Als der Schauspieler Gert Fröbe in der Rolle des "Otto Normalverbrauchers" 1948 durch die Trümmerwüste irrte, war die deutsche Gesellschaft noch in Ordnung. Für viele Jahre ließ Konsum auf die Weltanschauung und das Verhalten der Bundesbürger auf ihre soziale Zugehörigkeit schließen. In den Augen des FAZ-Feuilletonisten Jürgen Kaube sieht das heute ganz anders aus. Otto Normalverbraucher ist tot, es lebe "Otto Normalabweicher". Die individuelle Ausnahme ist nach Kaubes Diagnose die gesellschaftliche Regel geworden. Sie wird nicht nur toleriert, sondern mitunter auch staatlich gefördert, wie er in seinen gesammelten Glossen, Artikeln und Essays zu beweisen sucht.
Obwohl ihm das in den teils programmatischen, teils polemischen Texten an Beispielen wie der Kulturförderung oder dem Kopftuchstreit gelingt, ist Skepsis angesagt. Vielleicht ist die vielbeschworene Individualität und Toleranz ja nur die Fassade einer Wohlstandsgesellschaft, die in schlechteren Zeiten wieder in alte Rollenmuster verfällt. Aber vielleicht gehört man mit dieser Meinung zu einer Minderheit. Schließlich wäre das nur normal.
Otto Normal- abweicher. Der Aufstieg der Minderheiten.
Zu Klampen Verlag, Springe 2007; 192 S., 16 ¤