Recht. Auf prinzipielle Zustimmung stieß bei einer Anhörung des Rechtsausschusses am 27. September ein Gesetzentwurf der Bundesregierung ( 16/886), dessen Ziel es ist, bei Selbstständigen im Insolvenzfall die Altersvorsorge vor einem schrankenlosen Zugriff durch Gläubiger zu bewahren. Mehrheitlich sprachen sich die Experten jedoch dafür aus, in einen solchen Pfändungsschutz nicht wie vorgesehen nur Lebensversicherungen, sondern auch andere Formen der Altersvorsorge einzubeziehen.
Die Gesetzesvorlage der Regierung weist darauf hin, dass Bezüge aus der gesetzlichen Rentenversicherung einem Pfändungsschutz unterliegen, um das Existenzminimum eines Schuldners zu gewährleisten und so die Gemeinschaft von Sozialkosten zu entlasten. Für Vermögenswerte, die Selbstständige für ihr Alter schaffen, existieren solche Bestimmungen bislang nicht.
Die Einführung eines Schutzes vor dem Zugriff von Gläubigern auch für diesen Personenkreis bezeichnete Jörg Hagedorn vom Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) als "dringend geboten". Aufgrund der verschlechterten wirtschaftlichen Lage und des damit verbundenen deutlichen Anstiegs an Insolvenzen habe sich bei Handwerkern das Risiko erhöht, "am Ende ihres Erwerbslebens keine ausreichende Alterssicherung zu haben und unter Umständen auf Sozialhilfe angewiesen zu sein". Ein Pfändungsschutz bei der Altersvorsorge sichere das Existenzminimum von Selbstständigen im Alter und stelle sie mit Beziehern einer gesetzlichen Rente annähernd gleich.
Für den Deutschen Juristinnenbund, dessen Sprecherin Claudia Altschwager-Hauser die Stoßrichtung des Gesetzentwurfs begrüßte, ist die angestrebte Regelung eine notwendige Folge des Abbaus sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse. Viele Bürger hätten nur noch die Wahl zwischen Selbstständigkeit und Erwerbslosigkeit.
Der Wiesbadener Rechtsanwalt Lutz Zobel wertete es als richtig, den Pfändungsschutz bei Selbstständigen auf private Lebensversicherungen zu konzentrieren. Bei den meisten Sachverständigen stieß diese Absicht der Regierung hingegen auf Kritik.
So forderte Christa Franke vom Bundesverband "Investment und Asset Management", in die neuen Regelungen auch Bank- und Fondssparpläne aufzunehmen, die bereits im Rahmen der Riester-Rente als Instrumente der Alterssicherung anerkannt worden seien. Von einem Pfändungsschutz müssten alle Angebote erfasst werden, die zum Aufbau einer Altersversorgung geeignet seien.
In der Stellungnahme von Professor Udo Reifner vom Hamburger Institut für Finanzdienstleistungen heißt es, die einseitige Bevorzugung der Versicherungsbranche und ihrer Produkte sei sachlich nicht gerechtfertigt "und greift in den Wettbewerb um das beste Produkt der Wirtschaft ein".
Änderung umstritten
Auf deutliche Kritik von Sachverständigen aus dem Kreis von Richtern und Anwälten wie bei der Wirtschaft stieß hingegen die von der Regierung geplante Änderung des Insolvenzrechts. Bei den Sozialversicherungsträgern dagegen findet der Gesetzentwurf Zustimmung.
Gero Fischer, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof (BGH), und der Hamburger Insolvenzrichter Frank Frind bemängelten, dass im Falle einer Unternehmensinsolvenz die Renten- und Krankenversicherungen sowie Finanzämter bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche gegenüber privaten Gläubigern künftig bevorzugt würden. Professor Hans Haarmeyer (Remagen) sprach von einem "Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz".
Die Justiziarin der AOK Bayern, Heidi Schmidt, betonte hingegen, die Vorlage der Regierung habe einen "maßvollen Ausgleich" der einzelnen Gäubigeransprüche zum Ziel. Nach dem Gesetzentwurf soll die Möglichkeit eingeschränkt werden, bereits erfolgte Zahlungen an Gläubiger anzufechten und so im Rahmen eines Insolvenzverfahrens wieder in Frage zu stellen. Dies würde die Position von Sozialversicherungen und Fiskus stärken. Fischer hingegen erklärte, die geplante Gesetzesnovelle werde die positiven Wirkungen der Insolvenzrechtsreform von 1999 massiv beeinträchtigen. Die seinerzeitige Regelung habe dazu geführt, dass es bei zahlungsunfähigen Kapitalgesellschaften in über 60 Prozent der Fälle zur Eröffnung von Insolvenzverfahren gekommen sei, wodurch sich die Chancen auf eine Unternehmenssanierung und auf den damit verbundenen Erhalt von Arbeitsplätzen verbessert hätten.