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Die Dumawahl hat der Einheitspartei einen Erdrutschsieg beschert. Überrascht hat es niemanden.
Bis zum letzten Tag instrumentalisierte Präsident Wladimir Putin seinen Amtsbonus, um der Partei "Einheitliches Russland" einen möglichst hohen Wahlsieg zu verschaffen. Der Wahlkampf war generalstabsmäßig durchorganisiert: Präsident Putin höchstpersönlich bearbeitete alle Schichten des Elektorats, sei es mit "Arbeitsbesuchen" oder Reden. Den Soldaten, der Miliz, den Mitarbeitern des Innenministeriums und der Geheimdienste, den Beschäftigten in der Rüstungsindustrie und im Ministerium für Katastrophenschutz versprach er hunderttausende neue Wohnungen. Er kündigte auch Gehaltserhöhungen und steigende Renten an. Wahlgeschenke für immerhin 23 Millionen Wähler.
Drei Tage vor dem Urnengang stattete Putin dem Präsidium der Akademie der Wissenschaften einen Besuch ab und führte vor laufenden Kameras einen "ehrlichen und direkten" Dialog mit den Wissenschaftlern. Dabei betonte er, dass während seiner Präsidentschaft die Grundlagenforschung wichtige Finanzspritzen erhalten habe und er plane, die Mittel zu verdoppeln.
Neben den Wissenschaftlern und Lehrern sind auch die Beschäftigten des militärisch-industriellen Komplexes mit Putins Politik zufrieden: Denn seitdem der frühere KGB-Offizier im Kreml regiert, profitiert auch Otto Normalverbraucher vom Rohstoffreichtum des Landes, allein schon, weil die Gehälter regelmäßig ausgezahlt werden.
Natürlich versäumte Putin nicht, bei jeder Gelegenheit sich selbst als Retter Russlands zu loben. Die Schulden habe er nahezu getilgt, gleichzeitig habe er einen staatlichen Devisenfonds von 150 Milliarden US-Dollar geschaffen; Russland sei wieder ein allseits respektiertes Mitglied der internatonalen Staatengemeinschaft.
Putins Entscheidung, mit seinem Namen für den Sieg einer Staatspartei zu werben, deutet darauf hin, dass er sich ihrer Unterstützung bedienen will, um später die Macht erneut an sich zu reißen. Gleichzeitig signalisiert er der politischen Klasse nachdrücklich, dass nur er, Wladimir Putin, diese Erfolge dauerhaft sichern kann, zumal er sich auf das Volk stützt.
Die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten und der USA kritisierten die Parlamentswahl vom 2. Dezember als weder demokratisch noch frei oder fair. Auch das russische Fernsehen berichtete über vielfache Unregelmäßigkeiten beim Urnengang. In einigen Orten hätten Fabrikdirektoren ihre Mitarbeiter gezwungen, wählen zu gehen. Danach mussten diese erzählen, für wen sie gestimmt hatten. "Hätten wir ein anderes Regime, hätte niemand darüber berichten dürfen", betonte selbstbewusst Boris Gryslow, Parlamentspräsident und Vorsitzender der Partei "Einheitliches Russland".
In Moskau meinte es das Wetter gut mit den Politikern: Die Sonne schien und trug so zur Volksfeststimmung bei. Elf Parteien waren zur Wahl zugelassen und kämpften um die 450 Sitze in der russischen Staatsduma. Als klarer Sieger ging erneut Wladimir Putin wie erwartet aus dem Rennen hervor und mit ihm seine Idee von Groß-Russland. Die konkurrierenden Parteien mussten erbittert um die wenigen Duma-Sitze kämpfen, die ihnen die regierende Kraft "Einheitliches Russland" übrig gelassen hatte.
Damit auch jedem klar war, was auf dem Spiel stand, hatte Putin den Wählern ein Ultimatum mit auf den Weg gegeben: Nur wenn seine Partei die Wahl überzeugend gewinnt, würde er das "moralische Recht" haben, weiter in der Politik zu bleiben. Die Botschaft kam an: Von den elf Parteien übersprangen nur vier die Sieben-Prozent-Hürde und können in die Staatsduma einziehen. Neben Putins Partei handelt es sich um die Kommunistische Partei Russlands, die Liberal-Demokraten des Nationalchauvinisten Wladimir Schirinowskij und die Partei "Gerechtes Russland" unter der Führung des Putin-Vertrauten aus Sankt Petersburger Zeiten, Sergej Mironow, der auch dem Föderalen Repräsentantenhaus (Senat) vorsteht.
Vor diesem Hintergrund werten die seriösen Politologen und Soziologen des Landes die Wahl klar als ein Referendum für den Verbleib Putins. Und genau auf dieses Ziel hatte die Staatspropaganda von Anfang an hingearbeitet. Der renommierte Politologe Wjatscheslaw Nikonow betonte, dass es bei dem Urnengang "um die politische Zukunft Putins ging". Tatsächlich habe es sich um ein Vertrauensvotum wie bei der Präsidentschaftswahl gehandelt. "Putin hat gerufen und das Volk kam", erklärte einer seiner Anhänger im russischen Fernsehen.
Die beiden Kreml-Parteien - "Einheitliches Russland" bekam gut 64 und "Gerechtes Russland" acht Prozent - erhielten zusammen über 72 Prozent der Stimmen. Putins Erdrutschsieg war geglückt. Bereits bei der Präsidentschaftswahl 2004 hatte er ein ähnliches Ergebnis erzielt. Der Einzug der neuen, sozialistischen Partei "Gerechtes Russland" in die Staatsduma rundete Putins Sieg ab. Umso mehr ärgerten sich die Kommunisten, weil ihnen "diese Partei viele Wählerstimmen weggeschnappt hat", betonte der Soziologe Valerij Födorow. Sie sind als einzige Oppositionspartei mit nur noch elf Prozent in der Duma vertreten. "Die Kommunisten können nichts anderes als Lieder aus der Zeit des Bürgerkrieges singen", versicherte ein russischer Wahlbeobachter. Und Professor Leonid Poljakow fügte hinzu: "Je weiter die Sowjetunion zurückliegt, desto weniger werden die Kommunisten gewählt."
Putin hatte auch deswegen ein leichtes Spiel, weil die Opposition zerstritten ist. Die Anführer der "Union der rechten Kräfte" (Belych, Nemzow) und die von "Jabloko" (Jawlinskij) wollten kein Wahlbündnis bilden und haben ihre persönlichen Konflikte medienwirksam ausgetragen. Das irritierte ihre Wähler, die aus bildungsstarken Schichten kommen. Das "Andere Russland" wiederum kämpfte zusammen mit den nationalistischen Neo-Bolschewiken von Eduard Limonow, deren kommunistische Ziele die Intelektuellen ablehnen.
Der Sieg Putins wird für die USA und die NATO Folgen haben: Russland wird künftig im Rahmen sicherheitspolitischer Debatten noch lauter auf seine nationalen Interessen pochen. Auch das gehört zu "Putins Plan", mit dem er seinen Nachfolger schon vorab auf seinen groß-russischen Kurs verpflichten will.