Wer früher als Mitglied oder als Beobachter auf Parteitagen war, kennt ihn: den legendären BfG-Kaffeestand. Es war der Treffpunkt für Delegierte und Journalisten, für Gäste und Zuhörer. Dort wurden Informationen ausgetauscht und Gerüchte verbreitet, Fragen gestellt und Kungelgespräche geführt. Die gewerkschaftseigene Bank für Gemeinwirtschaft, die es nicht mehr gibt, weil sie in der SEB aufgegangen ist, hatte früh entdeckt, dass es sich lohnt, bei Parteitagen optisch präsent zu sein. Die BfG verteilte Tagungstaschen an die Kongressteilnehmer und schenkte kostenlos jede Menge Kaffee aus. Nebenbei wurde massiv für die Angebote und Leistungen der Bank geworben. Der BfG-Kaffeestand war ein Vorläufer des Parteiensponsoring - einer Form der Parteienfinanzierung, die immer häufiger angewendet wird. Ähnlich berühmt wurde später die Philipp-Morris-Lounge. Sie war auf Parteitagen für die Pressevertreter reserviert, es war der Raum für Kollegengespräche und Informationsflüsse und ab und zu wurde ein Politiker eingeschleust - alle wurden üppig bewirtet und Zigaretten gab es gratis.
Der Zweck solcher Werbe- oder Promotionsveranstaltungen ist ein beiden Seiten Nutzen bringender Imagetransfer. Nach der Devise "Förderung gegen Öffentlichkeit" finanziert ein Unternehmen Teile des Parteitags und erwartet als Gegenleistung einen Werbeeffekt. Die gegenwärtig verbreiteste Form des Parteiensponsorings sind Firmenstände in der Vorhalle des Kongresssaals, für die eine hohe Quadratmetermiete zu zahlen ist; die Partei kann von den Einnahmen die Hallenmiete bestreiten; die Stände werden von Delegierten aufgesucht; die Firmennamen werden in den Parteitagsunterlagen mit Logo aufgeführt oder sogar in der Begrüßungsrede namentlich erwähnt.
In Zeiten sinkender Mitgliederzahlen und steigender Ausgaben, rückläufiger Wahlkampfkostenerstattung und zunehmender Ansprüche sind alle Parteien auf der Suche nach neuen Finanzierungsquellen. Mit dem Sponsoring ist eine Form gefunden worden, die in Kultur und Sport längst üblich ist. Aus der Sicht von Unternehmen ist Sponsoring ein bedeutsames Instrument modernen Marketings und somit ein Element der nach außen gerichteten Unternehmenskommunikation, das außerdem als Betriebsausgabe steuerlich begünstigend wirkt. Allerdings hat es, zumindest streng juristisch betrachtet, einen eigenartigen Doppelcharakter, der gleichzeitig in der Förderung der Partei als auch in einer Förderung des Unternehmens selbst besteht. Das Fördern von Parteien allerdings ist verfassungsrechtlich begrenzt; das Fördern eines Wirtschaftsunternehmens dagegen ist verfassungsrechtlich weitgehend unbegrenzt zulässig.
An dieser Stelle entsteht ein Grauraum, über den sich Staatsrechtler und Verfassungsjuristen, Steuerexperten und Politikwissenschaftler und nicht zuletzt die Schatzmeister der Parteien selbst Gedanken machen. Bislang gab es zum Thema Parteiensponsoring keine wissenschaftliche Publikation. Grund genug für das Institut für Deutsches und Europäisches Parteienrecht und Parteienforschung, sein jährliches Symposion diesem Neuland zu widmen. "Sponsoring - ein neuer Königsweg der Parteienfinanzierung?" hieß die Tagung, deren Verlauf und Ergebnisse im vorliegenden Band zusammengefasst sind, der jetzt als Basis jeder weiteren Diskussion gelten darf.
"Parteien und Geld, das ist wie das Wasser, es findet immer seinen Weg", heißt ein gern zitierter Spruch des Staatsrechtsprofessors Hans-Peter Schneider. Nun wird den Parteien nicht voller Misstrauen unterstellt, sie setzten das Sponsoring absichtsvoll zur Umgehung des Parteiengesetzes ein, um den durch gesetzwidrige Machenschaften in Verruf geratenen Begriff der Parteispende zu meiden. Richtig ist aber, dass das Sponsoring nicht dem Reglement des Parteiengesetzes mit seinen Publikationspflichten unterliegt. Dennoch sind die Leistungen des Sponsors steuerlich absetzbar und für ihn wegen der Werbewirkung durchaus attraktiv.
"Sponsoring ist", so hat Institutsdirektor Martin Morlok einleitend formuliert, "eine praktisch bedeutsame Form der Parteienfinanzierung." Eine elegante Definition des Charakters des Sponsoring hat der Staatsrechtler Jörn Ipsen beigetragen: "Beim Sponsoring werden Betriebsmittel öffentlichkeitswirksam eingesetzt, um das Wirtschaftsunternehmen, das naturgemäß auf Gewinne abzielt, an der Aura idealer Zwecke teilhaben zu lassen."
In der Diskussion des hochklassig, auch mit Vertretern der Schatzmeistereien von Parteien und dem für die Parteienfinanzierung zuständigen Referatsleiter des Deutschen Bundstags, Johannes Becher, besetzten Symposions schälte sich heraus: Das Parteiensponsoring durch Unternehmen ist weder unredlich noch anrüchig. Aber auch ein Sponsoring ist theoretisch missbrauchbar und kann eine verdeckte Parteispende sein, nämlich dann, wenn es mit keiner messbaren Gegenleistung verbunden ist. Also empfiehlt sich, unter dem Grundgedanken der größtmöglichen Transparenz und um jedem Verdacht der Umgehung von Spendenverboten und Publikationsvorschriften entgegenzuwirken, in den jährlich beim Bundestag einzureichenden Finanzberichten auch die Sponsorings zu Gunsten von Parteien aufzulisten. Denn sie sind zweifellos eine Einnahmeart. Eine Lehre aus diesem Band: Der Gesetzgeber sollte sich rasch vorbeugend an die Arbeit machen und nicht abwarten, bis die ersten dubiosen Fälle auftauchen, die dann nachträglich geheilt werden müssen.
Martin Morlok, Ulrich von Alemann, Thilo Streit (Hrsg.): Sponsoring - ein neuer Königsweg der Parteienfinanzierung? Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2006; 154 S., 29 Euro.