mag sein, dass für eine Frau, die in einem anatolischen Dorf aufgewachsen ist und es nicht anders kennt, keine Feindseligkeit mit dem Tragen des Kopftuches verbunden ist, sondern einfach das Gefühl, vollständig angezogen zu sein. Trotzdem ist es auch in ihrem Fall eine praktizierte Abgrenzung von der deutschen Gesellschaft.
Eine Studie der Adenauer-Stiftung - deren empirische Basis zweifelhaft ist, weil sie zu viele Akademikerinnen enthält, um repräsentativ für türkischstämmige Frauen zu sein - findet sogar unter dieser gebildeten Klientel 30 Prozent, die glauben, dass die Menschheit nicht gleich vor Gott sei.
Und geht es den jungen Mädchen, die mit kajalumrandeten Augen in die Welt schauen, tatsächlich nur um Keuschheitsbezeugungen? In Wahrheit geht es um etwas, das im amerikanischen Collegejargon "prick teasing" heißt und das sich - jugendfrei -mit "wasch mich, aber mach mir den Pelz nicht nass" übersetzen lässt. Die Koketterie besteht darin, zu signalisieren, dass die Männer nicht anders könnten, als zum Tier zu werden, wenn man einmal zeigt, was man so alles hat. Bei der Gelegenheit signalisiert man deutschen Altersgenossinnen gleichzeitig, dass man sie für Nutten hält.
Eine Schlüsselszene in Fatih Akins Film "Gegen die Wand" zeigt, wie Freunde des Hauptdarstellers diesen auffordern, sie ins Bordell zu begleiten. Alles gäbe es da: Russinnen, Holländerinnen, Französinnen. Als er fragt, warum sie sich nicht an ihre eigenen Frauen hielten, sind sie empört: "Was hast du gesagt? Meine Frau? Du Schwein!"
Es geht beim Gespräch über das Kopftuch nicht nur um die Frauen als Opfer der Patriarchen. Es geht auch um die, die es freiwillig tun. Warum sollte man ihnen nicht deutlich sagen, dass wir sie lieber offen in unserer Mitte hätten?