Mensch und Universum
Wahrheitssuche zwischen Mythen, Religion, Wissenschaft und Science Fiction
Der Himmel fällt uns auf den Kopf": Der panische Schreckensruf zeugt von der einzigen Angst der sonst so tapferen Bewohner eines wohlbekannten gallischen Dorfs. Letzlich entpuppt sich die drohende Apokalypse jedoch "nur" als gigantisches Raumschiff, das über dem antiken Gallien schwebt. Der 2005 erschienene Asterix-Comic "Gallien in Gefahr" birgt wie so oft in der beliebten Comic-Serie sowohl einen historischen Kern als auch eine augenzwinkernde Anspielung auf die Gegenwart.
Von der besagten Angst der Kelten, zu denen die Asterix-Gallier gehören, berichtet der makedonische Feldherr und spätere ägyptische Herrscher Ptolemaios I. in seiner Biografie Alexander des Großen. Dem soll im Jahr 335 vor Christus ein Keltenfürst auf die Frage, wovor sein Volk sich fürchte, trotzig geantwortet haben: "Vor nichts - außer dass uns der Himmel auf den Kopf fällt." Die Vorstellung von außerirdischen Besuchern beflügelt bis heute die Fantasie der Menschen und treibt zuweilen wahre Stilblüten. Dies musste zuletzt Sandra Maischberger in ihrer Talkshow zum Thema "Ufos, Engel, Außerirdische - sind wir nicht allein?" leidvoll erfahren. Der Wissenschaftsjournalist Joachim Bublath fühlte sich in der Sendung dermaßen von den Ufo-Erlebnissen der Rockröhre Nina Hagen genervt, dass er "diese Therapiesitzung" vorzeitig verließ.
Seit jeher bot das All den idealen Raum für Mythen, Legenden, Hoffnungen und Ängste. Daran hat sich trotz aller wissenschaftlicher Forschung nur wenig geändert. Sieht man einmal von den noch unerforschten Tiefen der Ozeane ab, weist der Weltraum bis heute die meisten "weißen Flecken" auf der Landkarte auf.
Wann genau der Mensch zum ersten Mal seinen fragenden Blick zum Himmel richtete, lässt sich nicht rekonstruieren, aber sehr viel Zeit hat er sich nach seinem Erscheinen auf der Bildfläche wohl nicht gelassen. In diesem Zusammenhang wird gerne auf die Wandmalereien in den Höhlen von Lascaux in Südfrankreich verwiesen, die vor rund 17.000 Jahren entstanden. In einer der dortigen Jagdszenen könnten die Plejaden, bekannt auch als "Siebengestirn", integriert sein.
Eine wissenschaftliche Astronomie setzte jedoch erst sehr viel später ein. Zunächst einmal erlangte die Beobachtung des sichtbaren Sternenhimmels eine zentrale Bedeutung für die frühen landwirtschaftlichen Kulturen. So spielte beispielsweise das Auftauchen des Sternes Sirius am Morgenhimmel für die alten Ägypter eine herausragende Rolle: Sein Auftauchen fiel zusammen mit der alljährlichen Überschwemmung des Nils. Für die Planung der Aussat war eine möglichst genaue Bestimmung dieses Zeitpunktes existenziell. Solche alljährlich wiederkehrenden Himmelskonstellationen ermöglichte in vielen Kulturen die Erstellung der ersten Kalender.
Galten lange Zeit die frühen Hochkulturen der Ägypter, Babylonier, Assyrer oder Maya als die frühzeitlichen Meister in Sachen Astronomie, so stellte 1999 ein archäologischer Fund in Sachsen-Anhalt klar, dass auch die Menschen in Mitteleuropa zu dieser Zeit bereits über ein erstaunliches astronomisches Wissen verfügten. Bei der so genannten Himmelsscheibe von Nebra handelt es sich um nicht weniger als die älteste konkrete Darstellung des Sternenhimmels überhaupt. Entstanden ist sie zwischen 2100 und 1700 vor Christus und ist damit um gut 200 Jahre älter als die frühesten bislang in Ägypten gefunden Darstellungen. Mit ihrer Hilfe soll es bereits möglich gewesen sein, das Mond- und das Sonnenjahr zu harmonisieren. Diese Fähigkeit ist schriftlich erst rund 1.000 Jahre später in Keilschrift von den Babyloniern fixiert worden.
