Immer die Ruhe bewahren und nicht aus der Fassung bringen lassen. Sybille Koch scheint das im Naturell zu liegen. Entspannt sitzt die Protokollchefin des Deutschen Bundestages in ihrem Büro und erzählt von ihrer Arbeit. Sie und ihr zwölfköpfiges Team sind dafür verantwortlich, dass ausländische Gäste des Parlaments in Berlin nach allen Regeln des Protokolls empfangen und betreut werden. Wenn der Präsident des Deutschen Bundestages den hohen Besuch begrüßt, liegen hinter Sybille Koch und ihren Mitarbeitern meist Wochen der Vorbereitung: In enger Abstimmung mit der Botschaft des jeweiligen Landes gilt es viele Fragen zu klären: Wo werden die Gäste untergebracht, was essen sie besonders gerne, mit wem möchten sie sprechen, wie lassen sich die Termine koordinieren? Wagenkolonnen, Sicherheitsauflagen, Dolmetscher, Checklisten. "Und dann muss alles auf den Punkt klappen", sagt die Referatsleiterin. "Ich bin die Dirigentin und habe mein Orchester, aber wir haben für das Konzert keine Generalprobe."
Einer ihrer typischen Arbeitsorte ist das Ostportal des Reichstags. Dort fahren die Wagenkolonnen mit den Gästen vor und werden vom Bundestagspräsidenten empfangen: An seiner Seite dirigiert Sybille Koch dann fast unbemerkt die Abläufe. Das Handy ist dabei ein unverzichtbares Utensil. "Ich weiß gar nicht, wie meine Vorgänger ohne eines gearbeitet haben", sagt sie. Ihr Ziel ist es, eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich alle wohlfühlen und die Verständnis füreinander schafft. "Das ist wesentlich für den Inhalt der Gespräche", weiß sie. Und so soll ein Besuch keinesfalls im Protokoll ersticken. Er muss menschlich bleiben.
Und dennoch - alles muss reibungslos funktionieren. Und wenn nicht? "Das kann schon mal vorkommen, dann muss man eben improvisieren können", erzählt die Protokollchefin und lacht. Wie in dem Fall eines ausländischen Parlamentspräsidenten, dessen Koffer am Abend nach der Ankunft nicht auffindbar waren. Der erste offizielle Termin rückte näher. Sybille Koch machte nach Feierabend den Manager eines großen Bekleidungshauses ausfindig, teilte ihm Größe und Kragenweite des Gastes mit und empfing ihn kurze Zeit später mit einer Auswahl an Anzügen im Hotel. Problem gelöst. Amüsante Geschichten über "Staatsgäste" gibt es natürlich immer, wenn mitunter ganz menschliche Bedürfnisse oder Wünsche im Zeitplan nicht vorhersehbar sind. Allerdings darf selbst höchster Besuch des Bundestages streng protokollarisch nur als "Gast" bezeichnet werden: ",Staatsgäste' hat allein der Bundespräsident", erläutert die Juristin. Dabei erinnert sie sich an ein weiteres Erlebnis: Plötzlich fehlte der Wagen eines ausländischen Parlamentspräsidenten in der Kolonne, er hatte seinen Chauffeur vor einem exklusiven Schuhgeschäft anhalten lassen. Dort machte sie ihn dann ausfindig. Aber das sind Ausnahmen, nicht der Regelfall. Die Juristin weiß, wovon sie spricht. Denn obwohl sie das Protokoll erst seit Juli leitet, war sie dort bereits sechs Jahre als Referentin tätig. Ihr Team im Jakob-Kaiser-Haus bereitet im Übrigen nicht nur bilaterale Gespräche und offizielle Besuche vor, sondern auch Sonderveranstaltungen, wie den Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober. "Damit sind einige Mitarbeiter monatelang beschäftigt", sagt sie.
Wenn der Bundestagspräsident ins Ausland reist, ist die Protokollchefin ebenfalls dabei. Neben Englisch, Spanisch und Französisch auch Arabisch zu sprechen, ist für sie von großem Vorteil - es erleichtere einfach das Verständnis füreinander. Und wie schafft man eine entspannte Atmosphäre zwischen Gastgeber und Gästen? "Da braucht man schon ein gutes Bauchgefühl", sagt Koch, "ein Gespür für Zwischentöne und für die Bedürfnisse von Menschen aus anderen Kulturkreisen." Und, so betont sie: "eine grundhumanistische Prägung. Letztendlich ist jeder Gast in erster Linie ein Mensch und nicht nur ein Funktionsträger". Ihre Kindheit in Brüssel "in internationaler Atmosphäre" habe dafür eine wichtige Basis gelegt. Privat pendelt sie zwischen Berlin und Dortmund. Für Aufgaben auf höchster Ebene ist das ein guter Gegenpol: "Ein Wochenende im Ruhrgebiet erdet ungemein."