thames Water und Suez haben mehrfach damit gedroht, sich aus Jakarta zurückzuziehen, wenn ihre Erwartungen an deutlich höhere Wasserpreise nicht erfüllt würden. Die Behörden ihrerseits beklagen, dass die privaten Betreiber ihre Zusagen nicht einhalten, die Qualität der Versorgung zu verbessern und das Leitungsnetz zügig auszubauen. Darüber sind auch die Wasserkunden und vor allem die Noch-Nicht-Kunden in den Armenvierteln der Stadt unzufrieden. Die Verbraucherorganisation Jakartas strengt immer wieder Klagen gegen die Wasserversorger und ihre Preispolitik an. Aber einige Erfolge vor Gericht können nicht verhindern, dass die Preise inzwischen alle sechs Monate erhöht werden. Die "Jakarta Post" enthüllte zudem am 4. Juli 2005, dass die Wasserpreise für wohlhabende Familien gerade um sechs bis 17 Prozent erhöht worden waren, die der armen Familien hingegen um 63 Prozent. Im gleichen Artikel wurde beschrieben, dass auch viele wohlhabende Familien unzufrieden seien, weil es immer wieder zu Versorgungsunterbrechungen komme. Manche Familien haben in Brunnen und Pumpen investiert, weil sie es leid waren, tagelang kein Leitungswasser zu erhalten.
Die Erfahrungen in Städten wie Jakarta haben bei RWE zu einer Desillusionierung in Bezug auf die Gewinnperspektiven im internationalen Wassergeschäft geführt. Die Erkenntnis von Richard Whiting, dass es einen großen Unterschied zwischen den erwünschten sozialen Ergebnissen von Investitionen im Süden der Welt und den zu erwartenden betriebswirtschaftlichen Ergebnissen gibt, wird inzwischen auch von RWE in Essen geteilt. So erklärte der neue RWE-Vorstandsvorsitzende Harry Roels im März 2003 das Ende der globalen Ambitionen im Wassergeschäft. In Zukunft wollte man sich auf Deutschland, Großbritannien, Zentraleuropa und die Vereinigten Staaten konzentrieren.
Ende 2005 ging RWE noch einen Schritt weiter und kündigte an, seine Tochterunternehmen Thames Water und American Water möglichst rasch verkaufen zu wollen. Dies beruht vor allem auf der Einsicht, dass der Investitionsbedarf im Wassersektor hoch ist und demgegenüber die Gewinnerwartungen moderat sind. Allein in die maroden Wasser- und Abwasserleitungsnetze von London müssen Milliardenbeträge investiert werden. Gegenwärtig belaufen sich die Wasserverluste durch Leckagen in der britischen Hauptstadt auf über 30 Prozent (in Hamburg sind es deutlich weniger als fünf Prozent), und das wollen die Aufsichtsbehörden nicht länger hinnehmen. Sie akzeptieren gleichzeitig nicht, dass die Wasserpreise so stark steigen sollen, dass diese Investitionen ausschließlich auf diesem Weg finanziert werden können, nachdem Thames Water und die anderen privaten Wasserunternehmen in England und Wales über mehr als ein Jahrzehnt dadurch hohe Gewinne erzielt haben, dass sie auf Instandsetzungs- und Erneuerungsarbeiten verzichteten. Auch die Tatsache, dass bei jedem größeren Regenschauer in London das Sielnetz überfordert ist und sich eine Mischung aus Regenwasser und Kloake in die Themse ergießt, löst immer heftigere Proteste in der Bevölkerung, bei Umweltorganisationen und Politikern aus. Wer immer Thames Water kaufen wird, muss große Investitionen tätigen. Unwahrscheinlich, dass dann noch viel Investitionskapital für Jakarta übrig bleibt, zumal dort auch in den kommenden Jahren keine Gewinne zu erwarten sind.