Untrennbar verbunden mit solchen Fähigkeiten, waren jedoch immer religiöse Vorstellungen und Deutungen. Und so wachten auch in allen Kulturen die jeweiligen Priesterkasten streng über das astronomische Wissen. Der Himmel wurde für die Menschen zur göttlichen, kultischen und mythologischen Sphäre. Davon zeugen bis heute die Planeten unseres Sonnensystems und jene Sternenbilder, die die Namen von Göttern, Helden und Tieren tragen.
Losgelöst von religiösen und mythischen Deutungen blickten in Europa erstmals die griechischen Philosophen der Antike zu den Sternen. Sie versuchten im wahrsten Sinne des Wortes Ordnung (griechisch: kosmos) in den Himmel zu bringen. Anaximander von Milet entwarf bereits im 6. Jahrhundert vor Christus ein geozentrisches Weltbild. Er beschrieb den Himmel als Kugelschale (Sphäre), die die Erde im Zentrum umgebe. Seine Erde war allerdings noch zylindrig und die Menschheit wohnte auf einer der beiden scheibenförmigen Grundflächen des Zylinders. Dieses geozentrische Weltbild sollte in den kommenden Jahrhunderten immer weiter entwickelt werden. Zwar vermutete Aristarch von Samos bereits gegen Ende des 3. Jahrhunderts vor Christus die Sonne und nicht die Erde im Zentrum des Universums (heliozentrisches Weltbild), durchsetzen konnte er sich damit allerdings nicht. Den Höhepunkt der antiken Astronomie stellte schließlich das geozentrische Weltbild des Ptolemäus dar, wie er es um 150 nach Christus in seinem Werk "Almagest" (Große Zusammenstellung) beschrieb. Es sollten rund 1.400 Jahre vergehen, bis das ptolemäische schließlich durch das heliozentrische Weltbild endgültig abgelöst wurde. Dass die Erde die Form einer Kugel und nicht einer Scheibe oder eines Zylinders hat, das wusste allerdings schon Eratosthenes von Alexandria, der den Erdumfang um das Jahr 225 vor Christus fast annähernd genau berechnet hatte.
Es war die Renaissance, die schließlich der Wissenschaft zum Durchbruch verhelfen sollte. Die Namen von Nikolaus Kopernikus, Johannes Keppler und Galileo Galilei sind untrennbar mit der Entschlüsselung des Himmels verbunden. Allerdings hat auch diese Epoche ihre ganz eigenen Legenden geboren. So hält sich bis heute hartnäckig das Bild des aufrechten Wissenschaftlers Galilei, der mit Hilfe seines Fernrohrs - dieses ermöglichte erstmals einen tieferen Blick ins All - unbeirrt gegen den erbitterten Widerstand der katholischen Kirche das heliozentrische Weltbild durchsetzte. In jener Zeit entstand jener vermeintliche Widerspruch, der das Bild von Wissenschaft und Theologie bis heute prägen sollte.
