LEBENSMITTEL
Nach Milch und Butter könnten bald auch Brot und Fleisch teurer werden
Wenn in Mexiko der Mais und damit die Tortilla teurer wird, protestieren Hunderttausende. In Deutschland lösen dagegen höchstens steigende Energiepreise Bedrohungsgefühle aus. Die jüngsten Preiserhöhungen für Milchprodukte kamen für viele überraschend. Im europäischen Vergleich steht Deutschland aber auch mit den höheren Preisen noch gut da.
Unter den 15 Staaten der "alten" EU rangiert Deutschland nach Erhebungen des EU-Statistikamtes Eurostat mit seinen Lebensmittelpreisen auf dem fünftbesten Platz. Billiger kann man sich nur noch in den Niederlanden, Spanien, Portugal und Griechenland ernähren. Die Deutschen geben im Schnitt nur 11,5 Prozent ihrer Konsumausgaben für Lebensmittel aus. Gerade Milchprodukte waren hier bislang relativ günstig. Eine breite Empörungswelle lösten die höheren Preise daher noch nicht aus.
Nach einer moderaten Erhöhung der Milchpreise im Juni ist in den vergangenen Tagen vor allem Butter deutlich teurer geworden. Der Preis für das 250-Gramm-Päckchen erhöhte sich um mindestens 40 Cent auf 1,19 Euro. Dafür gibt es nach Ansicht von Erhard Richartz von der Zentralen Markt- und Preisberichtstelle für Erzeugnisse der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft (ZMP) vor allem zwei Gründe. Zum einen seien die Interventionsbestände dank hoher internationaler Nachfrage vor allem aus Asien aufgebraucht. "China ist als Milchland aufgestiegen. Die Chinesen sind weltweit schon die Nummer drei in der Milcherzeugung, aber China bekommt auch als Importland eine immer größere Bedeutung", sagt der Milchexperte. Der Verbrauch des Riesenreiches wird schon deshalb weiter wachsen, weil sein Ministerpräsident Wen Jiabao öffentlich das Ziel verkündet hat, jedes Kind pro Tag mit einem halben Liter Milch zu versorgen.
Einen weiteren Grund für den Preisanstieg der Butter sieht Richartz in dem geringeren Fettgehalt der Milch. Der führe dazu, dass immer mehr Milch für die Produktion von Butter gebraucht werde: "Die Bauern verfüttern nicht mehr so viel fetthaltiges Getreide, weil das Futter teurer geworden ist. Es ist teurer geworden, weil viele Bauern lieber Mais als Bio-Energie verkaufen." Dass die Preise gerade jetzt im Sommer erhöht werden hat nach Richartz einen formalen Grund. Die Lieferverträge zwischen Molkereien und dem Handel waren abgelaufen und wurden neu verhandelt.
In der Politik stießen die jüngsten Preiserhöhungen auf Empörung. Die Vorsitzende des Bundestags-Agrarausschusses, die Grünen-Politikerin Ulrike Höfken, sprach sogar von "Abzocke" und will nach der Sommerpause eine Anhörung im Ausschuss ansetzen. Auch Landwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) kritisierte die Preiserhöhungen, für deren Höhe er vor allem die Handelsunternehmen verantwortlich machte. Eine Sprecherin des Bundeskartellamts sagte, die Preisanhebungen würden geprüft. Es gebe aber noch kein formelles Verfahren.
Von Seiten der Verbraucher kamen indes statt Schuldzuweisungen eher moderate Töne. Waltraud Fesser von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz bemängelte vor allem die mangelnde Transparenz der Preisgestaltung. "Niemand weiß genau, was geht an den Handel, was an die Molkereien, was kostet die Verpackung." Von Abzocke will sie nicht reden: "Die Gewinnmargen sind in dem Geschäft nicht sehr groß." Im Übrigen sei der jüngste Preisanstieg vorhersehbar gewesen, weil sich die Blockbutter für die Industrie schon vor Monaten verteuert habe.
Für die Verbraucherschützer ist der Preisanstieg bei Butter erst der Beginn einer Verteuerung von Lebensmitteln auf breiter Basis. "Das ist die Spitze des Eisberges. Das gewohnt niedrige Niveau der Lebensmittelpreise wird nicht zu halten sein", ist Fesser überzeugt.
Bauernverbandspräsident Gerd Sonnleitner forderte bereits höhere Preise für Fleisch, und die Bäcker kündigten Preisanhebungen für Brot an. Die Begründung in beiden Fällen: gestiegene Getreidepreise. Die wiederum sind eine Folge der weltweit steigenden Nachfrage nach Fleisch, vor allem in China, Indien und Russland. Hinzu kommt eine Verknappung der Futtermittel aufgrund von Dürren und Missernten, etwa in Australien. Aber auch die Umorientierung vieler Landwirte zu "Energie-Bauern" trägt zur Verknappung der Futterrohstoffe und damit zu einer Verteuerung der Lebensmittel bei. "Eines Tages werden wir in einer ökologisch einwandfrei geheizten Wohnung vor einem leeren Teller sitzen", prophezeit Milchexperte Richartz.