Der Kalte Krieg ist doch vorbei. Wenn es dafür eines Beweises bedurft hat, die Reaktionen Polens und Tschechiens auf die ungewöhnlich scharfe Kritik des russischen Präsidenten Wladimir Putin an US-Plänen für den Ausbau eines Raketenschutzschildes in den früheren Ostblockstaaten haben ihn erbracht. Warschau und Prag ließen den ehemaligen "Großen Bruder" abblitzen, wenn auch mit unterschiedlichen Akzenten. Die USA planen den Bau einer Radarstation in Tschechien und eines Raketensilos in Polen als einen Pfeiler des Pentagon-Projekts "National Missile Defense".
Putins Rede in München habe die Beziehungen zum Westen verschärft, erklärte Polens Außenministerin Anna Foltyga. Doch etwas wirklich Neues habe sie dabei nicht erfahren. Für polnische Regierungspolitiker enthielt Putins Rede tatsächlich nichts Neues, der russische Präsident bestätigte ihnen nur ihr Russland-Bild: Demzufolge ist Russland ein aggressives Imperium, das den Zusammenbruch der UdSSR nicht verwunden hat und nun mit einem autoritären Präsidenten alles tut, um mit Hilfe von Rohstoffpolitik und feindlichen Übernahmen von Energieunternehmen das an Einfluss auf seine Nachbarn wiederzugewinnen, was die Sowjetunion mit dem Militär nicht mehr konnte. Aus Sicht Warschaus waren Putins harte Töne sogar hilfreich. Fotyga: "Noch vor ein paar Jahren waren wir mit unserer Sichtweise der russischen Politik isoliert. Nun müssen wir nichts mehr sagen, jeder sieht selbst." In Polen ist es schwer, jemanden zu finden, der damit nicht einverstanden wäre oder gar - wie manche Kommentatoren in Deutschland - Verständnis für Putin aufbringt. Letzteres gilt den polnischen Medien nur als Beweis für prorussische und antipolnische Tendenzen in Deutschland. Daran liegt es auch, dass die Presseagenturen und Printmedien eifrig Kommentare von Egon Bahr zitieren, in denen dieser Putins Verhalten zu erklären versucht.
Die tschechischen Politiker ließ die Putin-Rede weitgehend kalt. Außenminister Karel Schwarzenberg wies die Einmischung anderer Staaten in die Diskussion zurück. Regierungschef Mirek Topolánek wollte sich wohl im Urlaub nicht stören lassen und äußerte sich nicht zur Rede Putins. Staatspräsident Václav Klaus signalisierte in einem Interview mit der Wirtschaftszeitung "Hospodarské Noviny" bereits zuvor seine grundsätzliche Zustimmung zu dem US-Projekt. Bei seinem für April geplanten Moskau-Besuch sei er bereit, diese Meinung offen darzustellen.