KabinEttsumbildung
Der Ministerwechsel führt zu Stühlerücken in der SPD-Fraktion
So viel Einigkeit ist selten im Parlament: Fast alle Abgeordneten erhoben sich am 27. November von ihren Stühlen, um dem früheren Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) zu applaudieren. Der saß in der ersten Reihe neben SPD-Fraktionschef Peter Struck und wirkte ein wenig gerüht. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hatte noch einmal auf die von Müntefering geltend gemachten Rücktrittsgründe verwiesen - er will sich verstärkt um seine schwer erkrankte Frau kümmern. Dieser Schritt habe vielen Menschen imponiert, sagte Lammert, und gezeigt, dass es Dinge jenseits der Politik "gibt, die genauso wichtig sind und manchmal sogar noch wichtiger".
Kurz zuvor war Müntefering einer der ersten gewesen, der seinem Nachfolger Olaf Scholz nach dessen Vereidigung mit einem Strauß roter Blumen gratuliert hatten. Bei der Eidesformel verzichtete Scholz auf den Zusatz "so wahr mir Gott helfe" - bislang tat dies im aktuellen Kabinett nur Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD). Die Ernennungsurkunde hatte Scholz vergangene Woche von Bundespräsident Horst Köhler erhalten.
Der erste Ministerwechsel im schwarz-roten Kabinett führte in der SPD-Bundestagsfraktion zum Stühlerücken. Zum Nachfolger von Scholz als Erstem Parlamentarischen Geschäftsführer wählten die Abgeordneten Thomas Oppermann. Der Parlamentarier aus Göttingen war bislang Obmann seiner Fraktion im BND-Untersuchungsausschuss. Diese Funktion übernimmt nun Michael Hartmann aus Mainz. Außerdem wurde die stellvertretende SPD-Vorsitzende Andrea Nahles zur Sprecherin der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales bestimmt. Sie folgt auf Klaus Brandner, der künftig als Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium wirkt.
Scholz machte am 29. November in seiner ersten Bundestagsrede in neuer Funktion deutlich, dass er "nahtlos" an die Politik seines Vorgängers anknüpfen könne. Auch einen Erfolg präsentierte er gleich. Für die zum Jahresende auslaufende 58er-Regelung kündigte er eine Nachfolgelösung an, mit der verhindert wird, dass ältere Langzeitarbeitslose zur Frühverrentung gezwungen werden. Bis zum 63. Lebensjahr sollen sie Arbeitslosengeld II beziehen dürfen. Hier sei ein "vernünftiger, leiser Fortschritt" erzielt worden, so Scholz.