Auch der zweite Akteur in Jakarta, der Suez-Konzern, fällt als "big spender" aus. In den zurückliegenden Jahren wurden so viele Unternehmen in aller Welt aufgekauft, dass sich die Suez-Anteilseigner Anfang des Jahrtausends mit einem Schuldenberg von fast 30 Milliarden Euro konfrontiert sahen. Suez blieb unter dem Druck der Schulden und der beunruhigten Aktionäre nichts anderes übrig, als eine Verkaufswelle einzuleiten. "Suez setzt Ausverkauf fort", lautete am 5. September 2003 eine Überschrift in der "Süddeutschen Zeitung" über den Verkauf eines größeren Tochterunternehmens in den USA.
Ganz oben auf der Verkaufsliste stehen Suez-Beteiligungen in Afrika, Asien und Lateinamerika, soweit sie sich überhaupt noch verkaufen lassen. Das Tochterunternehmen in Manila geriet immer wieder in die öffentliche Kritik, erbrachte äußert schlechte Leistungen und erwirtschaftete so hohe Verluste, dass Suez nichts übrig blieb, als sich aus diesem Engagement zurückzuziehen. Die philippinische Regierung musste sich inzwischen auf die Suche nach einem neuen Betreiber machen. In der bolivianischen Stadt El Alto nahmen die Proteste gegen die von Suez betriebene Wasserversorgung und vor allem die Preissteigerungen so massive Formen an, dass die Regierung sich im vergangenen Jahr gezwungen sah, den Vertrag mit Suez fristlos zu kündigen. Die privatisierten Wasserbetriebe von Buenos Aires waren für Suez gewinnträchtig, allerdings nur bis zum Ausbruch der argentinischen Wirtschaftskrise im Jahre 2001. Danach schrieb das Unternehmen tiefrote Zahlen, und Suez versuchte (bisher vergeblich), seine Verluste bei einer internationalen Schiedsstelle von der argentinischen Regierung einzuklagen. Im März 2006 war die Geduld der Regierung mit den schlechten Leistungen des privaten Betreibers zu Ende, und sie beschloss, die Wasserversorgung der Hauptstadt wieder in öffentliche Regie zu übernehmen.
Suez hat angekündigt, sein finanzielles Engagement in den Ländern des Südens um ein Drittel zu reduzieren; keine gute Nachricht für jene Bewohner von Jakarta, die bisher vergeblich auf Wasseranschlüsse hoffen. Unternehmen wie Suez engagieren sich nur noch in ärmeren Ländern, wenn in großem Ausmaß Entwicklungsgelder und zinsgünstige Kredite bereitstehen. Aber mit diesen Mitteln könnten die kommunalen Betriebe die bestehenden Versorgungsdefizite selbst beheben. Auch die Weltbank hat die Illusion verloren, dass die großen internationalen Wasserkonzerne die Milliardenbeträge aufbringen werden, die zur Lösung der Wasserprobleme im Süden der Welt erforderlich sind. Die mehr als eine Milliarde Menschen, die bisher ohne sauberes Trinkwasser in der Nähe ihrer Häuser und Hütten auskommen müssen, sind überwiegend auch die Menschen, die mit weniger als einem US-Dollar am Tag überleben müssen - und fallen deshalb als Kunden der internationalen Wasserkonzerne aus. Mit Blick auf den erhofften Effizienzzuwachs durch private Unternehmen wird im "World Bank Policy Research Paper 3514" vom Februar 2005 festgestellt: "Vermutlich ist die wichtigste Lektion der ökonometrischen Untersuchungen zur Relevanz der Eigentumsverhältnisse, dass es keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen den Effizienzleistungen von öffentlichen und privaten Betreibern in diesem Sektor gibt."
