KOMMERZ
Außerirdische Rohstoffe sind heiß begehrt
55 Jahre nachdem erstmals menschliche Füße den Mondstaub aufwirbelten, will die US-Raumfahrtbehörde NASA erneut Geschichte schreiben: in Gestalt eines aus vier Röhren bestehenden, kreuzartigen Systems, in dem ab dem Jahr 2024 vierköpfige Astronautenteams für jeweils eine Woche forschen und arbeiten sollen - insgesamt 180 Tage im Jahr. Nicht allein im Dienste der Wissenschaft, sondern auch zu kommerziellen Zwecken. Schließlich ist der Erdsatellit nicht nur mit vielen Kratern, sondern auch mit riesigen Rohstoffvorkommen gesegnet, die später einmal zu lunaren Exportschlagern avancieren könnten.
Eine potenziell hochwertige Rohstoffquelle könnte das so genannte Helium-3 sein. Dieses auf der Erde höchst selten anzutreffende Edelgas eignet sich nach Ansicht einiger Experten als idealer Brennstoff für die zukünftige kontrollierte Kernverschmelzung, da es kaum Abfallprodukte erzeugt. In exakt welchem Maße und in welcher Masse der Helium-3-Schatz allerdings auf "La Luna" schlummert, wie er vor Ort überhaupt gewinnbringend abgetragen und mit welchen Trägersystemen er gen Erde transportiert werden kann, ist völlig unklar. Und dies scheint auf alle möglichen Bodenschätze zuzutreffen, auf denen der Mann im Mond ahnungslos zu sitzen scheint. Wirtschaftlich gesehen würde sich für einen Gütertransfer nur Helium-3 eignen, von dem Schätzungen zufolge im Mondgestein mindestens eine Million Tonnen lagern. Eine einzige davon wäre circa vier Milliarden Dollar wert.
"Ich glaube dennoch nicht, dass es in den nächsten Jahrzehnten überhaupt zu irgendwelchen größeren Gütertransfers zur Erde kommt", vermutet Wolfgang Seboldt vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), der sich jahrelang mit der lunaren Rohstoffgewinnung beschäftigt hat. "Auf dem Mond lassen sich Rohstoffe bestenfalls für den Ausbau und Erhalt der dort geplanten Basisstation nutzen." Dass selbst hierbei enorme Probleme zu überwinden sind, hat Seboldt am eigenen Leibe erfahren. Zusammen mit Kollegen versuchte er, Sauerstoff, das häufigste Element auf dem Mond, aus dem Mondgestein zu extrahieren. Dabei konnte er reinen Sauerstoff nur in sehr geringer Konzentration gewinnen.
Um auch an andere begehrte Rohstoffe zu gelangen, müssen die im Innern des Mondes verborgenen Lagerstätten zunächst zielgenau lokalisiert und kartografiert werden. Und da auch außerirdische Rohstoffe sich nicht von selbst freilegen, müssen geschulte Mondgeologen eine völlig neue Bergbautechnik etablieren, weil auf dem Erdtrabanten die Anziehungskraft nur ein Sechstel der irdischen beträgt. Wer die Bilder der hüpfenden Mondastronauten kennt, wird verstehen, dass in lunaren Gefilden das Abtragen von Bodenschätzen eine geologisch und physikalisch große Herausforderung darstellt. Erschwerend kommen die von Zeit zu Zeit niederprasselnden Meteore oder Asteroiden hinzu, die aufgrund des Fehlens einer schützenden Atmosphäre ungebremst auf dem Mondboden aufschlagen.
Eine effektive außerirdische Rohstoffgewinnung wird wohl eher an den enormen Ausgaben scheitern. "Heute kostet jedes in den Orbit gehievte Kilogramm 20.000 Dollar. Jedes vom Mond zur Erde transportierte Kilogramm könnte die Ausgaben um weit mehr als das 10-Fache erhöhen", erklärt der Kölner Astrophysiker und Raumfahrtexperte Hans-Joachim Blome. Bis also der erste Helium-3-Transporter seinen Jungfernflug vom Mond zur Erde zelebriert, werden noch viele Vollmonde den irdischen Abendhimmel erhellen.
Der Autor arbeitet für das Online-Magazin Telepolis in Köln.