kongo
Ein Berufszentrum bildet Jugendliche aus - maßgeschneidert für die unsichere Nachkriegszeit
Der Zacari eilt von Bukavu bis nach Tansania der Ruf voraus, die Beste zu sein. Selbst von der MONUC, den Friedenstruppen der Vereinten Nationen im Kongo, und aus dem fernen Kenia kommen Gitarrenliebhaber nach Bukavu, um eine Zacari zu erstehen. In der kleinen Werkstatt im Industrieviertel der Provinzhauptstadt baumeln die blau und rot gestrichenen Gitarren mit dem Schriftzug ihres Meisters von der Decke.
Tabaro Zacari war der erste Ostkongolese, der E-Gitarren baute - nach dem Vorbild jener Modelle, die europäische Priester in die Kirchengemeinden gebracht hatten und deren Klänge die Jugendlichen in Scharen in die Kirchen zogen. Heute gibt er in der Werkstatt des Handwerker-Ausbildungszentrums CAPA (Centre d'Apprentissage Professionnel et Artisanal) diese Fertigkeit an seine Auszubildenden weiter. Der Musiker und seine Lehrlinge konstruieren Instrumente, die es in Qualität und Klang mit jedem europäischen oder US-amerikanischen Modell aufnehmen können. Die Preise liegen zwischen umgerechnet 20 und 600 Euro. Aber "für die teuren gibt es hier keine Kunden", erklärt Tabaro Zacari.
Denn das Leben in der Provinz Süd-Kivu ist von Armut und Unsicherheit geprägt. Sie sind die Folgen der Kriege im Kongo seit Mitte der 90er-Jahre, an denen unter anderem Truppen Ruandas beteiligt waren. Noch immer halten sich ruandische Hutu-Milizen, die Interahamwe, in den endlosen Wäldern des Ostkongos versteckt. Sie überfallen Dörfer und vergewaltigen und misshandeln Frauen - vom Säugling bis zur Greisin. Das können bisher weder die 3.000 in der Provinz stationierten Soldaten der Vereinten Nationen verhindern noch die neu organisierten Streitkräfte des Kongos (FARDC). Trotz der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im Kongo im vergangenen Jahr ist im Süd-Kivu kein Frieden eingekehrt. "Wir befinden uns irgendwo zwischen Krieg und Frieden", sagt Vital Banywesize Mukuza, Direktor des Ausbildungs- zentrums CAPA.
CAPA hat seine Berufsausbildung für Handwerker dieser Situation angepasst. Das Ausbildungszentrum, 1982 von der Baptistischen Kirche Zentralafrika (CBCA) in Bukavu gegründet, wird seit dreizehn Jahren vom Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) unterstützt. Es bietet Ausbildung und Qualifizierung in 13 Gewerken an - von Gitarrenbau über Seifensiederei und Ziegelherstellung bis zur KfZ-Mechanik. Die derzeit 420 Teilnehmenden werden in Betrieben in Bukavu und den umliegenden Dörfern oder in den CAPA-Werkstätten ausgebildet. "Unsere Maßnahmen sind sehr flexibel und für die Bedürfnisse der Teilnehmer und der Betriebe maßgeschneidert", erklärt Mukuza. Je nachdem dauern sie von einigen Monaten bis zu zwei Jahren.
Das war nicht immer so. Bis in die 1990er-Jahre hat das CAPA ausschließlich formalisierte dreijährige Ausbildungen zum Schreiner und KfZ-Mechaniker angeboten. Doch "wir mussten feststellen, dass wir am Bedarf des Marktes vorbei arbeiteten", erinnert sich Mukuza. "Die Absolventen fanden keine Arbeitsstellen." Diese Art der Berufsausbildung war der wirtschaftlichen und sozialen Lage im Ostkongo nicht angemessen. Die meisten Menschen leben dort von der Subsistenz-Landwirtschaft - sie erzeugen gerade, was ihre Familie verbraucht, und verkaufen nur wenige überschüssige Produkte auf den Märkten. Ihnen fehlt das Geld, um ihre Kinder zur Schule zu schicken. Das Schul- und Ausbildungssystem ist insbesondere auf dem Land weitgehend funktionsunfähig. Viele Kinder und Jugendliche - besonders die, die während des Krieges von Milizen rekrutiert worden waren - sind heute Analphabeten und arbeitslos.
Mit Unterstützung einer deutschen Beratungsagentur hat CAPA seine Ausbildungsarbeit an diese Bedingungen angepasst. Es bietet seitdem einzelne Qualifizierungsmodule mit speziellen Inhalten an, die je einzeln genutzt werden können. Die Kurse werden mit Dorf- oder Interessengruppen zusammen entwickelt und laufen aus, sobald die Nachfrage sinkt. "Die Menschen haben wenig Geld und wenig Zeit. Alles ist unsicher. Je kürzer die Ausbildung ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie beendet werden kann", erklärt Maria Baier-D'Orazio, die das Zentrum in der Umbruchzeit beraten und begleitet hat. Die Trainingsangebote sind gezielt auf die Erfordernisse des Kleinhandwerks ausgerichtet. Während in anderen Ländern die Beschäftigung im informellen Sektor meist nur eine Notlösung darstellt, ist dies im Kongo der einzige Bereich, in dem Geld verdient werden kann. Im Süd-Kivu gibt es außer einer Brauerei und einer Pharmafabrik keine Privatunternehmen. Die Behörden sind nahezu funktionsunfähig und zahlen nur unregelmäßig Gehälter.
