AKTION GEMEINSINN
Bürgerinitiative wird 50 Jahre alt
In den 70er-Jahren war die Welt noch schwarz und weiß. Ein schwarzer Mülleimer, aus dem Essensreste auf weißes Papier quollen, darüber in dicken, schwarzen Buchstaben die Worte "Tu etwas". Heute sind die Plakat-Kampagnen der "Aktion Gemeinsinn" bunter und aufwändiger. Doch stets appellieren sie an das Verantwortungsbewusstsein der Bürger und rufen auf zum Engagement für die Mitmenschen. In diesen Tagen feiert die nach eigenen Angaben älteste Bürgerinitiative Deutschlands ihren 50. Geburtstag.
"Überlass' nicht alles dem Staat, tu' auch mal selber was" - das war damals nicht so selbstverständlich. "Als die Aktion Gemeinsinn 1957 gegründet wurde, kannten sich die Bundesbürger mit gesellschaftlichem Engagement noch nicht so gut aus wie heute", sagt Cornelie Sonntag-Wolgast (SPD), ehemalige Parlamentarische Staatssekretärin im Innenministerium und eine der beiden Vorsitzenden der Initiative. Das Gründungsvorbild war der "National Advertising Council" in den USA, eine gemeinnützige Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Gesellschaft durch Medienkampagnen auf große Themen wie Ausbildung oder Gesundheitsprävention aufmerksam zu machen.
Ein Professor, fünf Medienvertreter und der Leiter der Evangelischen Akademie in Bad Boll waren es, die sich dazu entschlossen, eine solche Initiative auch in Deutschland zu starten. Eine der ersten Kampagnen: Ein Aufruf zu Weihnachten, ausländische Studenten zu sich nach Hause einzuladen. Auch heute noch werben sie für mehr Verständnis zwischen den Menschen. Im vergangenen Jahr organisierten sie eine Tagung, in der es um den möglichen Beitrag bürgerlichen Engagements zur Integration von Ausländern ging. "Es geht nie darum, den Staat zu fordern. Eher sollen zum Beispiel Nachbarn Migrantenkindern Nachhilfe anbieten", so Sonntag-Wolgast. Schon 1960 hatte die Initiative zu Freiwilligendiensten in Krankenhäusern aufgerufen. Daraus sind dann die Besuchsdienste der so genannten ,Grünen Damen' entstanden". Nach der Wiedervereinigung setzten die Mitglieder einen Schwerpunkt auf die deutsch-deutsche Verständigung. Auch die beiden Vorsitzenden, seit anderthalb Jahren in Amt, repräsentieren Ost- und Westdeutschland: Sonntag-Wolgast kommt aus Hamburg, die SPD-Bundestagsabgeordnete Christel Riemann-Hanewinkel aus Halle. Zuletzt war es eine Kampagne zur Patientenverfügung, mit der die Aktion in die Öffentlichkeit ging. "Die Menschen sollen wissen, wie wichtig das Thema ist", so Sonntag-Wolgast.
Inzwischen hat die Aktion Gemeinsinn rund 130 Mitglieder, berichtet Riemann-Hanewinckel. Seit sie nach der Wende in den Bundestag eingezogen sei, habe sie immer wieder von der Aktion gehört. "Die haben zwar keine konkreten Projekte vor Ort. Aber ich habe mich in meinem Wahlkreis in so vielen Vereinen engagiert, dass ich sie immer wieder getroffen habe", so Riemann-Hanewinkel. Unter den Mitgliedern sind viele Politiker, Bundestagsabgeordnete, aber auch Landespolitiker wie der ehemalige Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Erwin Teufel (CDU).
Schirmherr ist Bundespräsident Horst Köhler. Zu den Politikern kommen Verleger, Journalisten, Kirchenvertreter und Unternehmer. Alle arbeiten ehrenamtlich. Das Geld für die Kampagnen, die Tagungen und die Publikationen kommt durch Spenden zusammen. Die Medien spielen dabei eine herausragende Rolle. "Verlage veröffentlichen unsere Anzeigen kostenlos, als Beitrag zur Kampagne", erläutert Cornelie Sonntag-Wolgast. Eine Werbeagentur entwickelte unentgeltlich das Konzept. Alles für den Gemeinsinn.