Als die Gruppe 47 vor 60 Jahren zu ihrem ersten Treffen zusammenkam, ging es um nichts weniger als die Neubegründung der deutschen Literatur nach der moralischen Katastrophe des Nationalsozialismus. Die meisten Schriftsteller und Publizisten waren aus Kriegsgefangenschaft oder "Innerer Emigration" zurückgekehrt. Manche hatten im "Dritten Reich" publiziert und sich mit dem System arrangiert, andere in der Wehrmacht gedient. Ihnen gemeinsam war, den "Nullpunkt", an den Literatur und Sprache durch das Gift des Nationalsozialismus geraten waren, zu überwinden. In einer Gesellschaft, die sich schuldig gemacht hatte, wollten sie Verantwortung übernehmen.
Die Schriftsteller der Gruppe 47 orientierten sich an der ihnen jahrelang versagt gebliebenen literarischen Moderne. Sie kritisierten die Umerziehungs- und Entnazifizierungspolitik der Westalliierten und die Kollektivschuldthese, stritten über die Reformfähigkeit der restaurativen Adenauer-Republik und verachteten die kulturpolitischen Dogmen, die in der SBZ/DDR auf Weisung der Sowjetischen Militäradministration herrschten. Der SED waren die kritischen Literaten nie geheuer. Aus der Probebühne für literarische Kritik wurde rasch ein Forum gesellschaftlicher Reflexion.
Satzung oder Programm gab es nicht, ebenso wenig eine formelle Mitgliedschaft. Zur Gruppe 47 durften sich alle zählen, die von deren Patron Hans Werner Richter eingeladen wurden. Man tagte an illusteren Orten - im Allgäu und in Berlin, in Schweden und in Princeton. Die Protagonisten der Gruppe 47 prägten weit über die letzte Tagung im Jahr 1967 hinaus das intellektuelle Leben und die politische Kultur der Bundesrepublik Deutschland.