NIEDERSACHSEN
Sozialdemokrat Wolfgang Jüttner tritt gegen CDU-Ministerpräsident Christian Wulff an. Doch kaum einer kennt den Herausforderer.
Christian Wulff oder Wolfgang Jüttner? Für viele Niedersachsen ist die Frage nach dem neuen Landesvater schon Monate vor der Landtagswahl am 27. Januar 2008 entschieden. Sie räumen Jüttner, dem Herausforderer von der SPD, keine Chancen ein. Laut jüngsten Umfragen sähen 57 Prozent lieber Wulff als neuen und damit alten Regierungschef. Nur 19 Prozent wünschten sich Jüttner an der Spitze des Kabinetts. Und 48 Prozent der Befragten konnten den Sozialdemokraten mangels Bekanntheit erst gar nicht bewerten. Das sind für Jüttner schlechte Startbedingungen. Doch der Sozialdemokrat gibt sich nicht im Vorfeld geschlagen. Kritiker werfen ihm vor, farblos und ohne Profil zu sein. Eines zumindest steht aber fest: Der 59 Jahre alte SPD-Politiker ist ein Kämpfer.
"Gerechtigkeit kommt wieder" lautet sein Slogan für die Landtagswahl. "Ich freue mich, dieses Land in den nächsten Jahren gerechter gestalten zu können", sagte Jüttner jüngst bei der Haushaltsdebatte im Landtag. Kostenlose Schulbücher, gebührenfreies Studium, ein Sofortprogramm für mehr Ausbildungsplätze, finanzielle Unterstützung für bedürftige Schüler und der Einsatz für einen gesetzlichen Mindestlohn gehören zu den Schwerpunkten seines Wahlprogramms. Zudem will Jüttner die Nutzung erneuerbarer Energien vorantreiben und dabei auch die Versorgung der Landesbehörden umstellen.
Der SPD-Politiker reagiert auch auf die Meldungen über verwahrloste und getötete Kinder. Kernpunkte eines neuen Kinderschutzgesetzes sollen flächendeckende Vorsorgeuntersuchungen in Kindertagesstätten und Grundschulen sein. Für die Eltern soll es mehr Beratungsangebote geben, fordert Jüttner, der seit 35 Jahren verheiratet ist und eine 30-jährige Tochter hat. Zu seinen Themen gehören außerdem die ureigenen SPD-Forderungen nach beruflicher Gleichstellung von Frauen sowie die stärkere Integration von Zuwanderern. Mit seinem Sofortprogramm für soziale Gerechtigkeit will der Soziologe punkten und seinen Kontrahenten besiegen.
Das wird nicht einfach, denn auch Wulff ist ein Kämpfer und hat aus seinen Niederlagen gelernt. Bereits zwei Mal wollte der gebürtige Osnabrücker Ministerpräsident in Niedersachsen werden - und scheiterte beide Male an Gerhard Schröder. Doch 2003 erzielte die CDU mit 48,3 Prozent ein sensationelles Ergebnis - dank eines bundespolitischen Stimmungsumschwungs - und Wulff erreichte endlich sein Ziel. Unter dem Motto "Gemeinsam unser Land bewegen" will der 48-Jährige auch vier Jahre später weiter die Zügel in den Händen halten. "Niedersachsen ist vom Land des Schwächelns zum Land des Lächelns geworden", sagt Wulff und zieht eine positive Bilanz seiner bisherigen Regierungszeit. Zu seinen Kernpunkten gehört die Fortsetzung der konsequenten Sparpolitik. Der Jurist hat angekündigt, dass Niedersachsen bis spätestens 2010 und damit zwei Jahre früher als geplant ohne neue Schulden auskommen soll. CDU und FDP hätten die Neuverschuldung auf den niedrigsten Wert seit 1973 gesenkt. Wulff will nachkommenden Generationen keine Finanzprobleme von gestern überlassen. "Gute Regierungen können Sie daran erkennen, dass sie nicht nur gut starten, sondern Kurs halten. Wir sind in Niedersachsen gut gestartet, aber wir müssen jetzt Kurs halten", betont Wulff.
Seriosität ist ein Attribut, das viele Wähler mit Wulff verbinden. Sein Lieblings-Schwiegersohn-Image geriet allerdings in seiner Amtszeit kurz ins Wanken, als der Landesvater sich Mitte 2006 von seiner Frau Christiane trennte. Doch Wulff hat seine privaten Probleme nicht öffentlich diskutiert und zeigt sich weiterhin mit seiner 13-jährigen Tochter Annalena, die bei ihrer Mutter lebt. Seine neue Lebensgefährtin Bettina Körner erwartet ein Baby, das im Sommer geboren werden soll. Das wird ihm bei der Landtagswahl vielleicht auch weitere Wählerstimmen einbringen - Familienglück kommt immer gut an.
Ebenso wie eine gute Familienpolitik. Wulff will eine bestmögliche Bildung für die Kinder, um ihnen gute Startchancen zu geben. Er wirbt mit Qualifizierung, Wissens- und Kompetenzerwerb. Jeder Euro, der in die Bildung fließt, sei vernünftig investiert. Im Haushalt 2008, den CDU und FDP sechs Wochen vor der Landtagswahl verabschiedet haben, sollen für die Einrichtung von rund 11 200 Studienplätzen bis 2010 bereits im kommenden Jahr 10 Millionen Euro aufgebracht werden. In die Lehrerfortbildung sollen 6,7 Millionen Euro fließen, weitere 6 Millionen Euro plant die Regierungskoalition für den Ausbau von Ganztagsangeboten an Schulen.
Mit der FDP hat Wulff einen zuverlässigen Regierungspartner. Familie, Bildung und Arbeit sind auch die Kernthemen der Freien Demokraten. Fraktionschef Philipp Rösler wirbt mit einer verlässlichen und flexiblen Kinderbetreuung und einer guten und chancengleichen Bildung an Schulen, Universitäten und in der Ausbildung. Ziel seien neue Arbeitsplätze in einer wachsenden und vor allem mittelständischen Wirtschaft in Niedersachsen.
Die Grünen mit Ursula Helmhold an der Spitze engagieren sich stärker für eine konsequente Umweltpolitik, für eine neue Schule, für mehr soziale Gerechtigkeit, für Bürgerrechte und einen Mindestlohn, der das Lohndumping zu Lasten der öffentlichen Hand beendet. Rund sieben Prozent dürften die Grünen laut Umfragen auf sich vereinen. Als Koalitionspartner der SPD würde das nicht zum Wahlsieg reichen.
Eine entscheidende Rolle könnte Die Linke spielen. Kreszentia Flauger führt als Spitzenkandidatin die aus der Linkspartei und der Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) zusammengeschlossene Partei an. In den Bremer Senat war die Partei im Mai dieses Jahres mit 8,4 Prozent eingezogen. Nach Umfragen von Anfang Dezember dürfte Die Linke die politische Landschaft in Niedersachsen jedoch kaum verändern. Erwartet wird ein Ergebnis von rund vier Prozent. Wulff rechnet nicht damit, dass Die Linke ins niedersächsische Parlament einziehen wird: "Für kleinere Parteien ist es in Niedersachsen traditionell ein langwieriger Prozess, sich über fünf Prozent zu behaupten." Zudem hat Jüttner angekündigt, kein Bündnis mit der Linkspartei einzugehen.