STAR WARS
Kriege werden auch vom Weltraum aus geführt. Noch aber sind dort keine Waffen stationiert.
Die Pentagon-Generale sind bereit, die ganze Erde zu atomisieren, um die gottlosen Kommunisten zu vernichten… Es ist daher nötig, eine Weltraum-Psychopathologie und eine Weltraum-Psychiatrie zu entwickeln." Diese Anregung zur Ausweitung der Seelenforschung gab die sowjetische Wochenzeitschrift "Neue Zeit" im Jahre 1965, vor nunmehr 42 Jahren. Ausgerechnet die Sowjetunion, die als erste Nation überhaupt - noch vor den Amerikanern - seinerzeit Interkontinental-Raketen mit Atomsprengköpfen entwickelt hatte, erregte sich über die ersten US-Aufklärungssatelliten. Der damalige Kreml-Chef Nikita Chruschtschow wetterte sogar, er werde es den Amerikanern nicht erlauben, ihm "ins Schlafzimmer zu gucken". Es war wohl die erste Beschwerde über die damals anlaufende militärische Nutzung des erdnahen Weltraums. Allerdings beruhigten sich die Russen wieder relativ schnell - in dem Maße, in dem es ihnen selbst gelang, Spionage-Satelliten ins All zu schicken.
Das alles ist jetzt annähernd ein halbes Jahrhundert her. Inzwischen hat die militärische Bedeutung des erdnahen Raums so zugenommen, dass ein moderner Krieg ohne Hilfe aus dem Weltraum gar nicht mehr zu führen ist. Wenn es dazu noch eines Beweises bedurft hätte, so hat ihn 1991 der Golfkrieg geliefert. Sadam Hussein wurde damals nicht zuletzt deswegen so vernichtend geschlagen, weil die Amerikaner - im Gegensatz zu dem irakischen Diktator - auf die Dienste ihrer leistungsstarken optischen und elektronischen Aufklärungs- sowie Navigations-, Nachrichten- und Wetter-Satelliten zurückgreifen konnten.
So waren die US-Streitkräfte in der Lage, mit Aufklärungssatelliten im optischen und Radar-Bereich alle Bewegungen der gegnerischen Streitkräfte Tag und Nacht zu verfolgen. Mit ihren elektronischen Aufklärungssatelliten konnte sie praktisch jedes Telefonat und jeden Funkspruch des Gegners abhören; ihr "Global Positioning System" (GPS) steuerte ihre Raketen und Flugkörper ins Ziel, und Nachrichten-Satelliten sorgten für die live-Verbindung zu den militärischen Kommando-Zentralen.
Auch im Irak-Krieg bedienen sich die Amerikaner derzeit ausgiebig ihrer Weltraum-Hilfsmittel. Allerdings sind sie in einer bürgerkriegsartigen Auseinandersetzung nicht ganz so hilfreich wie bei einem regulären Konflikt mit Frontlinien, Fahrzeugen, Stellungen und Bunkern. Immerhin wäre aber Saddam Hussein fast einem aus der Luft mit GPS-gelenkten Raketen geführten Angriff zum Opfer gefallen. Anders als die Militärsatelliten konnte sich allerdings die Stationierung von Waffen im Weltraum - die inzwischen durch einen internationalen Vertrag ohnehin verboten ist - seit Beginn der Raumfahrt nicht durchsetzen, obwohl es immer wieder Versuche dazu gegeben hat. Erste Entwicklungen für den Krieg unbemannter Roboter im Weltraum begannen schon 1968. Die Amerikaner beobachteten seinerzeit mit einiger Sorge sowjetische Versuche mit so genannten Killersatelliten. Das waren Satelliten, die andere Satelliten ansteuerten, sich in ihrer Nähe selbst zur Explosion brachten und damit auch den angeflogenen Satelliten zerstören konnten. Die Amerikaner begannen um die Überlebensfähigkeit ihrer Militärsatelliten zu fürchten und erteilten nun ihrerseits den Auftrag, eine Anti-Satellitenwaffe zum eventuellen Abschuss gegnerischer Killersatelliten zu entwickeln.
Dabei sollte ein sehr hoch und schnell fliegendes Jagdflugzeug vom Typ McDonnell Douglas F-15 eine Rakete abschießen, die in den Weltraum vordringen und dort niedrig fliegende Satelliten erledigen sollte. Die Vaught Corporation und Boeing erhielten 1977 entsprechende Entwicklungsaufträge. Doch bevor die russischen und amerikanischen Satelliten-Waffen voll einsatzbereit in die Waffen-Arsenale beider Supermächte übernommen werden konnten, kamen dann Washington und Moskau gerade noch rechtzeitig überein, die geplante weitere Drehung der Weltraum-Rüstungsspirale zu stoppen. Inzwischen hat jedoch China offenbar eine rudimentäre Killersatelliten-Kapazität entwickelt. Sie schossen im Januar 2007 einen eigenen, alten Wettersatelliten auf der Umlaufbahn mit einem eigenen Killersatelliten in Stücke.
