KANTHER-PROZESS
Absprache zwischen allen Beteiligten hat Verfahren zu einem überraschend schnellen Ende geführt
Sieben Jahre nach Beginn des CDU-Schwarzgeldskandals hat das Landgericht Wiesbaden am 27. September einen juristischen Schlussstrich unter die Affäre gezogen. Wegen gemeinschaftlicher Untreue verurteilte es in der zweiten Auflage des Verfahrens Ex-Innenminister Manfred Kanther zu einer Geldstrafe von 54.000 Euro. Der ehemalige Steuerberater der CDU, Horst Weyrauch, wurde wegen Beihilfe zur Untreue zu einer Geldstrafe von 45.000 Euro verurteilt.
Kanthers Gefecht um Freispruch und Reputation ist zu Ende. Mit versteinerter Miene folgt der einstige Frontmann des konservativen CDU-Flügels die knapp halbstündige Urteilsbegründung. 20,8 Millionen Mark hatten Kanther und Prinz Wittgenstein Ende 1983 im Zuge der Flickaffäre auf ein schwarzes Konto in der Schweiz transferiert, um es dem Zugriff des Staates zu entziehen.
Das Schweizer Geld habe, so die Vorsitzende Richterin Ingeborg Bäumer-Kurandt, etwa dem Fünffachen des damaligen Haushalts der Hessen-CDU entsprochen. Das Geld wurde von Weyrauch verwaltet. Der Steuerberater kümmerte sich auch um dessen verschleierte Rückführung an die Landespartei: Auf offizielle und geheime Konten und in eine schwarze Kasse der CDU-Landesgeschäftsstelle.
Erst im Jahr 2000 machte Kanther unter dem Druck der Öffentlichkeit die abenteuerlichen Transaktionen publik. Sein Geständnis verursachte seinerzeit nicht nur ein politisches Erdbeben und einen riesigen Imageschaden für die CDU. Die Partei musste auch finanziell bluten. Weil die geheime Kriegskasse in den Rechenschaftsberichten der Christdemokraten nicht auftauchte, mussten sie 21,1 Millionen Euro aus der staatlichen Parteienfinanzierung an den Bundestagspräsidenten zurückzahlen. Durch die Bildung der schwarzen Kassen sei das Vermögen der CDU gefährdet worden, betont Bäumer-Kurandt. Kanther und Weyrauch hätten ihre Pflicht verletzt, ein fremdes Vermögen zu wahren. "Die Angeklagten wollten sich selbst nicht bereichern und haben das auch nicht getan", räumte die Richterin zwar ein. Um was für Dimensionen es in diesem Untreueprozess ging, machte sie allerdings ebenfalls deutlich. Der maximale Strafrahmen hätte im vorliegenden Fall eine Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten sein können. Kanthers bislang untadeliger Lebenswandel, sein "vermeintliches" Parteiinteresse und die lange Verfahrensdauer machten die Wiesbadener Richter strafmildernd geltend.
Im April 2005 waren Kanther und Weyrauch bereits zum ersten Mal wegen ihrer Verstrickung in die Schwarzgeldaffäre verurteilt worden, Kanther zu einer anderthalbjährigen Haftstrafe auf Bewährung und einer Bewährungsauflage von 25.000 Euro; Weyrauch zu einer Geldstrafe von 61.200 Euro. Die beiden Angeklagten zogen vor den Bundesgerichtshof, der das Urteil im Oktober vorigen Jahres aber nur zum Teil aufhob und das Verfahren zurück an das Wiesbadener Landgericht überwies. Eine Verfahrensabsprache, der alle Beteiligten zugestimmt haben, hat nunmehr ein überraschend schnelles Ende dieses zweiten Prozesses möglich gemacht.
Obwohl glimpflich davon gekommen, kann Kanther an seinem Handeln nichts Strafbares erkennen. Seine Sicht der Dinge, die er nach Prozessende noch einmal bekräftigte: "Das war ein politischer Fehler, für den ich die volle Verantwortung übernommen habe", erklärte der 68-jährige. "Dazu stehe ich auch heute."