Mit der Reform des Stabilitätspaktes haben die Defizitsünder der Europäischen Währungsunion die Sanktionsdrohung des Stabilitätspaktes abgewendet, ohne ihre Haushaltslage wirklich zu verbessern. Dieses Fazit hat die EU-Kommission ein Jahr nach Inkrafttreten der aufgeweichten Haushaltsregeln gezogen. Der reformierte Pakt habe zu einer "signifikanten Verbesserung des Verfahrens bei übermäßigem Defizit" geführt, heißt es in einer Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Ministerrat, die die Kommission in der letzten Woche beschlossen hat. Positiv sei, dass bei den Empfehlungen für Haushaltssünder mehr Rücksicht auf die ökonomische Lage des betroffenen Landes genommen werden könne.
So haben die Finanzminister Ländern wie Deutschland längere Fristen eingeräumt, um wieder unter drei Prozent Neuverschuldung zu kommen. Ursprünglich mußte die Drei-Prozent-Marke bereits im folgenden Hausaltsjahr wieder eingehalten werden. Jetzt ist es möglich, dass Bund, Länder und Gemeinden den Stabilitätspakt fünf Jahre nicht einhalten, ohne dass Sanktionen ergriffen werden. Das hat nach Ansicht der Kommission dazu geführt, dass die "ökonomische Logik" eine größere Rolle bei den Empfehlungen spielt, die die Finanzminister geben, um die Staatsfinanzen der Defizitsünder zu sanieren. Gleichzeitig sei der Pakt ein "regelgebundenes System" geblieben, die seit der Reform gegen zwei weitere Euroländer (Italien und Portugal) ein "Verfahren wegen übermäßigem Defizit" eröffnet hat. Deutschland, Frankreich und Portugal stehen weiter unter der verschärften Haushaltskontrolle durch Brüssel. Im Gegenzug hatten sich die Finanzminister verpflichtet, mehr für die mittel- und langfristige Sanierung ihrer Haushalte zu unternehmen. Beim Abbau der Neuverschuldung sollen sie nach den neuen Regeln vor allem darauf achten, die "strukturellen Defizite" zu senken - jene Schulden, die unabhängig von der konjunkturellen Lage auch bei hohen Wachstumsraten entstehen.
Währungskommissar Joaquin Almunia kritisierte jedoch, dass die Finanzminister das unerwartet schnellere Wachstum in der Eurozone nicht genutzt hätten, ihre Staatsfinanzen auf eine solidere Grundlage zu stellen. Konjunkturell, sagt Almunia, "leben wir jetzt in guten Zeiten. In den Haushaltsplänen der Mitgliedsstaaten merkt man davon aber nichts."