Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier bereiste jüngst in Norwegen den Polarkreis, wo der Kampf um Energie bereits erkennbar Teil der Außenpolitik ist. Der Energiegigant Norwegen erhofft sich hier eine Mittlerrolle Deutschlands gegenüber Russland, um einen künftigen "eiskalten Krieg" (FASZ) zu verhindern. Denn klare Grenzen gib es hier nicht oder nicht mehr, seit Russland vor fünf Jahren nahezu die Hälfte des nördlichen Polarmeeres unter Einschluss des Nordpols für sich reklamiert hat. International wurde dies nicht anerkannt. Daher wehrt sich Russland, Grenzvorschlägen seiner vier "Nachbarn" am Polarmeer - Norwegen, Kanada, Dänemark und der USA - zuzustimmen. Seitdem versuchen Expeditionen, die Arktis, einschließlich des Meeresgrunds, zu vermessen. Nach dem UN-Seerechtssystem wird das Gebiet eines Staates auch danach festgelegt, wie weit sein Festlandssockel ins Meer hinausreicht. Nach dieser hoch komplizierten Methode ist das "staatsfreie Gebiet" weitgehend unvermessen.
Steinmeier wird wohl auch noch an das südliche Ende der Welt reisen. Denn auch die Antarktis am anderen Ende der Erdkugel, kältester und unwirtlichster aller Kontinente, 40 mal so groß wie Deutschland, dürfte besonders verlockend für künftige Freibeuter sein. Mit ihrer bis dato ewigen Eisdecke gilt sie als "natürliches Archiv" der Erde, hat entscheidenden Einfluss auf das Klima und die über das Südpolarmeer verbundenen empfindlichen Ökosysteme. Zahlreiche Staaten nutzen sie als "wissenschaftliches Freiluftlabor".
Die Antarktis untersteht einem völkerrechtlichen Vertragssystem, das die internationalen Beziehungen regelt. Grundlage ist der Antarktisvertrag (AV) von 1959, dem 45 Staaten angehören, auch die Bundesrepublik: Dieser Vertrag gilt für das Gebiet südlich von 60 Grad südlicher Breite, lässt die Nutzung der Antarktis nur für friedliche Zwecke zu und verbietet ausdrücklich alle Maßnahmen militärischer Art. Sein Ziel ist es, die Freiheit der wissenschaftlichen Forschung zu gewährleisten. Atomtests und die Beseitigung radioaktiven Abfalls sind verboten. Die von den Mitgliedstaaten Argentinien, Australien, Chile, Frankreich, Großbritannien, Neuseeland und Norwegen "auf Teile der Antarktis erhobenen Souveränitätsansprüche" werden "ausdrücklich offen gelassen und für die Geltungszeit des Vertrages eingefroren", informiert das Auswärtige Amt.
Für einen umfassenden Schutz soll das Umweltschutzprotokoll mit seinen fünf Anlagen (1991) zum AV sorgen, das für Deutschland seit 1998 gilt. Steuerungsins-trument ist die jährliche Konferenz der Vertragsstaaten mit Konsultativstatus (Antarctic Treaty Consultative Meeting, ATCM). Den erhalten nur Vertragsstaaten, die ihr Interesse mit wissenschaftlichen Forschungstätigkeiten besonders artikulieren, derzeit 28 der 45 Mitgliedstaaten. Auf der ATCM 2003 in Madrid wurden unter anderem die völkerrechtlichen Voraussetzungen für die Errichtung eines ständigen Antarktissekretariats geschaffen, das seine Arbeit 2004 in Buenos Aires aufnahm. Bisher beschäftigten die Tagungen sich vor allem mit der Umsetzung des Umweltschutzprotokolls, der Forschung und dem Tourismus. In den seit 1961 abgehaltenen Tagungen wurde ein Regelwerk von über 250 Maßnahmen verabschiedet, überwiegend zum Umweltschutz.
Der Kontinent spielt eine enorme Rolle bei der Erforschung des Weltklimas. In mehr als 40 Stationen arbeiten Wissenschaftler, vielfach in internationaler Kooperation, an Projekten von Routinemessungen bis zur Grundlagenforschung. Die Deutschen etwa koordinieren das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI), das Ausrüstung und Logistik zur Verfügung stellt sowie die Neumayer-Station und das Forschungsschiff Polarstern unterhält. Neben traditionel- len Disziplinen wie Geologie, Geophysik, Biologie und Meteorologie rückt zunehmend die Frage nach dem Klimawandel ins Blickfeld. Mit Eiskern-Bohrungen etwa wird dort im Rahmen eines europäischen Projekts der natürliche Wandel seit 500.000 Jahren erforscht. Treibhausgase in der Atmosphäre werden gemessen und der Abbau der Ozonschicht untersucht.
Beim Schutz der Ökosysteme und im Blick auf das Klima standen viele Jahre auch die möglichen Auswirkungen von Bergbauaktivitäten auf die Umwelt im Mittelpunkt. Ein Ressourcenübereinkommen (1988), das die Gewinnung mineralischer Rohstoffe unter Beachtung strenger Vorschriften zulassen sollte (CRAMRA), trat wegen mangelnder Ratifikation jedoch nicht in Kraft. Stattdessen wurde der kommerzielle Abbau mineralischer Ressourcen durch das Umweltschutzprotokoll von 1991 verboten. Die 2005 angenommene, aber noch nicht in Kraft getretene sechste Anlage ist die erste internationale Haftungsregelung für Umweltschäden in der Antarktis und ein maßgeblicher Schritt "zu einem umfassenden Haftungsregime zum Schutz der antarktischen Umwelt".
Eine wichtige Rolle beim Schutz des Ökosystems spielt auch das vorherige Abkommen über die Erhaltung der lebenden Meeresschätze (CCAMLR, 1980). Zur Überwachung wurde die CCAMLR-Kommission im tasmanischen Hobart gebildet. Sie legt Quoten für den Fischfang in antarktischen Gewässern fest und kontrolliert deren Einhaltung. Eine zunehmende Bedrohung für das ökologische Gleichgewicht stellt besonders der illegale Fischfang dar, durch den auch der Bestand an Seevögeln und Robben gefährdet ist.
Seit 1983 steht die Antarktis auf der Tagesordnung der UNO. Eine Initiative Malaysias, das Vertragssystem der Weltorganisation zu unterstellen und den Kontinent zum "gemeinsamen Erbe der Menschheit" zu erklären, scheiterte am Widerstand der Vertragsstaaten. Die Generalversammlung nahm daher 1994 wieder Abstand von entsprechenden UN-Resolutionen - eine zynische Verheißung für Raubritter aller Art auf dem Kontinent ohne Bevölkerung.