Fakt ist, dass es der Domherr (!) Kopernikus war, der "die Welt um ihren Himmel gebracht hat", wie es der deutsche Philosoph Ludwig Feuerbach ausdrückte. Kopernikus setzte die Sonne in seinem 1543 erschienenen Werk "De Revolutionibus Orbium Coelestium" ins Zentrum unseres Planetensystems und ließ die Erde auf Kreisbahnen um die Sonne routieren und sich dabei innerhalb von 24 Stunden einmal um die eigene Achse drehen. Die Kirche hatte mit solchen Ansichten zunächst keine Probleme. Im Gegenteil: Zum einen stellte das geozentrische Weltbild nie einen Glaubensgrundsatz dar - schließlich hatten die Christen es selbst von den "heidnischen" Griechen übernommen -, zum anderen hatten es schon rund 100 Jahre zuvor Theologen wie der Kardinal Nicolaus Cusanus in Zweifel gezogen. Ende des 16. Jahrhunderts wurde das kopernikanische Weltbild gar zur Grundlage für die Ablösung des julianischen durch den gregorianischen Kalender; verantwortlich dafür zeichnete immerhin der Papst in Rom: Gregor XIII.
Bevor sich Galilei mit der Kirche anlegen konnte, räumte zunächst noch der Astronom Johannes Keppler gründlich mit den Resten des antiken und mittelalterlichen Himmels auf. In seiner 1609 erschienenen "Astronomia Nova" verließen die Planeten ihre bis dahin angenommene kreisrunde Umlaufbahn und schwenkten auf Ellipsen ein. Und von da ab bewegten sie sich auch nicht mehr alle mit der gleichen Geschwindigkeit, sondern in Abhängigkeit zu ihrer jeweiligen Entfernung zur Sonne.
Galileo Galilei trat letztlich lediglich für Erkenntnisse ein, die längst in der Welt waren. Und doch endete sein Fall 1616 tragisch als ihn die Kirche mit Publikationsverbot und Hausarrest belegte. Aber es war eher ein Problem der zeitlichen Umstände, dass es zum großen Zerwürfnis zwischen Galilei und dem Vatikan kam. Der eskalierende Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten ließ Rom immer zurückhaltender gegenüber neuen Erkenntnissen werden. Zumal Galilei sich darauf versteifte, das kopernikanische Weltbild sei eben die alleinige Wahrheit, für die notfalls auch die Bibel uminterpretiert werden müsste. Solche Sätze waren damals Salz in den Wunden.
Ausgerechnet der real gewordene Aufbruch ins All sollte neue Mythen und Legenden hervorbringen. Ausgelöst durch die industrielle Revolution und das Maschinenzeitlalter begann der Siegeszug des Science-Fiction-Literatur. Standen zunächst noch ganz irdische Themen - etwa die Städte oder die Kriege der Zukunft - im Vordergrund des Genres, so siedelten die Autoren ihre Geschichten schon bald in den Weiten des Alls an. Bereits 1865 schickte Jules Verne eine Gruppe von Forschern auf eine Reise zum Mond ("De la terre à la lune"). Rund 100 Jahre später startete dann auf den Fernsehbildschirmen jene Serie, die bis heute als das weltweit bekannteste Weltraumabenteuer gilt. Noch drei Jahre vor der Mondlandung brachen Captain James T. Kirk und Mr. Spock im Raumschiff "Entersprise" in die "unendlichen Weiten" auf, um "neues Leben und neue Zivilisationen" zu entdecken, wie es im Vorspann einer jeden Episode heißt. Kirk und Spock wurden zu modernen Legenden, ihre Namen sind vielen Menschen geläufiger als die der ersten Astronauten auf dem Mond.
Je kleiner die realen Hoffnungen oder Befürchtungen wurden, innerhalb des eigenen Sonnensystems auf Leben zu treffen, desto dichter und bunter wurde das All in unzähligen Filmen und Büchern mit Leben erfüllt. Das Aufeinandertreffen mit Außerirdischen fiel mal kindlich-naiv wie in Steven Spielbergs "E.T." und mal pseudo-religiös wie in seiner "Unheimlichen Begegnung der dritten Art" aus - oder es geriet zum brutalen Existenzkampf wie in Ridley Scotts "Alien". Neue Mythen werden mit dem weiteren Vordringen des Menschen ins All entstehen - das ist schließlich unendlich. Zumindest glauben wir das.