Ist nach der Parteitagsentscheidung der Weg für ein neues Stammzellgesetz vorbestimmt?
Wir haben auf dem Parteitag nicht explizit gegen eine Stichtagsverschiebung votiert, aber auch nicht dafür. Stattdessen gab es die Empfehlung an die Bundestagsfraktion, dass die Tötung menschlicher embryonaler Stammzellen mit dem christlichen Menschenbild und den Vorgaben des Grundgesetzes unvereinbar ist.
Das lässt viel Raum für Interpretationen. Wie sehen Sie das Votum?
Dass wir den Stichtag nicht verschieben dürfen, denn von einer Verschiebung wird ein Anreiz zur Embryonentötung ausgehen, auch wenn er in der Vergangenheit liegt. Denn wer den Stichtag einmal verschiebt, wird keinen Grund haben, ihn nicht immer wieder zu verschieben. Es ist eben eine Frage der Zeit, bis ein zukünftiges Datum Vergangenheit wird und zum neuen Stichtag werden kann. Das kommt einer ethischen Wanderdüne gleich.
Aber viele der Stammzellen aus der Zeit vor dem Stichtag gelten heute als nur noch eingeschränkt verwendbar...
Das ist wenig überzeugend. In Deutschland sind über 20 Forschungsvorhaben mit genau diesen Zellen beantragt und genehmigt worden. Sollten die dabei verwendeten Zellen für die Forschung tatsächlich so schlecht sein, dann wird entweder gutes Geld für unbrauchbare For-schung aufgewendet oder diese Zellen sind doch besser als zugegeben. Auch die Argumentation, die adulte Stammzellforschung bedarf der Vergleiche mit der embryonalen, ist für eine Stichtagsverschiebung nicht schlüssig: Schließlich wurde die jüngst bekannt gewordene Reprogrammierung adulter Zellen möglich, obwohl embryonale Stammzellen aus den 90er-Jahren zum Vergleich herangezogen wurden. So oder so, das ethische Dilemma bleibt bestehen! Denn nicht die Forschung mit embryonalen Stammzellen ist das Problem, sondern ihre Gewinnung. Embryonen werden gezüchtet, um sie zu töten und um aus ihnen Stammzellen zu gewinnen.
Befürworter argumentieren, dass Millionen Menschen mit schweren Krankheiten große Hoffnungen auf die embryonale Stammzellforschung setzen.
Die Sehnsucht kann ich gut verstehen. Aber wer Hilfe verspricht, muss sie auch bieten können. Auch nach neun Jahren weltweiter Forschung mit Millionenbeträgen gibt es keinen Beleg, dass embryonale Stammzellen therapeutisch einsetzbar sind. Im Gegenteil, sie besitzen ein extremes Tumorrisiko.
Welche Initiativen erwarten Sie aus dem Parlament?
Ich gehe von drei Gruppenanträgen aus. In unserer Fraktion wird es keine Abstimmung dazu geben. Jeder muss seinem Gewissen folgen. Dabei sollte jedoch keiner dem anderen vorwerfen, er sei kein Lebensschützer.
Die Fragen stellte
Annette Sach.