Kirgistan
Pseudo-Wahl bestätigt die Macht Bakijews
Lange galt Kirgistan als eine demokratische Insel in dem an Despotien nicht armen Zentralasien. In keinem Staat zwischen Kaspischem Meer und chinesischer Grenze ist die Presse und die politische Landschaft so frei und vielfältig wie in dem Gebirgsstaat am Tien-Schan- und Pamirgebirge. Durch die Parlamentswahl am 16. Dezember hat das demokratische Image Kirgistans aber einen empfindlichen Dämpfer erhalten. Das Verdikt der Wahlbeobachtungskommission der Organisation für Zusammenarbeit und Sicherheit in Europa (OSZE) ist niederschmetternd. Viele demokratische Standards seien nicht eingehalten worden, heißt es im OSZE-Bericht; von "einem Rückschritt" und "verpassten Chancen" ist die Rede. "Der politische Pluralismus im Lande ist unterspült worden", sagte Kimmo Kiljunen, der OSZE-Koordinator. Der Finne, der die zweite Wahl in Kirgistan verfolgte, versuchte nicht das Entsetzen über ihren Verlauf zu verbergen; seine Einschätzung wird auch von den westlichen Diplomaten und Beobachtern in Kirgistan geteilt.
Nach den ersten Ergebnissen zog allein die Partei der Macht "Ak Schol" mit 48 Prozent der Stimmen ins Parlament ein. Bis auf die widerspenstigste Oppositionspartei "Ata Meken" hatte keine der anderen Parteien die Fünf-Prozent-Hürde überschritten, dennoch gelangte "Ata Meken" nicht ins Parlament. Ein Zusatz im Wahlgesetz sieht vor, dass jede Partei in allen Provinzen 0,5 Prozent der republikweiten Stimmen erhalten muss. An dieser Klippe scheiterte "Ata Meken". Später rechnete die zentrale Wahlkommission nochmals nach und hievte die Kommunistische Partei und die moderatere Sozialdemokratische Partei knapp über die Fünf-Prozent-Hürde. "Ata Meken" blieb aber draußen.
Der Präsident des kirgisischen Landes, Kurmanbek Bakijew, nutzte die vorgezogenen Parlamentswahlen, um die seit dem Machtumsturz in Kirgistan schwelende Krise endgültig zu seinen Gunsten zu entscheiden. In der so genannten "Tulpenrevolution" im März 2005 wurde der erste kirgisische Präsident Askar Akajew außer Landes getrieben, und Bakijew von einem heterogenen Oppositionsbündnis ins Präsidentenamt gespült. Kaum war der Machtumsturz geglückt, zerfiel das Bündnis. Präsident, Parlament und Premierminister lieferten sich fortan in wechselnden Konstellationen einen offenen Machtkampf um die Pfründe im Land. Regelmäßige Straßenaufzüge der Opposition zogen sich über Tage hin und drohten Bakijew wie seinen Vorgänger aus Land und Amt zu jagen.
Kirgistan ist ein von Gebirgen und Klanen in einen Nord- und Südteil geteiltes Land, in dem regionale Führer mit Hilfe örtlicher Geschäftsmänner und nicht selten krimineller Autoritäten an die Macht streben. Bei den letzten Protesten im April überschätzte die Opposition jedoch ihre eigene Kraft. Ein Demonstrationsaufzug endete kläglich, und die Opposition zerfiel. Den Schwächezustand nutzte Bakijew nach der Sommerpause für den politischen Kehraus. Per Referendum drückte er eine neue Verfassung durch und schmiss mit den Parlamentswahlen die Opposition endgültig aus der politischen Arena.
Damit zog Bakijew mit den Nachbarn gleich. Der kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew hatte sich im August ein Einparteinparlament gesichert. Und in Usbekistan ließ sich der seit 18 Jahren regierende Präsident Islam Karimow am 23. Dezember in einer Pseudowahl wieder bestätigen. In Kasachstan verfügt Nasarbajew über einen Ölschatz, mit dem er die Bevölkerung besänftigen kann, und in Usbekistan steht Karimow ein grausiger Unterdrückungsapparat zur Verfügung. Beides hat Bakijew nicht, und es bleibt abzuwarten, ob die groben Wahlfälschungen die zuvor zersplitterte Opposition nicht wiedervereinigen und die sicher geglaubte Macht des kirgisischen Präsidenten im Frühjahr 2008 erneut zum Schmelzen bringen.