WAFFEN
Mit der V2 entwickelten die Nazis die erste weltraumfähige Rakete der Welt. Sie tötete über 12.000 Menschen.
"Wir haben mit unserer Rakete den Weltraum zum ersten Mal als Brücke zwischen zwei Punkten auf der Erde benutzt. Der heutige Tag ist der erste eines Zeitalters neuer Verkehrstechnik, dem der Raumschifffahrt." So euphorisch äußerte sich am 3. Oktober 1942 der militärische Leiter der Heeresversuchsanstalt Peenemünde, Oberst Walter Dornberger. Zum ersten Mal war der Start der Rakete "Aggregat 4", die später unter der Bezeichnung V2 zu zweifelhaftem Ruhm gelangen sollte, erfolgreich gewesen.
Die "Aggregat 4" war seit Ende der 1930er-Jahre unter der Leitung des Ingenieurs Wernher von Braun entwickelt worden. Die Rakete, die mit einer Mischung aus Flüssigsauerstoff und Alkohol betrieben wurde und eine Tonne Sprengstoff in bis zu 300 Kilometer entfernte Ziele trug, galt Hitler und seinen Offizieren in den letzten Kriegsjahren als "Vergeltungswaffe", die den "Endsieg" bringen sollte. Zuvor hatte allerdings die Flugbombe V1 enttäuscht: Auch sie war zunächst als "Wunderwaffe" gefeiert worden. Allerdings hatte der mit Sprengstoff bestückte Marschflugkörper mit der ursprünglichen Bezeichnung "Fieseler Fi 103" nur in 25 Prozent aller Fälle sein Ziel erreicht. Als weit wirkungsvoller stellte sich die V2 dar, die erste weltraumfähige Rakete der Welt. Sie hatte bei einer Geschwindigkeit von mehr als 5.000 Stundenkilometern und einer Flughöhe von 90 Kilometern eine Reichweite von über 400 Kilometern. Für die Bevölkerung von England und Belgien, gegen die die V2 schwerpunktmäßig eingesetzt wurde, wurde sie trotz einer 30-prozentigen Fehlerquote zu einer allgegenwärtigen Bedrohung mit immenser psychologischer Wirkung: Lautlos und ohne Vorwarnung, da aufgrund ihrer hohen Geschwindigkeit und großen Flughöhe vom Radar nicht zu orten, schlug die Rakete ein und tötete von September 1944 bis März 1945 etwa 12.000 Menschen, vorwiegend in London und Antwerpen. Doch schon die Herstellung der "Wunderwaffe" unter Leitung von Brauns forderte zahlreiche Menschenleben. Nachdem die Produktion im August 1943 von Peenemünde in ein Bergwerkstollensystem bei Nordhausen im Harz verlegt worden war, wurden tausende Häftlinge des Konzentrationslagers Buchenwald in das neue Konzentrationslager Dora-Mittelbau verlegt, wo sie unter unmenschlichsten Bedingungen zunächst die unterirdische Fabrikanlage ausbauen und später an der Herstellung der Raketen mitwirken mussten. 20.000 Zwangsarbeiter verloren dabei ihr Leben.
Der Karriere der V-Waffenreihe tat dies auch nach Kriegsende keinen Abbruch. Im Rahmen des Geheimprojekts "Operation Overcast", der Verbringung deutscher Wissenschaftler, Technik und technischer Unterlagen in die USA, sollten die Konstrukteure der V2 ihre Planungen für Interkontinentalraketen in die Praxis umsetzen. Diese hatten sie noch während des Krieges auf den Reißbrettern entwickelt, um einmal Ziele in New York und Washington erreichen zu können.
Auch im Dienste seines neues Auftraggebers brillierte Wernher von Braun: Nur vier Monate nach dem Sputnik-Schock modifizierte er für das US-Militär die aus der V2 weiterentwickelte "Redstone-Rakete", die im Januar 1958 den ersten US-Satelliten "Explorer-1" ins All brachte.
Die Autorin arbeitet als freie Jounalistin in Dresden.