Vor 25 Jahren kam dann die bislang umfassendste Bemühung zur Militarisierung des erdnahen Raums in Gang. Am 23. März 1983 hielt der damalige US-Präsident Ronald Reagan seine später berühmt gewordene "Star-Wars"-Rede und erklärte: "Ich gebe die Anweisung zu einer umfassenden und intensiven Anstrengung, ein langfristiges Forschungs- und Entwicklungsprogramm auszuarbeiten, um unserem Endziel näher zu kommen, die Bedrohung durch strategische Nuklearraketen zu beseitigen."
Das von Reagan angesprochene "Endziel" seiner Strategic Defense Initiative (SDI) war, selbst einen ganzen Schwarm anfliegender feindlicher Atomraketen vor dem Erreichen amerikanischen Territoriums abzuschießen oder unschädlich machen zu können. Doch die Fülle der technischen Schwierigkeiten und die im wahrsten Sinne astronomischen Kosten, die seinerzeit schon auf 250 bis 500 Milliarden Dollar geschätzt wurden, brachten schließlich das ehrgeizige SDI-Programm zu Fall - nachdem bereits mehrere Milliarden Dollar dafür ausgegeben worden waren.
Dabei erwies sich auch die Idee, bemannte oder unbemannte Kampf-Stationen im Weltraum zu errichten, als reine Utopie. Von ihnen aus sollten startende feindliche Interkontinentalraketen über große Entfernungen hinweg durch Laser- oder Partikel-Strahlung schon kurz nach dem Start ausgeschaltet werden. Heute findet dagegen der Weltraum-Krieg eher auf der Erde statt. Irdische Abwehrmaßnahmen und nicht unrealistische Weltraum-Kampfstationen sollen - so weit irgend möglich - anfliegende feindliche Interkontinental-Raketen beziehungsweise ihre nuklearen Sprengköpfe vor dem Erreichen ihrer Ziele ausschalten. Dazu lässt US-Präsident George W. Bush in Alaska Abfangraketen verbunkern, die - wenn überhaupt - allenfalls einige wenige Sprengköpfe abfangen könnten. Seine Pläne, auch in Polen zehn Abfangraketenstellungen einzurichten - nebst großer zugehöriger Radar-Anlage in Tschechien - haben im vergangenen Jahr die Russen erzürnt. Mittlerweile hat allerdings der US-Kongress Bush einen Strich durch die Rechnung gemacht. Zumindest vorerst kann die Raketenabwehr in Polen nicht installiert werden. Die dafür im Verteidigungshaushalt für 2008 eingeplanten Mittel in Höhe von 3,5 Milliarden Dollar wurden vom Kongress nicht bewilligt. Allenfalls in einem Nachtragshaushalt könnte der US-Präsident die Abfangraketen noch durchsetzen.
Dafür findet sich im US-Verteidigungsbudget, das für 2008 die stolze Höhe von 471 Milliarden Dollar ausweist - also 1,29 Milliarden Dollar Ausgaben pro Tag - eine neue Angriffswaffe, die im Weltraum unterwegs sein wird. Es handelt sich um ein Hyperschallflugzeug namens "Falcon", eine Mischung zwischen Rakete und Flugzeug.
Das Fahrzeug dringt schnell in den Weltraum vor, operiert ähnlich wie ein Raumfahrzeug, tritt in der Art eines US-Raumtransporters wieder in die Erdatmosphäre ein und landet wie ein konventionelles Flugzeug. "Falcon" soll im Kriegsfall fünf Tonnen Bomben innerhalb kürzester Zeit auf jeden Punkt der Erde abwerfen können. Man denkt zum Beispiel daran, wenn man - wo auch immer - Vorbereitungen für den Start eines atomaren Raketenschlags etwa gegen die USA oder einen Verbündeten entdeckt, "Falcon" mit seiner todbringenden Last sofort in Marsch zu setzen. Von vorgeschobenen Basen, etwa im Mittleren Osten oder Asien, könnte der Weltraumflieger in einem solchen Fall das Einsatzgebiet sehr viel schneller erreichen als vom Territorium der Vereinigten Staaten.
Doch auch der neue "Falcon" wird im Grunde keine Weltraumwaffe. Er wird auf der Erde stationiert und nicht auf der Umlaufbahn.
So ist der erdnahe Weltraum heute zwar "militarisiert" - durch eine Fülle von militärischen Satelliten. Immerhin gibt das US-Verteidigungsministerium für seine Satelliten und Startraketen auch fast genauso viel Geld aus wie die Nasa, die jährlich 17 Milliarden Dollar verbrauchen kann. Doch unsere Umgebung im All ist, ein halbes Jahrhundert nach dem Start des ersten Satelliten "Sputnik-1" immer noch waffenfrei.
Das muss allerdings nicht immer so bleiben. Angesichts der Tatsache, dass ein Krieg im 21. Jahrhundert ohne Satellitenhilfe kaum mehr zu führen - geschweige denn zu gewinnen ist, wird jedenfalls der Ruf der Militärs nach einem Schutz der eigenen Weltraum-Kapazitäten immer lauter.
Immer häufiger taucht daher in letzter Zeit in US-Fach-Magazinen und Militär-Diskussionen auch ein Satz auf, der nicht unbedingt jedem gefällt. Er lautet: "Let's weaponize space."