GENERALDEBATTE
Koalition und Opposition ziehen gegensätzliche Halbzeitbilanz
Unterschiedlicher können die Meinungen zur Halbzeitbilanz der großen Koalition nicht ausfallen. Während Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine überaus positive Bilanz ihrer zweijährigen Amtszeit zieht, ist die Opposition anderer Meinung: Die letzten zwei Jahre waren ein "Totalausfall", die Koalition ist am Ende.
Dies wurde am 28. November deutlich bei der Generalaussprache zum Haushalt 2008, der so genannten Elefantenrunde. "Deutschland konnte seine wirtschaftliche Leistungskraft wieder zurückgewinnen", lobte die Kanzlerin. Im vergangenen Jahr habe das Wirtschaftswachstum 2,9 Prozent betragen. Für 2007 würden 2,4 Prozent erwartet und für 2008 zwei Prozent. Die deutsche Wirtschaft ziehe die europäische Wirtschaft wieder nach vorne.
Für Merkel zeigt der Dreiklang "Reformieren, Sanieren, Investieren" die ersten Früchte des Erfolgs. "Die Politik dieser Bundesregierung wirkt", betonte sie. Dies heiße jedoch nicht, dass "wir uns auf irgendwelchen Lorbeeren ausruhen dürfen". Die Grundlagen des Aufschwungs müssten weiter gestärkt werden, um mehr Menschen eine Chance zu geben. Der Maßstab des Handelns der Bundesregierung sei, nur Maßnahmen zu beschließen, mit denen weitere Arbeitsplätze geschaffen würden, und alles zu unterlassen, was Arbeitsplätze gefährdet.
"Erstmals seit der Wiedervereinigung werden wir einen fast ausgeglichenen Haushalt erreichen", sagte Merkel voraus. Das Haushaltsdefizit habe sich inzwischen halbiert. Seit 2006 erfülle der Haushalt das so genannte Maast-richt-Kriterium der Europäischen Union. Danach darf die Neuverschuldung drei Prozent des Bruttoinlandprodukts nicht übersteigen. Trotzdem gebe es keinen Grund, beim Schuldenabbau nachzulassen.
Positives weiß die Kanzlerin auch vom Arbeitsmarkt zu berichten: Die Zahl der Arbeitslosen sinkt, es gibt wieder mehr Arbeitsplätze, die Sozialbeiträge sinken und die Rentenkassen sind wieder gefüllt. Deshalb stehe die Bundesregierung auch zur "Rente mit 67".
Im Bereich des Klimaschutzes habe Deutschland seine Hausaufgaben gemacht, sagte Merkel mit Blick auf die Weltklimakonferenz auf Bali in dieser Woche. Die Bundesregierung habe ihr Ziel auch erreicht, weil sie Nachhaltigkeit zum Leitfaden der Regierungspolitik gemacht habe.
Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Peter Ramsauer, und SPD-Fraktionschef Peter Struck unterstützten den Reformkurs der Koalition "voll und ganz" (Struck). In sieben Jahren Rot-Grün habe es keine so gute Bilanz gegeben, so Ramsauer.
Für die Opposition ist die Generaldebatte traditionell der Ort für die Generalabrechnung. So ist die große Koalition für den FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle völlig zerrüttet: "Jeder Zuschauer weiß: Ihr hasst Euch wie die Pest", sagte er. Merkel und Struck hätten in ihren Reden das hohe Lied des Erfolges gesungen. Dies sei aber nur Kulisse. "Regierung schlägt sich, Regierung verträgt sich." Westerwelle warf der Koalition die größte Steuererhöhung in der Geschichte der Bundesrepublik vor. "Das ist doch keine faire Politik. Sie nehmen den Bürgern vom Hof das Schwein, geben das Kotelett zurück und sagen, nun seid mal schön zufrieden."
Weiter warf er der Kanzlerin vor, dass sie nicht über die Kinderarmut gesprochen habe, die sich in Deutschland verdoppelt habe. Zudem liege die Preissteigerung aktuell bei drei Prozent. "Inflation ist unsozial", betonte er.
Auch für die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Renate Künast, ist die Regierungspolitik ein "Totalausfall". Die Koalition wolle bis 2009 irgendwie aushalten. "Sie macht nur weiter so und durchwurschteln", so Künast. Sie warf der Kanzlerin "sozialen und ökologischen Wortbruch" vor. Dies gelte vor allem für den Klimaschutz. "Die Kanzlerin kreiert sich als Klima-Queen", am Ende gehe es aber nur um die Kosten für die Wirtschaft. "Sie sind keine Reformkanzlerin", erklärte Künast mit Blick auf Merkel.
Für Gregor Gysi, Vorsitzender der Linksfraktion, macht die Koalition eine Politik der sozialen Ungerechtigkeit. Der Aufschwung sei eben noch nicht bei den Menschen angekommen, im Gegensatz zu der Aussage der Bundeskanzlerin. So hätten etwa die Rentner bei einer Inflation von drei Prozent eine Rentensteigerung von 0,5 Prozent gehabt. "Das macht ein Minus von 2,5 Prozent. Na, die sind aber begeistert von Ihrem Aufschwung", sagte Gysi. Während zehn Prozent der Bevölkerung in Deutschland zwei Drittel des Vermögens besitzen würden, verfügten zwei Drittel der Bevölkerung über kein Vermögen. "Wir sind weiter entfernt von sozialer Gerechtigkeit als zu Beginn der Koalition."