Während des Krieges haben die Menschen Verdienstmöglichkeiten in Handel und Kleinhandwerk gesucht. "Handwerk und Gewerbe sind hier stabilisierende gesellschaftliche Elemente. Sie haben auch in Krisenzeiten die Ökonomie am Laufen gehalten", sagt Baier-D'Orazio. "So wurde ein Minimum an Einkommen erzielt, mit dem das Überleben der Familienmitglieder gesichert werden konnte." Unter diesen Bedingungen hat Baier-D'Orazio einen verstärkten Zulauf zu den Trainingsangeboten des CAPA festgestellt. "Unter den Auszubildenden sind viele Jugendliche mit einem guten Schulabschluss, die unter normalen Umständen nicht in diesen Bereich gegangen wären", erklärt sie.
Vital Mukuza ist optimistisch, dass das Handwerk einen wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung der Region leisten kann. "Im Handwerk schaffen sich die Menschen ihre Beschäftigung selbst. So entstehen Mikro-Unternehmen, aus denen dann richtige Unternehmen werden können", erklärt er. Die Devise lautet: "Ausrichtung am Bedarf des Marktes." Den lässt CAPA regelmäßig untersuchen. Vital Mukuza richtet dort Kurse ein, wo er eine Nachfrage feststellt, und sucht dafür qualifizierte Lehrer. So erfuhr er vor sieben Jahren, dass trotz des Krieges die Gitarren von Tabaro Zacari heiß begehrt waren. "Gerade die jungen Leute interessierten sich für Gitarrenmusik, deshalb wollten wir die Ausbildung zum Gitarrenbauer im Zentrum anbieten." Er lud den Handwerker ein, in einem Atelier unter dem Dach des CAPA fortan seine Gitarren zu bauen und für eine feste Prämie Jugendliche auszubilden.
In der Gitarrenwerkstatt fand Justin Murhula einen Arbeitsplatz und eine Zukunftsperspektive. Über ein Jahr ist es her, als er sich dort zum ersten Mal neugierig umsah. "Ich wusste sofort, dass es das war, was ich lernen wollte", erzählt der 20-Jährige. Seitdem hat ihn eine Begeisterung für das Gitarrenbauen und -spielen erfasst, die ihn zumindest tagsüber die letzten Jahre vergessen lässt. Fünf Jahre hatte er für wechselnde Kriegsherren gekämpft. Als die Rebellen in die kongolesischen Streitkräfte integriert wurden, brachte ein Demobilisierungsprogramm für Kindersoldaten Justin Murhula zum CAPA.
Zwanzig Lehrlinge hat Tabaro Zacari seither ausgebildet, doch Justin sei der beste. "Er ist sehr begabt und kann das, was ich erkläre, genau umsetzen", sagt der Gitarrenbau-Meister. Derzeit werden 122 ehemalige Kindersoldaten im CAPA ausgebildet. Eine intensive pädagogische und psychosoziale Betreuung von Lehrlingen und Ausbildern sei dabei selbstverständlich, erklärt Vital Mukuza, der in der Ausbildung ehemaliger Soldaten eine wichtige soziale Aufgabe sieht. "Die Ausbildung dieser Menschen fördert den Frieden", sagt der CAPA-Direktor, "denn so finden Männer und Frauen, die sich sonst vielleicht den Milizen anschließen würden, eine lukrative Beschäftigung."
Natürlich ist Justin eine Ausnahme, das weiß auch der Vital Mukuza. Der junge Mann verkauft seit dem Ende seiner einjährigen Ausbildung jeden Monat etwa acht Gitarren. Damit verdient er 120 Euro das -Zehnfache vom Sold eines Soldaten! - und schmiedet Pläne für die Zukunft: "Ich spare das Geld, um in meinem Dorf eine Gitarrenwerkstatt aufzumachen."
Vital Mukuza ist froh, dass Justin zunächst im Ausbildungszentrum weiterarbeitet, da er ein gutes Vorbild für die ehemaligen Soldaten abgibt. "Wenn er seine eigene Werkstatt eröffnen möchte, werden wir ihm keine Steine in den Weg legen", versichert der Direktor. Im Gegenteil: Damit die Jugendlichen nicht nur eine Ausbildung erhalten, sondern möglichst auch einen Arbeitsplatz finden, unterstützt das CAPA sie bei der Jobsuche - sei es über die Vermittlung in ein Praktikum, sei es mit Unterstützung beim Aufbau eigener Betriebe. 26 Absolventengruppen haben im vergangenen Jahr Kredite in Form von Werkzeughilfen erhalten. Die Nachkriegssituation bietet nach Meinung von Vital Mukuza dem lokalen Handwerk große Chancen. Nicht nur Kriegsgewinnler leisten sich Luxusgüter. Auch die Rückkehr der Hilfsorganisationen nach Bukavu hat die Kaufkraft einzelner Bevölkerungsgruppen steigen lassen. Und so hat der clevere Direktor ein weiteres Geschäftsfeld entdeckt: Seit kurzem rollen viele japanische Geländewagen durch die Straßen. Doch "unsere KfZ-Mechaniker kennen sich mit diesen Autos nicht aus und wissen nicht, wie man sie repariert", berichtet er. Deshalb hat Mukuza einen Fachmann aus der burundischen Hauptstadt Bujumbura eingeladen, in einer zweiwöchigen Fortbildung 160 KfZ-Mechanikern die Besonderheiten dieser japanischen Fahrzeuge zu erläutern.