Dies bedeutet nun nicht, dass die internationalen Wasserkonzerne keinen Beitrag zur Lösung der globalen Wasserprobleme leisten können. Im Gegenteil. Nachdem die zum Teil auch ideologisch motivierten Bemühungen um die Privatisierung der Wasserversorgung in armen Ländern weitgehend gescheitert sind, wird es wieder leichter, darüber zu diskutieren, wie das Know-how und die technologischen Konzepte der großen Wasserunternehmen dafür genutzt werden können, kostengünstige Wasserwerke oder Kläranlagen für die Millionenstädte in Indien, China oder Sambia zu bauen. Dafür sind Konzepte gefragt, die den lokalen Bedingungen angepasst sind, aber dafür gibt es gute Beispiele. Auch Wasserunternehmen selbst haben erkannt, dass hier ihre Stärke liegt und nicht in einer Übernahme von Versorgungssystemen gegen den massiven Widerstand der lokalen Bevölkerung.
Wenn die UN-Millenniumsziele im Wasser- und Abwasserbereich bis 2015 erreicht werden sollen, sind in Indonesien und vielen anderen Ländern des Südens große Investitionen erforderlich, aber auch Maßnahmen zur Verbesserung der Effizienz kommunaler Wasserbetriebe. Bisher müssen 1,2 bis 1,3 Milliarden Menschen auf der Welt ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser in ihrer Nähe auskommen und doppelt so viele ohne eine gesundheitlich unbedenkliche sanitäre Entsorgung. Viele kommunale Wasserwerke tragen dafür eine erhebliche Mitverantwortung. Misswirtschaft und Korruption sind im Wassersektor mancher Länder weit verbreitet. Das führt zum Beispiel dazu, dass Chlor nicht in ausreichender Menge ins Trinkwasser gelangt, sondern heimlich zurück an den Lieferanten geht, der es noch einmal verkauft - zum Wohle der Manager von Lieferant und Wasserwerk und zum Schaden von vielen tausend Menschen. Diese Praxis soll zum Beispiel in der kenianischen Großstadt Kisumu zu erheblichen Gesundheitsrisiken geführt haben. Auf der anderen Seite gibt es zahlreiche effizient arbeitende kommunale Wasserwerke, so auf vorbildliche Weise in der brasilianischen Millionenstadt Porto Alegre. Solche Betriebe können Vorbilder dafür sein, wie leistungsfähige öffentliche Betriebe eine überzeugende Alternative zur Privatisierung der Wasserversorgung entwickeln.
In Deutschland dauert die Diskussion über die Privatisierung von Wasser- und Abwasserbetrieben an, vor allem deshalb, weil manche Kommunen hoffen, durch den Verkauf ihre Schuldensituation auf einen Schlag zu verbessern. Sie verlieren allerdings meist die Kontrolle über die Versorgung der Bevölkerung mit dem unverzichtbaren Lebensmittel Wasser, und ihnen entgehen regelmäßige Einkünfte aus den Gewinnen der Wasserbetriebe. RWE, EON, Veolia (das Nachfolgeunternehmen von Vivendi) und Suez sind mit Tochterunternehmen an einer wachsenden Zahl von Wasserbetrieben beteiligt. Die Hoffnung, dass sich in diesem Bereich besonders hohe Renditen erzielen lassen, haben sie allerdings längst verloren. Der Traum vom schnellen Wasser-Geld ist der Einsicht gewichen, dass nur moderate, aber stetige Gewinne zu erzielen sind. Die Ausweitung der Geschäftsaktivitäten wird dadurch immer schwieriger, dass in vielen Kommunen die Bürgerinnen und Bürger begonnen haben, sich gegen den Verkauf ihrer Wasserwerke zur Wehr zu setzen. Von Hamburg bis Rüsselsheim werden Volksbegehren und Bürgerinitiativen ins Leben gerufen, um Wasser als gemeinsames Gut zu erhalten. Wasser ist keine Ware wie jede andere, lautet die Überzeugung - und diese Ansicht findet auch von Indonesien bis Bolivien immer mehr Anhänger. Die Privatisierungseuphorie im Wasserbereich ist vorüber - auch bei weitsichtigen Wasserunternehmen.