Wenn Cordula Klinger die Post von Kindern öffnet, ist sie jedes Mal gespannt, was in den Briefen steht. Und würde manchmal gerne den einen oder anderen Wunsch erfüllen können. Zum Beispiel den, aus dem handschriftlichen Brief in knallroter Farbe von Michael aus Erfurt, der ganz oben auf seiner Wunschliste stehen hat: "Traurige Kinder bitte aufmuntern!" und "Das Recht auf Freizeit - damit ich in Ruhe wachsen kann!". Andere Briefe, die Kinder an den Bundestag richten, stimmen traurig: Wenn Jungen oder Mädchen berichten, dass ihre Eltern sich die lang ersehnte Klassenfahrt nicht leisten können oder dass sie von einem Internet-Anbieter um das Taschengeld für mehrere Jahre betrogen wurden. Wieder andere sorgen sich um politische Themen: den Fluglärm, den Straßenverkehr oder die Erderwärmung. Aber manche Wünsche lassen sich beim besten Willen nicht erfüllen: Das Recht auf Hitzefrei ab 20 Grad oder zwölf Wochen Sommerferien.
Cordula Klinger öffnet solche Briefe in ihrer Funktion als Büroleiterin des Sekretariats der Kinderkommission im Deutschen Bundestag. Es ist beileibe nicht die einzige Aufgabe, aber es ist ihr wichtig, auch für Anfragen von denen, deren Interessen die Kommission vertritt, offen zu sein. "Viele Anliegen fallen zwar nicht in die Kompetenz der Kinderkommission", sagt sie, "aber jeder Brief wird ernst genommen, gelesen und beantwortet - und jedes Kind ermuntert, sich für etwas einzusetzen und Fragen zu stellen." Häufig können Hinweise und Tipps gegeben werden: etwa, dass bei Internetfallen die Verbraucherzentrale der richtige Ansprechpartner ist. Oft sind Anliegen auch so wichtig, dass sie auf die Tagesordnung gesetzt und in der Kommissionssitzung beraten werden.
Die Kinderkommission ist ein Unterausschuss des Familienausschusses und besteht aus fünf Mitgliedern der im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen. Die Mitglieder der Kinderkommission treffen sich im Familienausschuss und zu eigenen Sitzungen. Auf der Tagesordnung stehen dabei Themen wie Kindergesundheit oder Kinderlärm und immer wieder die Bitte, bestehende oder neue Gesetze dahingehend zu prüfen, ob die Belange der Kinder hinreichend berücksichtigt wurden. Zurzeit setzt sich die Kommission dafür ein, Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern.
In ihrem Büro in der Dorotheenstraße, unweit der US-amerikanischen Botschaft sind Cordula Klinger und zwei Mitarbeiterinnen für die Vor- und Nachbereitung von Sitzungen zuständig, laden Experten zu Themen wie Kindergesundheit, Kinderrechte oder Kindesmissbrauch ein und sorgen dafür, dass die Ergebnisse festgehalten und verbreitet werden. Und sie kümmern sich um das Besuchsprogramm "kleiner" Gäste im Bundestag.
Dass der 46-Jährigen ihre Arbeit Spaß macht, merkt man sofort - gelernt hat sie allerdings etwas ganz anderes. Ihr Aufgabenfeld ist ein Beispiel dafür, wie flexibel Karrieren heute verlaufen können und wie wenig eine Berufsausbildung das ganze Leben die Grundlage der Arbeit bleiben muss. Bis 1999 arbeitete die pharmazeutisch-technische Assistentin im Bundesinstitut für Arzneimittel- und Medizinprodukte. Als das Institut im Tausch mit der Bundesregierung nach Bonn zog, entschied sie, lieber beruflich als geografisch etwas Neues zu wagen. "Berlin ist mein Zuhause", sagt die Niedersächsin, die es als 20-Jährige nach West-Berlin zog, "und wo man Zuhause ist, sollte man bleiben." Sie bewarb sich beim Bundestag und wurde übernommen. Erst betreute sie die Fortbildung der Mitarbeiter von Abgeordneten, dann südost- und osteuropäische Uni-Absolventen im Rahmen eines Stipendienprogramms. Seit 2003 ist Cordula Klinger bei der Kinderkommission - und freut sich: "Ich habe mir immer gewünscht, eine Stelle im Ausschuss zu haben", sagt sie. "Nah am Geschehen zu sein und die Diskussion der Abgeordneten mitverfolgen zu können, ist etwas, was die Arbeit in diesem Bereich auszeichnet."