TABAKKONZERNE
Ein Gerichtsverfahren hat ihre kriminellen Methoden offen gelegt
1999 veranlasste US-Präsident Bill Clinton bei einem Bundesgericht in Washington die Einleitung eines Zivilverfahrens gegen die Tabakkonzerne Philip Morris, R.J.Reynolds, British American Tobacco, Lorillard, Liggett sowie deren Gemeinschaftsgründungen Council for Tobacco Research und Tobacco Institute. Die US-Regierung hoffte, die vom Tabakkonzern ab 1954 durch illegale Manipulationen erzielten Gewinne in Höhe von 742 Milliarden Dollar abschöpfen zu können. Das misslang, denn das Gericht verurteilte im August 2006 die Beklagten lediglich zur Übernahme der Prozesskosten. Es stellte jedoch fest, dass die Beklagten jahrzehntelang die Öffentlichkeit getäuscht und die Gesundheit von Millionen von Menschen aufs Schwerste geschädigt hatten. Im Laufe der siebenjährigen Verhandlungen wurden Millionen Seiten an Dokumenten vorgelegt, 38 Anwälten seitens des Justizministeriums standen circa 300 Verteidiger der Tabakindustrie gegenüber.
Michael Adams, Direktor des Instituts für Recht und Wirtschaft an der Hamburger Universität und Gutachter in verschiedenen Ausschüssen des Deutschen Bundestags, hat Ablauf und Hintergründe dieses bisher größten und aufwändigsten Wirtschaftsprozesses in den USA minutiös durchleuchtet. Die Aussagen von acht der wichtigsten Zeugen, darunter zwei ehemalige Direktoren der Zigarettenkonzerne, sind in Auszügen so ausführlich dokumentiert wie die Urteilsbegründung und die den Beklagten zur Last gelegten kriminellen Handlungen.
Als besonders verwerflich sah es das Ge-richt an, dass den Beklagten seit langem bekannt und bewusst war, wie gesundheitsgefährdend und Sucht erzeugend Rauchen ist, dass die Konzerne bedenkenlos Kinder und Jugendliche zum Rauchen animierten und Milliarden Dollar in Marketingmaßnahmen steckten mit der Lüge, Rauchen sei harmlos. Die Tabakindustrie unterdrückte darüber hinaus ihr nicht genehme Forschungsergebnisse und veranlasste gegen fürstliche Bezahlung Wissenschaftler, den Standpunkt der Zigarettenindustrie wider besseres Wissen zu vertreten. Geradezu demagogisch war die Strategie des Kartells, Zigaretten als "leicht" und "superleicht" zu vermarkten, um dem Verbraucher zu suggerieren, diese Marken seien nikotin- und teerärmer. Tatsächlich waren diese Marken durch die Beimischung von Ammoniak, Menthol und einigen hundert weiteren Zusatzstoffen mindestens ebenso süchtig machend und gesundheitsabträglich wie normale Zigaretten.
Nach Abschluss des Verfahrens ist es der Tabakindustrie fortan untersagt, Markendetektoren wie "light", "mild" oder "teerarm" zu verwenden. Die Konzerne sind zudem verpflichtet, die Verbraucher über die gesundheitlichen Schädigungen beim Aktiv- und Passivrauchen aufzuklären, Geheimdokumente offenzulegen, die Archive zu öffnen und Websites für alle Unterlagen einzurichten, die im Prozess verwendet wurden.
Nach Einschätzung von Michael Adams ist dadurch ein erster wichtiger Schritt zur Eindämmung des "Geschäfts mit dem Tod" getan. Außerdem hält er es aber für notwen-dig, den Tabakproduzenten die Beifügung jeglicher Zusatzstoffe zu untersagen. Auch plädiert er für die Einführung einer Zusatz-steuer auf jede Zigarette, die an Kinder und Jugendliche verkauft wird, um zu erschwe-ren, dass Minderjährige frühzeitig zu "Ersatzrauchern" gemacht werden.
Wie sehr auch Deutschland zu einer "ver-rauchten Republik" geworden ist, veranschaulicht der Autor in einem Schlusskapitel mit erschreckenden Zahlen. Ohne den Prozess in den USA wäre es zu den bei uns erfolgten Rauchverboten in öffentlichen Einrichtungen und demnächst in Gaststätten wohl kaum gekommen. Weitere Einschränkungen werden folgen - dazu dürfte der Autor durch die sachliche und eindringliche Schilderung der kriminellen Methoden des Zigarettenkartells mit Sicherheit wichtige Vorlagen gegeben haben.
Das Geschäft mit dem Tod. Verlag Zweitausendeins, Frankfurt/M. 2007; 555 S., 29,90 ¤