"Unsere Gesellschaft altert." Diese Aussage hat für viele einen negativen Beigeschmack. Alte Menschen belasteten die Gesellschaft, den Sozialstaat, lautet die Botschaft: Deutschland vergreise, die Deutschen stürben aus, immer weniger junge müssten für immer mehr alte Menschen sorgen, die Gesellschaft verliere an Dynamik, wird suggeriert. Dass eine alternde Gesellschaft auch Chancen birgt, dass ältere Menschen nicht in erster Linie ein gesellschaftliches Problem, sondern vielmehr ein Potenzial darstellen, wird in einer jugendzentrierten Gesellschaft viel zu wenig gesehen.
Politik, Wirtschaft und Gesellschaft müssen sich auf den demographischen Wandel einstellen. Die Erhöhung des Renteneintrittsalters ist nur eine Maßnahme, für die zudem erst noch die Rahmenbedingungen zu schaffen sind. Der umfassenden Neugestaltung des Arbeitszeitregimes kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Der Trend zur Verlängerung der Wochenarbeitszeit ist in diesem Zusammenhang ausgesprochen kontraproduktiv. Ohne alters- und alternsgerechte Arbeitszeiten wird es kaum gelingen, das tatsächliche Renteneintrittsalter hinauszuschieben und möglichst nah an die gesetzliche Altersgrenze heranzuführen.
Es kommt darauf an, den Blick zu weiten und die gängigen Abgrenzungen zwischen Jung und Alt zu durchbrechen, fließende Übergänge zu schaffen: von Anfang an und in allen Lebensbereichen. Das schließt die Möglichkeit einer Abweichung vom "Normalarbeitsverhältnis" ein, wann immer dies für den Einzelnen, ganz gleich aus welchen Gründen, notwendig ist. Vielleicht bewirkt ja der Druck, den das demographische Altern auf die Politik ausübt, dass die notwendigen Veränderungen endlich eingeleitet werden. Vielleicht wird ja dann auch der Wert der Erfahrung Älterer wieder (an)erkannt, vielleicht das Älterwerden wieder als ein natürlicher Prozess empfunden, dem sich kein Mensch entziehen kann oder muss.