Alle paar Minuten klingelt das Telefon. Immer
ist jemand anderes dran. Immer geht es um Technik: In einem
Ausschusssaal sollen wegen der Behandlung eines sensiblen Themas
die Jalousien heruntergefahren werden. Aus Sicherheitsgründen.
Doch draußen ist Starkwind und dafür ist der
elektronisch steuerbare Antrieb des Sicht- und Sonnenschutzes nicht
vorgesehen. Für Stephan Mast, Referent im Bereich
Liegenschaften und Gebäudetechnik des Bundestages, ist das
"reine Abwägungssache." Keine Frage, die er nur als Ingenieur
beantworten will. Mast versteht sich vor allem als Dienstleister.
Zusammen mit dem Referatsleiter, zwei Kollegen und weiteren 146
Mitarbeitern sorgt er dafür, dass der Parlamentsbetrieb
jederzeit wunschgemäß und ohne große technische
Störungen ablaufen kann. Mast und sein Team sind sozusagen die
obersten Haustechniker im Reichstag, im Jakob-Kaiser-Haus, im
Marie-Elisabeth-Lüders-Haus und im Paul-Löbe-Haus.
Was einfach klingt, ist in Wahrheit
höchst kompliziert. Denn Reichstag und angrenzende
Bundestagsgebäude im Spreebogen bergen kleine technische
Wunder, sind eine Stadt in sich, energietechnisch fast wie ein
Selbstversorgerbetrieb. Im Parlamentsviertel werden Strom und
Wärme mit insgesamt acht Blockheizkraftwerken
größtenteils selbst erzeugt, auf allen Dächern
liegen Photovoltaikanlagen, die die Sonnenenergie nutzen. Es gibt
eine Abgasreinigung, eine Höhenzugangstechnik und eine
höchst ausgetüftelte Heizungs- und Klimatechnik mit einem
schier nicht enden wollenden Rohrsystem, das aus riesigen
Kälte- und Wärmespeichern gespeist wird.
Während Mast von den Speichern unter der
Wiese des Reichstagsgebäudes erzählt, fahren seine Finger
auf einer technischen Zeichnung hin und her. Er erklärt, wann
die Energieleitzentrale im Sommer entscheidet, eiskaltes Wasser aus
60 Meter Tiefe ins Gebäude zu pumpen, damit Abgeordnete und
Fachreferenten, Sekretärinnen und Boten nicht ins Schwitzen
kommen. Umgekehrt kann im Winter aus 315 Meter Tiefe warmes Wasser
in die Rohre gepumpt werden. "Das ist schon wahnsinnig innovativ",
sagt Mast und schaut für einen Moment in die Ferne. Dann
erzählt er von unterirdischen Gängen, die wie bei einer
alten, geheimnisvollen Burg eine eigene Welt bilden und sogar unter
der Spree hindurch führen. Im Notfall schließen sich die
schweren Eisentore wie Schotten bei einem Schiff von selbst. Die
Gänge und Versorgungswege zur Tiefgarage, zur riesigen
Küche, zur Schaltzentrale und zum Blockheizkraftwerk sind eine
Welt für sich. Technik nicht als Selbstzweck, "sondern mit dem
Ziel - wenn man so will - den Menschen und der Politik zu
dienen".
"Wenn ich auf dem Dach des
Reichstagsgebäudes stehe, bin ich stolz, in diesem
Gebäude arbeiten zu dürfen", sagt der 54-Jährige,
der als Schüler des jesuitischen Canisius-Kollegs ein Weltbild
verinnerlicht hat, das man mit den Stichworten Nächstenliebe,
Disziplin und Freiheit umschreiben kann. Aber dort hat Mast auch
erfahren, dass "gerade scheinbare Widersprüche und Neigungen
ein Leben aus- und reich machen". "Die Wesenhaftigkeit eines
Menschen drückt sich in vielem, eben auch in
Gegensätzlichem aus", sagt Mast und deutet auf ein
Tangoplakat, das neben der Bürotür hängt. "Die
Ingenieurskunst ist die Statik, der Tango die Dynamik. Das eine
funktioniert nicht ohne das andere." Was ihn am Tango fasziniert?
Natürlich die Begegnung, die Hingabe und die Führung. Er
ist ein Manager mit "kooperativem Führungsstil".
Mast fasziniert nicht das Absehbare, Abgezirkelte, stets
Berechenbare. Nach dem Fall der Mauer zog der Westberliner aus
Tempelhof in den Ostteil der Stadt. Er wohnt nun an der
Stadtgrenze, da wo es keine "Flurbereinigung" gab. "Ich wollte
keine wie mit dem Lineal gezogenen Hecken mehr", sagt er. Und in
diesem Bild vom Lineal findet sich auch sein Verständnis
seines Beruf wieder. Selten benutzt er das Wort Bauingenieurswesen.
Er spricht lieber von Bauingenieurskunst.