Die Geschichte Europas ist durch das Judentum geprägt. Vom Mittelalter über die Frühe Neuzeit bis in das 20. Jahrhundert hinein lebten in Europa die meisten Juden. Sie haben Entscheidendes zur europäischen Kultur und zum Zeitalter der Aufklärung beigetragen. Ab dem Ende des 18. Jahrhunderts erlangten die Juden zunächst im napoleonischen Frankreich, dann auch in den anderen europäischen Ländern ihre Emanzipation. Die Unabhängigkeit der Staatsbürgerrechte vom konfessionellen Bekenntnis griff von Frankreich auf die meisten europäischen Länder über.
Auch in Deutschland führte die schrittweise Assimilation der Juden Mitte des 19. Jahrhunderts zur rechtlichen Gleichstellung. Antisemitische Ausschreitungen und Pogrome schienen der Vergangenheit anzugehören. Und doch entwickelte sich zur selben Zeit ein neuer Antisemitismus, nach dem die Juden als zur Assimilation unfähige "Rasse" galten. Das nationalsozialistische Deutschland erhob die rassistische Entrechtung der jüdischen Bürgerinnen und Bürger zum Gesetz; dem Völkermord fielen zwei Drittel der europäischen Juden zum Opfer. Nach dem Zivilisationsbruch des Holocaust schien eine Zukunft des Judentums in Europa unvorstellbar. Zehntausende Überlebende wanderten in den neuen Staat Israel aus.
Heute gibt es nicht nur in Deutschland und Italien eine erfreuliche Renaissance jüdischen Lebens. Die jüdische Gemeinschaft in Deutschland ist die am schnellsten wachsende der Welt. Das liegt vor allem an der fortdauernden Einwanderung aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Neue Gemeindezentren und Synagogen werden errichtet. Doch solange diese weiterhin besonderen polizeilichen Schutzes bedürfen, kann von einer Normalität im Alltag kaum die Rede sein.