Wir sind Elfenbeinküste! Wir sind Togo! Wir sind Angola, wir sind Ghana! Richtig gehört: Wir alle sind Afrika. Denn Afrika ist in diesen Tagen angesagt wie nie. Wen interessieren bei dieser Fußball-WM schon die Gewichtsprobleme von Ronaldo oder der müde Fuß eines Zinedine Zidane? Die eigentlichen Stars des Turniers sind die WM-Außenseiter vom schwarzen Kontinent. Didier Drogba. Fabrice Akwa. Michael Essien. Wer war da noch mal dieser Beckham?
In der deutschen Provinz, im Vorfeld der WM eher durch "No-Go-Areas" und Reisewarnungen ins Gerede gekommen, ist man wegen der Besucher aus dem fernen Kontinent schon ganz aus dem Häuschen: In Celle zum Beispiel, wo WM-Debütant Angola sein Quartier bezogen hat, will man die Afrikaner am liebsten gar nicht mehr gehen lassen. Kaum kehren sie der beschaulichen Residenzstadt den Rücken zu, wie jüngst beim Auftaktspiel gegen Portugal, reisen ihnen hunderte Celler Fans im Sonderzug hinterher. Sind sie wieder da, 0:1-Niederlage hin oder her, beschenkt die Stadt sie mit 50.000 Autogrammkarten - ganz uneigennützig natürlich, man hat die "schwarzen Antilopen" eben mächtig ins Herz geschlossen.
Gleiches in Wangen im Allgäu: Hier flattert dieser Tage an fast jedem Hauseingang eine togolesische Flagge, inzwischen ist sie bekannter als die Stars and Stripes. In den Kneipen gibt es Togo-Eis und Togo-Pizza, der Bäcker bäckt Togo-Brot und Togo-Torte und im Kicker-Etablissement Hotel Waltersbühl kocht jetzt, na, Sie ahnen es, ein Koch aus Togo. Falls das Team in der Vorrunde rausfliegt, kann es also schon mal nicht an der Ernährungsumstellung gelegen haben.
Aber das ist bei weitem nicht alles. Die Stadt erfreut die Westafrikaner auch mit einem außergewöhnlichen "kulturellen Rahmenprogramm": einem eigens komponierten Song. "Herzlich willkommen, Fremder, der du so weit gereist bist", heißt der Chartstürmer - schon jetzt ein Hit in der Allgäuer Fan-Gemeinde. Allerdings: Man darf sich schon mal fragen, was an Togo eigentlich so fremd sein soll. Immerhin war das Land 35 Jahre lang deutsche Kolonie.
Doch das Wissen um die heimatlichen Verhältnisse der Gäste ist auch anderswo eher lückenhaft - koloniale Vergangenheit hin oder her. Im 1.030-Seelen-Dorf Niederkassel-Uckendorf bei Bonn zum Beispiel, wo Drogba und Co von der Elfenbeinküste ihr Trainingscamp aufgeschlagen haben. Hier hängen seither bemerkenswerte Spruchbänder in den Straßen. "Die Elfenbeinküste liegt am Rhein" steht darauf, zugegeben geografisch etwas inkorrekt, aber dafür getragen von derartigem Enthusiasmus über den exotischen Besuch, dass man den freundlichen Niederkasselern nur wünschen kann, zwischen den Übertragungen auch mal Auslandsnachrichten zu gucken.
Sei's drum. Eines beweist die allgemeine Hochstimmung in der deutschen Provinz allemal: Die einzig sichtbare "No-Go-Area" Deutschlands ist derzeit eine Kneipe ohne Fernseher.