In seiner Rede zum Tag der Deutschen Einheit hat Bundestagspräsident Norbert Lammert ein Freiheitsdenkmal in Berlin zur Erinnerung an die friedliche Revolution in der DDR gefordert. Was halten Sie davon?
Diese Einheit, diesmal ohne Krieg und Sieg, ohne Demütigung anderer Völker, eine Selbstbefreiung aus einer Diktatur ohne Hilfe des Kapitals oder irgendwelcher militärischer Mächte, das ist etwas Einmaliges, das verdient, ganz genau erinnert zu werden. Mit dem Ruf "Keine Gewalt. Wir sind das Volk" hat diese Revolution mit dem 9. Oktober 1989 ein Kerndatum hier in Leipzig. Mit den jahrelangen wöchentlichen Friedensgebeten und der Demonstration der 70.000, die den Durchbruch bedeutete, ist Leipzig der geeignete Ort für ein Freiheitsdenkmal.
Der Vorschlag lautet aber, das Denkmal in Berlin zu errichten. In der Bundeshauptstadt, so lautet ein Argument, würde es von den vielen Besuchern aus aller Welt wahrgenommen.
Berlin nun gerade nicht. Dass Berlin Bundeshauptstadt geworden ist, ist ja bereits Ausdruck des geeinten Deutschlands. Deshalb müssen nun nicht alle Denkmäler in Berlin stehen. Wer die Geschichte kennt, verbindet mit der friedlichen Revolution die Nikolaikirche in Leipzig. Dort ist der richtige Platz.
Können Sie den Vorwurf der Kleinkariertheit nachvollziehen?
Der Gedanke, man sollte froh sein, wenn es überhaupt ein Denkmal gibt, ist schon die kleinste Lösung. Die Revolution ohne Blutvergießen war ein ungeheuerlicher Vorgang und wenn je etwas die Bezeichnung Wunder verdient hat, dann das. In Leipzig strömte die ganze Republik zusammen, das waren nicht nur Leipziger.
Mit einem Denkmal erinnert man an Vergangenes - ist es damit getan?
Dass Geschichte in neuer Weise ins Bewusstsein kommt, wäre mir wichtig. Bislang haben wir ja nur diese unsäglichen Siegesdenkmäler, wo nur die Köpfe gewechselt wurden und sich jedes Mal die Sieger und neuen Herrscher verherrlichen. Wir haben jetzt schon mal eine neue Qualität im Gedenken an den 9. Oktober erreicht, da sind viele Impulse aufgebrochen, auch die Frage, den 9. Oktober als bundesweiten Gedenktag der Gewaltlosigkeit zu etablieren. Es ist wichtig, dass dieser einmalige Vorgang gebührend bedacht und genau erinnert wird.
Wie stellen Sie sich die Verwirklichung Ihres Anliegens vor?
Es gibt eine breite Diskussion in der Bevölkerung, das ist wichtig, weil wir ohnehin nicht allzu viele basisdemokratische Elemente hier haben. Jetzt muss man diesen Gedanken durch Befragungen erhärten. Es wäre lohnenswert, wenn der Bundestagspräsident das Gespräch mit mir oder anderen in Leipzig suchen würde, um in Ruhe und Ernsthaftigkeit einen solchen Vorschlag ausreifen zu lassen.
Die Fragen stellte
Astrid Pawassar.