In einer Wohngemeinschaft kommt es immer wieder vor, dass ein Neuer einzieht. Er bekommt das kleinste Zimmer, man hört ihn kaum, so richtig kennen die Alteingesessenen ihn und sein Leben nicht. Der eine oder andere Mitbewohner wird vielleicht neugierig auf den fremden Menschen von nebenan; es ist eine oberflächliche Neugiersympathie. Irgendwann aber ist es mit dem Nebeneinander vorbei. Der Neue dreht die Musik im Zimmer lauter, und seine Haare im Bad nerven. Mit der Neugiersympathie ist es vorbei, wenn der Neue seinen Platz gefunden hat.
In der Deutschland-WG sind die muslimischen Zuwanderer die Neuen. Sie haben die kleinsten Zimmer bezogen, und lange sind sie kaum aufgefallen. Jetzt aber hört und sieht man sie, sie bauen Moscheen und wollen Religionsunterricht erteilen. Es gibt Streit ums Kopftuch, um Minaretthöhen, um die Auslegung des Korans. "Ihr seid nicht demokratiefähig", knurren die Alteingesessenen. "Ihr diskriminiert uns", schimpfen die Neuen. Man kann sich nicht mehr ignorieren; man kennt sich gut genug, um von den Nachteilen des Anderen genervt zu sein, aber doch nicht gut genug, um zu wissen, was man aneinander hat.
Ohne diesen Streit werden die Muslime ihren Platz im Land nicht finden. Sie müssen ihre Moscheen bauen, aber sich auch kritisch fragen lassen, was dort gepredigt wird. Sie müssen mitgestalten, dafür aber auch ihre Demokratiefähigkeit beweisen. Anders geht es nicht. Und die Mitbewohner sind zum Erfolg verdammt: Ausziehen kann keiner.